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Der Anfang der Wandlung Israels 239
Langsam und allmählich schweifte die Rede zur hohen Politik ab. Die Araber er-
klärten sich als fanatische Freunde der Juden ; nichts könne Palästina so rasch Glück
und Reichtum bringen, als wenn viele, sehr viele Juden ins Land kämen. Viel mehr als
in den letzten drei, vier Monaten – ein paar hundert Einwanderer im Monat, das sei ja
so gut wie nichts !
Eldad erfasste einen kaum merklichen Wink Steinbergs und stieĂź einen Seufzer aus :
»Wie wahr Eure Rede ist ! Was sind schon ein paar Einwanderer für ein so großes, men-
schenleeres Land ! Aber leider gibt es viele Araber, die darĂĽber anders denken, die damit
nicht zufrieden sind. Leider !«
Die Araber nickten tief bekĂĽmmert. Leider. Wie wahr und weise hat der Herr ge-
sprochen ; wallah, er ist ein groĂźer Politiker und kennt alle Geheimnisse des Landes.
Aber sie, die hier sprächen, sie seien wahre Freunde des Fortschritts und deshalb auch
wahre Freunde der JudenÂ
– und ihre Brüder, die Araber, würden böse auf sie sein, wenn
je jemand erfahren wĂĽrde, was man hier spricht.
»Niemand wird davon erfahren, bei Allah ! Wir sind stumm und taub !«, versicherte
Steinberg, und Eldad wiederholte feierlich : »Wir sind stumm, und was hier gesprochen
wird, ist morgen schon vergessen.«
Die Araber sahen sich an. Der Ältere von den beiden, Abdullah Fadhi Effendi, ein
bankrotter Gutsbesitzer aus der Gegend von Samakh am Tiberiassee, drehte langsam
die gelben Bernsteinkugeln seines Rosenkranzes in der rechten Hand und nickte zufrie-
den. »Ich vertraue euch, Brüder, aber – wir verlieren viel Zeit, indem wir hieher kamen,
um euch zu sprechen, und offen gestanden, wir wĂĽrden auch viel Geld verlieren, wennÂ
–
Gott behüte – unsere Nachbarn und Freunde jemals gegen uns Misstrauen bekommen
sollten. Wir sind nicht reich. Wir sind eure BrĂĽder. Wenn ihr auch unsere BrĂĽder seid,
dann werdet ihr uns helfen, so wie wir euch helfen wollen !«
Steinberg seufzte. Er hatte nicht viel Geld, aber so wenig auch seine Advokaten-
praxis trug, er war doch der Reichste, war der einzige halbwegs Wohlhabende unter den
Kameraden. So griff er in die Tasche und sagte mit ausgesuchter Höflichkeit : »Wirst du,
Fadhi Effendi, böse sein, wenn ich bitte, mir zu erlauben, zu deinen Reisekosten eine
Kleinigkeit beizutragen ?«
Der Grundbesitzer machte eine abwehrende Bewegung, schĂĽttelte den Kopf und
griff zugleich nach der Hand Steinbergs, der sechs Pfundnoten zusammengerollt
zwischen seine Finger gleiten lieĂź. Der Effendi bemĂĽhte sich, ein unzufriedenes Ge-
sicht zu machen, aber da er nach manchen schlechten Erfahrungen nur mit drei oder
vier Pfunden gerechnet hatte, gelang es ihm nicht, und er lächelte Steinberg an : »Du
bist mein Bruder ! Dir will ich die Wahrheit sagen. Mein Kamerad hier ist soeben aus
Kairo gekommen : Emir Emin Farughi Pascha – Ihr wisst, der reiche Kaufmann, der
König von Syrien werden will – hat 10.000 Pfund an das Komitee des syrisch-paläs-
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Title
- Wolfgang von Weisl
- Subtitle
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Editor
- Dietmar Goltschnigg
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 362
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- AbkĂĽrzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- EinbĂĽrgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355