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Erica Tietze-Conrat - Tagebücher, Band I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
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93 Tagebuch 1923 24.VIII.1923 Ich möchte den ganzen Tag schlafen, alle Nachträge von Lofer hol ich nach. Hab ein Gedicht angefangen, bin drüber eingeschlafen. Gestern mit F[ritz] Lampl tele- phoniert, der möchte den Todessprung an S. Fischer schicken, möglichst bald, solang seine Befürwortung in Berlin frisch im Gedächtnis ist. Der Merkur in München, wie alle Zeitschriften, eingegangen. Mit Hock gesprochen, er soll mir das M[anu]s[kript] zurückgeben ; dieser liest es gerade zum Zweitenmal, ist mitten drin u. möchte es mir Sonntag vormittag bringen, „da es ihn so sehr interessiert“. Wieder eine neue Blase, die traurig platzen wird. Auch mit Ulmann teleph[oniert] wegen „Dr. Funkes Sorgen“. „Das ist wirklich ein sehr hübsches Lustspiel, aber ein Ensemblespiel  – ich hab es dreimal daraufhin angeschaut aber nicht möglich eine Starrolle zu machen. Bei uns an allen 3 Bühnen nur Gäste, die ihre Stücke selbst mitbringen ; wir haben so schlecht gezahlte Kräfte, daß nie ein anständiges Ensemble herauskommt etc.“ Ich soll ihn besuchen, er wird schauen, mir einen guten Rat geben zu können.  – Ich geb mir Mühe, all diese Dinge ganz sachlich, ohne Betonung zu referieren.64 25.VIII. Ich möchte den gewissen „Lieben Gott“ zu einer richtigen tragenden Rolle ausleben lassen. Vielleicht so, daß ein junges Mädel sich in ihn verliebt u. wirklich an ihn glaubt  – was ihm den Rest gibt. Der Mensch, der sich ausgeschaltet hat u. nicht mehr zurück in d. Aktivität kann. Ich hab gar keine innere Muße. Die laufenden Ange- legenheiten, Geldangst. Unsre ganzen deutschen Einnahmen, c. die Hälfte unsres Budgets, verpufft. Wir werden auch wohl nicht nach Paris fahren können, Anderl braucht Sandalen  …65 Gestern waren wieder die Schweden da, es war recht gemütlich  – u. gleich nach d. Nachtmahl fuhren sie stadtwärts. Ich stopfe den ganzen Tag Taschentücher  – da kann ich dabei im Kopf rege sein. Jetzt hat Rapaport telephoniert  – er will mir Sachen zei- gen kommen. Er sehnt sich so nach Ehrlich, mit ihm zusammen hat er viel intensiver arbeiten können.  – Er kam  … Seine Sachen sind mir wie immer eine Verlegenheit. Sehr viel Begabung  – aber ich sehe nicht den Weg, wie er vom Dilettantismus zum zuverlässigen Können kommt. Dieses weichliche Herumspielen mit dem Selbstmord, der immer als letzte Aushilfe bleibt, ist mir zuwider. Überhaupt die ganze Süßlichkeit des Menschen  …66 26.VIII. Der „Straßenmusikant“ und „Sie ist die Jüngste“ als Feuilleton in d. Arbeiterzeitung. Nachmittag langes Gespräch mit Hock, der mir jedes dramatische Talent abspricht, der Todessprung nur als Novelle geeignet, ich solle meine Begabung ins Epische ein- strömen lassen. Abends die Schweden zum letztenmal, ich abgespannt zum Umfal- len.67
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Erica Tietze-Conrat Tagebücher, Band I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
Entnommena aus FWF-E-Book-Library
Titel
Erica Tietze-Conrat
Untertitel
Tagebücher
Band
I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
Herausgeber
Alexandra Caruso
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79545-2
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
458
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Danksagung 9
  2. Alexandra Caruso : Zur Edition 11
  3. Edward Timms : Zum Geleit
  4. Die Aufzeichnungen einer „tiefverzweigten“ Frau 17
  5. Alexandra Caruso : „Der Wiener Vasari“ 21
  6. Tagebuch 1923 30
  7. Tagebuch 1924 186
  8. Tagebuch 1925 308
  9. Tagebuch 1926 384
  10. Alexandra Caruso : Zur Spanienreise 387
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