Page - 308 - in Wolfgang von Weisl - Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
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308 C. Wolfgang von Weisl
Eldads Mundwinkel zuckten : »Ich soll gegen die Planwirtschaft innerhalb der Ge-
werkschaft kämpfen, deren sämtliche Führer Beamte der Fonds und des Solel Boneh
sind ?«
Steinberg begriff, dass Eldad von seinem Standpunkt aus Recht hatte. Aber sein Weg
war trotzdem hoffnungslos. Hart und ohne Schonung musste er Eldad zur Vernunft
bringen. Auch er stand auf, trat zum Freund und legte ihm die Hand auf die Schulter :
»Vielleicht stimmt das ; ich kümmere mich nicht darum. Ich sage : vielleicht. Aber wenn
du schon Politik treiben wolltest
– zwei schwere Fehler hast du begangen ! Erstens : Wa-
rum gingst du mit deiner Denkschrift zu Kazprin, ohne vorher die Leitung der Hagana
zu befragen, uns, die Kameraden ?«
Eldad schwieg. Auf diese Frage gab es keine Antwort. Dass er wirklich so töricht ge-
wesen war, zu hoffen, Kazprin würde … Lächerlich. Er schämte sich seiner Hoffnung.
Steinberg nützte den Vorteil aus. »Und das Zweite : Wenn du geglaubt hast, auf un-
sere Meinung und Unterstützung verzichten zu können – warum hast du diesen Plan
gerade jetzt vorgetragen ? Jetzt, vor Ostern ?« Er ließ Eldad nicht Zeit zur Antwort und
fuhr grimmig fort : »Niemand weiß besser als du, dass für Ostern der Angriff der Araber
geplant ist, was hat es für einen Sinn, jetzt mit Kazprin über das neue Kolonisationspro-
gramm zu streiten ? Siegen die Araber
– was Gott verhüte
–, dann sind wir fertig. Dann
gibt es keinen Zionismus mehr, nicht sozialistischen und nicht bürgerlichen. Siegen sie
aber nicht, dann gibt es auf alle Fälle eine neue englische Politik. Mit uns, gegen uns,
ich weiß es nicht. Aber eine andere als bisher. Dann hätten wir Zeit genug gehabt, neue
Pläne auszuarbeiten. Jedoch jetzt gab es nur eine einzige Aufgabe : Selbstwehr. Das war
deine Aufgabe. Und nichts anderes.«
Lange ging Eldad schweigend auf und ab. Mit den Fußspitzen stieß er raschelnde
dürre Eukalyptusblätter aus seinem Weg. Durchlebte nochmals die letzten vierund-
zwanzig Stunden, die so voll waren. So übervoll. Den Streit mit Kazprin. Die Fahrt
zum Ball. Die Trennung von Hanna. So überflüssig, so überflüssig. Steinberg hat Recht.
Er hätte warten können. Bis nach dem Angriff der Araber. Dann kamen die Wahlen
zum Zionistenkongress. Er hätte unterdessen heiraten können, wäre glücklich gewesen.
Oder vielleicht hätte ihn eine arabische Kugel getroffen – auch gut. Sehr gut wäre das
gewesen. Sich ausruhen können. Ausschlafen im Boden des Vaterlands. Wie Trumpel-
dor ausruht. Vor einem Jahr ist er getötet worden. Es ist schön, tot zu sein.191 Dann tut
nichts mehr weh. Nicht der Gram und nicht die Scham. Er schämt sich. Hanna hat
Recht gehabt. Er glaubte, ein Führer werden zu können, und hat niemanden hinter sich.
Nicht einmal Steinberg. Nicht einmal Harzwi wird mit ihm gehen. Weil er nicht ein
191 Vgl. die überlieferten letzten Worte des sterbenden Trumpeldor : »Macht nichts, es ist gut, für unser
Land zu sterben« (AWI 158).
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Title
- Wolfgang von Weisl
- Subtitle
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Editor
- Dietmar Goltschnigg
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 362
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355