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Tagebuch 1924
damals nicht genau angeschaut haben, so hätten sie sich doch die Boa dieser Dame
merken müssen !“ Sehr charakteristische Geschichte. Die Namen dürften nicht genau
stimmen, Salvendy hat sie am Nachmittag mir erzählt, sie war dabei anwesend gewe-
sen, die Dame war ihre Kollegin bei Harta gewesen
…53
In Hietzing (Hutprobe Kathi Zirner) Bilderschau bei Salvendy, die den Picasso-
Merkelstil durchmacht, ehrlich kämpft u. in ihren Grenzen weiterkommt. Meine
Nerven durch einen schweren Tee (? – !) stark irritiert. Manchmal glaube ich schon,
ich bin am Ende meiner Kraft
…54
Und möcht es doch nicht anders haben. Ich konzi-
piere seit Montag an einem Schwank herum.
15. März
Paar Tage Pause u. ich weiß eigentlich nicht warum.
Am 12. war ich abends mit Ehrlich im Kino, da wir
keine Karten zur Zauberflöte bekamen. „Das nackte
Weib“ wurde gefilmt, Bleibtreu, Sibylla Blei, As-
lan, Gabillon etc. Es war natürlich wieder nicht „das
Richtige“ u. ich müßte etwas anderes sehen, um zum
Kino bekehrt zu werden. Ehrlich hat seine Hand-
schuhe verloren u. wir mußten den halben Film noch
einmal über uns ergehen lassen, um zu ihnen zu ge-
langen. Am Donnerstag nach der Halle-Stunde (ich
habe Anekdoten über Mme Geoffrin erzählt, die alle
Maler zwischen 1740 u. 80 protegiert hat) bei Frau
Dr. Kurth im Sanator[ium] Löw. Dem Mann geht
es elend u. ich weiß nicht, ob die Frau überhaupt
noch an eine Hoffnung glaubt. Freitag war ich zu-
hause ; vormittags Ehepaar Eidlitz da, dem ich mit
großem Erfolg Bild 1 u. 2 von meinem Todessprung
vorlas, ihnen dann das M[anu]s[kript] mitgab. Nach-
mittag spazieren gegangen ; Feuilleton über Wie-
ner Kunstsam[m]l[ungen] I. Figdor geschrieben, aber nicht bis zu Ende. Hans kam
von der Gesellschaftssitzung um 10h erst nachhause, Kiesler hat dort einen guten
Eindruck gemacht u. ist offiziell für d. Ausstellung im Sept[ember] bestellt worden.
Heute früh bei Bimini Messekarte abgeholt, dann in der Messe (Hofstallungen), die
mich sehr enttäuscht hat. Abends Brief an Figdor geschrieben betreffs Feuilleton u.
daß ich eine Zeichnung von ihm besitzen will u. ob er G. E. sitzen will. Abends Stei-
ners mit Evchen. Die Kinder waren so herzig mit ihnen.55
Abb. 41 : Georg Merkel, Frauenakt, 1920er-Jahre.
Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Band I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
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- Titel
- Erica Tietze-Conrat
- Untertitel
- Tagebücher
- Band
- I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
- Herausgeber
- Alexandra Caruso
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 458
- Kategorie
- Biographien