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Wolfgang von Weisl - Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
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Der Anfang der Wandlung Israels 255 »Ich schwöre«, gelobte Georges feierlich, küsste nochmals Hand und Wange des Va- ters und verschwand … Der Zug ging wirklich bald  – und er wollte doch noch Ab- schied nehmen. Über das Verschwinden der Maschinengewehre war nicht einmal ge- sprochen worden. Verloren, nicht wert, darüber zu reden. Nur : ein zweites Mal wird Farughi Pascha nicht so dumm sein, Waffen zu schmuggeln. Von nun an zahlt er nur bares Geld. Da weiß er wenigstens, wer es bekommt und wer es behält. Eine Stunde später saß Georges im Speisewagen des Expresszuges Kairo  – Port Said, ihm gegenüber Mademoiselle Lia Antabi, die entzückendste Tänzerin, die Kairo seit Kriegs- ende gesehen hatte, eine jener raffinierten Pariserinnen, wie sie nur im jüdischen Ghetto von Tanger auf die Welt kommen. Lia trank Orangeade, und der junge Farughi sah ihr verliebt und zugleich unbehaglich zu, während sie mit gespitzten Lippen an dem langen Strohhalm saugte, als wollte sie ihn küssen : »Entzückend, dass du mit mir nach dem langweiligen Pa- lästina fährst. Ich bin riesig darüber gerührt, dass du mich so überrascht hast, Lia, aber es ist eigentlich komisch  – gerade heute hat mein alter Herr mir ausdrücklich eingeschärft, mit keiner Jüdin in Palästina etwas anzufangen  – es kann mir verflucht schaden, wenn man uns dort zusammen sieht. Sage wenigstens niemandem, dass du Jüdin bist, nicht wahr ?« Lia lachte leise vor sich hin, mit jenem silbernen Klang, der an das Schwingen edlen Damaszener Stahls erinnert und der Georges besinnungslos machen konnte. Sie legte zärtlich ihre schmale, fast bläulich schimmernde Hand auf seinen Ärmel : »Und dabei fahre ich nach Jerusalem, weil ich dort beten will. Georges, denke dir ! Ich habe so viele Sünden begangen, so viele Sünden !«  – Sie machte drollige Augen und zog ihre ziegel- rot getönten Mundwinkel tief herunter, wie ein Kind, das Angst vor Schelten hat. »Ich habe so viele Sünden, dass ich sie unbedingt loswerden muss. Ich will an der heiligen Mauer beten  – Mauer der Klagen heißt sie, nicht wahr ?  – und will Geld an die Armen verteilen. Wer viel Geld gibt, kommt in den Himmel. Und ich will viel Geld den Armen geben. Viel Geld. Für Blinde, für Waisen, für fromme Studenten, für Kranke. Bei uns daheim  – ich meine, bei meinen Großeltern  – ist das Sitte. Wenn jemand in Gefahr war und wenn er Gott versöhnen wollte, gab er Geld für Jerusalem.« Georges sah seine kleine Tänzerin an. In ihren großen Kinderaugen, die sich zu lachen bemühten, standen zwei helle, große Tränen, sammelten sich in den Winkeln, bereit, langsam über das rosige, eiförmige Gesichtchen niederzutropfen, zu den zwei kleinen Gruben neben dem Mund. Gerührt strich Georges dem Mädchen über die kastanienbraunen Haare. »So viel Sünden, Liebling ? Sünden gegen mich ?«, scherzte er. Lia schüttelte ernst den Kopf, bemüht, die Tränen tapfer zu zerdrücken. »Nicht ge- gen dich, Georges. Gegen andere. Gegen die Eltern  – gegen …« Sie verstummte. Lange sah Georges sie an. Griff dann in die Tasche, zog zehn Fünfzig-Pfund-Noten heraus, reicht sie ihr hinüber. »Da, Lili, da. Für deine Armen. Damit du mehr Gutes tun kannst und rascher deine Sünden vergeben bekommst. Da …« Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
Title
Wolfgang von Weisl
Subtitle
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Editor
Dietmar Goltschnigg
Publisher
Böhlau Verlag
Date
2020
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-21056-6
Size
17.4 x 24.5 cm
Pages
362
Category
Biographien

Table of contents

  1. Vorwort 7
  2. AbkĂĽrzungen und Zitierweise 11
  3. A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
  4. Erlöser 13
  5. EinbĂĽrgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
  6. Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
  7. Der Anfang der Wandlung Israels 28
  8. B. Wolfgang von Weisl 51
  9. Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
  10. C. Wolfgang von Weisl 143
  11. Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
  12. D. Anhang 335
  13. 1. Zeittafel 335
  14. 2. Biographische Daten 341
  15. 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
  16. 4. Bibliographie 353
  17. 5. Personenregister 355
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