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Erica Tietze-Conrat - Tagebücher, Band I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
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397 Tagebuch 1926 nen konnte. Auch hier gran F[i]esta. Die scharlachro- ten Mäntel der Geistlichkeit in dem ins Längsschiff hinein gebauten Gestühl flammen wie Höllenglut, denn jeder der Herren hat ein Licht bei seinem Sitz, das ihm das Buch beleuchtet. In den Kapellen sitzen im dunklen Geheimnis der Beichtstühle die Pretis und lassen die Scharlachroten Mäntel wieder aufleuchten, wenn das Beichtkind sie verläßt. Dann sitzen sie in ihrem Gehäuse, breit und raumfüllend und ihre fetten Lippen zappeln die Gebete aus dem Buch herunter, das sie mit beiden Händen halten. Ein Knacken und die Vision verschwindet, sie haben die Elektrizität abgedreht, ein Beichtkind ist hineingetre- ten. 24.IV.26 Gestern hab ich den Hans allein zum Bahnhof gehen lassen, das Kilometerheft abholen. Der Beamte gab ihm gleich um 2½ Peseten zu wenig heraus, er zog sich das Trinkgeld für die Ausfertigung ab und schüt- telte Hans die Hand  …15 Dann fuhren wir durch die ganze Stadt per Tram, wieder per Tram und schließlich Funicular auf den Tibidabo, den Aussichtsberg im Osten der Stadt. Bei einer Um- steigestelle wurden wir von den ersten Zigeunerinnen angebettelt. Großgewachsene Weiber, denen das schlichte lange Haar um die schlanken braunen Gesichter hing, eine Redesuada, die Angst macht  – ebenso wie die gierigen Affenarme, die nackt aus den umgehängten Tüchern greifen. Den Berg hinauf fährt man durch das neugebaute Barcelona, Häuser wie Filmbauten, ein Lunapark  – so unwahrscheinlich unbegrenzt in der Phantasie wirkt dieser „neukatalonische“ Stil. Oben war es erst so kalt, daß wir uns mit einer kurzen Rundsicht auf den Steinhaufen unten und das Meer am Saum begnügen wollten. Dann aber liefen wir erst zur Erwärmung, dann zum Genuß den Berg hinunter und hinunter (zur Rabassada ein Hôtel). Alles noch zu, vorsaisonmä- ßig. Schließlich kein Haus mehr, nur Blick ins Grüne, weite Hänge, Hügel und Berge gegen Norden. Es war wie der Sommerwald in der Gegend um Wien nach einem Regen, so tiefgrün u. frisch  – wenn man aber näher zusah, so waren es perennierende Sträucher, dickblättrig, lederlackiert. Die Bäume Zypressen. Die Sonne ging in einer orangenfarbenen Wolke unter, die Baumstämme wurden blau und grau, endlich, wie wir wieder oben waren, um einzusteigen, erblühten die Lichter der Nacht unten in den Straßen und weit weg die Häfen lagen als Licht umsäumte dunkle Tücher darin. Beim Hinunterfahren hatten wir die breiten Schirme der Pinien erst unter uns und Abb. 74 : Kloster Sant Pau del Camp.
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Erica Tietze-Conrat Tagebücher, Band I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
Entnommena aus FWF-E-Book-Library
Titel
Erica Tietze-Conrat
Untertitel
Tagebücher
Band
I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
Herausgeber
Alexandra Caruso
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79545-2
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
458
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Danksagung 9
  2. Alexandra Caruso : Zur Edition 11
  3. Edward Timms : Zum Geleit
  4. Die Aufzeichnungen einer „tiefverzweigten“ Frau 17
  5. Alexandra Caruso : „Der Wiener Vasari“ 21
  6. Tagebuch 1923 30
  7. Tagebuch 1924 186
  8. Tagebuch 1925 308
  9. Tagebuch 1926 384
  10. Alexandra Caruso : Zur Spanienreise 387
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