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Tagebuch 1924
ist am Ende mit seinem Geld, koloriert mit seiner Frau zusammen Schirmgriffe, 5000
K[ronen] für einen. Mühsam – u. d. teuren Farben, die dabei draufgehen. Hans wird
ihm im August aushelfen, er will ihm d. Porträt seiner Frau für d. Galerie abkaufen
u. dazu von dem Ofenheim’schen Geld wenigstens einen Teil nehmen. Ich bin heut
nach d. Jause mit d. Triumph d. Todes von d’Annunzio fertig geworden. Ich hab das
Buch mit viel Widerständen gelesen u. es doch immer wieder vorgenommen. Man-
ches hat mich doch wieder in seiner feinen Menschlichkeit ganz nah berührt. Mit
Floch hab ich telephoniert, er ist seit gestern zurück u. kommt heut nach d. Nacht-
mahl ; Hans teilt mir grade mit, daß Frankl zum Nachtmahl kommt.106
15.VII.
Viele Tage Pause, an denen ich ohne Unterbrechung gearbeitet habe. Heute program-
mäßig auf d. 48. Seite mit dem Tiziankonzept fertig geworden. Heute hat auch Gaby
Ehrlich ihr Rigorosum mit Auszeichnung bestanden.107
20.VII.
Heut früh ist Hans auf d. Wohnungssuche gereist ; mein Brief nach Friesach, in dem
ich d. Angebot d. Wirtes annahm, scheint nicht angekommen zu sein und als ich d.
Kinder für Mittwoch avisierte, kam die überraschende Antwort, daß kein Platz für
sie sei. Großer Schrecken u. Hans’ schneller Entschluß [sich] auf d. Suche zu machen.
Ich bin die ganzen Tage weiter fleißig ; z[um] T[eil] zuhause Tizian durcharbeitend,
z[um] T[eil] in d. Albertina für d. Franzosen. Auch über Munch lese ich mich ein, da
ich einen Aufsatz über Graphik für d. Graphische Z[eit ] sch[ri]ft übernommen habe.
Heute war ich den ganzen Tag allein und hab im Garten geschrieben. Zur Fei-
erstunde am sonntäglichen Kahlenberg. Auf einer Wiese oben standen eine Gesell-
schaft Wiener Bürger beisammen u. beobachteten eine Lerche, die (mit Busch) in
den Himmel steigt. Er (Weste am Stock hängend) „Und jetzt’n geht’s im Gleitflug.
Und auf dös, sixt es, habn’s die Aviatik ganz genau aufbaut !“ Sie : „Wos ham’s auf-
baut ?“ Er : „Die Aviatik.“ Sie : „Wos is denn dös, die Aviatik ?“ Er : „Na, hörst.“
–
Gestern waren Georg Halles da u. brachten dem Hans (zum Dank für d. Ein-
kauf französ[ischer] Zeichnungen) eine Schreibtischgarnitur in schwarzem grau
geflecktem Marmor mit. So großartig, daß wenn er nur den Petschaft aufstellt,
er keinen Platz mehr zum Arbeiten daneben hat. Er war sichtlich über d. Ge-
schenk verzweifelt. Kaum waren sie weg, haben wir alles tadellos wieder verpackt
u. beschlossen, den ganzen Stanahaufn* in dem Geschäft, das laut Umschlag auch
Reiserequisiten führt, umzutauschen. Einen Handkoffer können wir ganz gut ge-
brauchen
…108
* Steinhaufen
Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Band I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
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- Titel
- Erica Tietze-Conrat
- Untertitel
- Tagebücher
- Band
- I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
- Herausgeber
- Alexandra Caruso
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 458
- Kategorie
- Biographien