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Gebrauchsmusik im 19. Jahrhundert
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produzierte fĂĽr die gerade anstehende Veranstaltung, der GroĂźteil der Werke verschwand nach der Ur-
auffĂĽhrung in der Versenkung, einige wenige verblieben im Repertoire der diversen Kapellen. Theater
und Säle wurden eröffnet und wieder geschlossen, Pächter kamen und gingen, das Unterhaltungsgewerbe
war nicht auf Kontinuität ausgelegt. Die meisten der Komponisten dieser schnelllebigen Epoche sind
vergessen, mit Ausnahme der das Geschehen in Wien (und weit darĂĽber hinaus) ĂĽber drei Generationen
prägenden Familie Strauss sowie Joseph Lanners, des kongenialen Partners wie Konkurrenten von Johann
Strauss Vater.
Gründer der „Dynastie“ Strauss war Johann Strauss Vater, seiner Ehe mit Anna Streim entstammten
die Söhne Johann, Josef und Eduard. Josef8 Strauss9 wurde am 22. August 1827 in Wien geboren. Sein äl-
terer Bruder Johann war bereits am 25. Oktober 1825 zur Welt gekommen, sein jüngerer, Eduard – dritter
der Musikerbrüder –, folgte erst am 15. März 1835 nach.
Das Geburtsjahr Josefs – 1827 – markiert eine Zäsur in der Geschichte der Tanzmusik in Wien. Mit
dem RĂĽckzug und Tod Michael Pamers10 trat einer der letzten Tanzmusikkomponisten der Generation
um Wilde11 und Pechatschek12 ab; sie hatten die Festivitäten rund um den Wiener Kongress und die
Ballveranstaltungen in den Jahren danach geprägt.
Josef Lanner besetzte gemeinsam mit Johann Strauss Vater (oder: „der Ältere“13) die frei gewordene
Szene. Bleibendes Verdienst erwarben sie sich in drei Bereichen: Sie schufen den Kanon der Tanzmu-
sikgattungen14, der in Wien das gesamte 19. Jahrhundert hindurch gepflegt wurde, sie initiierten einen
Konzertbetrieb15 zu einer Zeit, als Orchesterkonzerte noch nicht fester Bestandteil gesellschaftlichen
Lebens waren, und sie formierten Ensembles, lange bevor professionelle Orchester16 die klassischen Kon-
zerttraditionen, wie wir sie bis heute kennen, etablierten.
repertoire – Zur entstehung des „walZers“17
Das Kernrepertoire der Tanzmusik in Wien bestand aus Walzern, Galoppen, Märschen sowie National-
tänzen (Polka, Mazurka etc.)18, ergänzt durch Quodlibets und Potpourris für den Konzertgebrauch. Aus
den verschiedensten Spielarten des „Deutschen“, des „Ländlers“ und anderer Tänze im 3/4-Takt formten
Joseph Lanner und Johann Strauss Vater den „Walzer“, wie er bis heute besteht. Einleitung und Coda
als Klammer, dazwischen bis zu sieben19 Einzelwalzer bildeten den „Walzer“, wie er fälschlich in der
8 In den zeitgenössischen Presseberichten und Veranstaltungsankündigungen findet sich sowohl die Schreibweise „Josef“ wie
fallweise „Joseph“. Für das Werkverzeichnis wurde durchgängig die erste gewählt.
9 Für das Werkverzeichnis wurde in Anlehnung an das SEV („Strauss-Elementar-Verzeichnis“) die Schreibweise Strauss gewählt,
in Presseartikeln und vor allem in der Literatur war und ist auch die Schreibweise Strauß gebräuchlich.
10 Michael Pamer (1782–1827), Tanzmusikkomponist, er trat im kleinen k. k. Redoutensaal, im „Sperl“ und im „Weißen
Schwan“ auf. Unbestätigten Quellen zufolge spielten Joseph Lanner und Johann Strauss Vater in seinem Orchester, ehe sie sich
(wahrscheinlich mit Musikern seiner Kapelle) selbständig machten.
11 Joseph Wilde (1778–1831), Tanzmusikkomponist und Musikdirektor im kleinen k. k. Redoutensaal.
12 Franz Pechatschek (1763–1816), Tanzmusikkomponist; er verfasste die „12 Dutzend Solo-Walzer“, die für viele Komponisten
als Vorlage und Anregung dienten.
13 In englischsprachigen Publikationen ist die Schreibweise „Strauss I“ für den Vater und „Strauss II“ für den Sohn gebräuchlich.
14 Bei diesen Kompositionen handelte es sich nicht ausschließlich um Tänze: Anlassbezogen wurden Märsche und Potpourris
komponiert, die nicht fĂĽr Tanzveranstaltungen bestimmt waren.
15 In Veranstaltungsankündigungen werden Lanner und Strauss regelmäßig als „Kapellmeister“ tituliert. Dieser Titel ist nicht zu
verwechseln mit der Berufsbezeichnung eines Theater-Dirigenten, vielmehr wird damit das Betätigungsfeld umfassend charak-
terisiert: Sie waren sowohl Leiter ihrer Ensembles als auch Komponisten der von ihnen aufgeführten Tänze.
16 Die GrĂĽndung der Wiener Philharmoniker (aus Mitgliedern des Hofopernorchesters) 1842 war nicht zuletzt eine Reaktion auf
die unbefriedigenden Verhältnisse im Konzertwesen.
17 Wenn im Folgenden vom „Walzer“ die Rede ist, ist dabei stets der „Wiener Walzer“ gemeint.
18 Während der Walzer und der Galopp (später unter dem Gattungsbegriff „Schnellpolka“) das ganze 19. Jahrhundert hindurch
nahezu unverändert gepflegt wurden, waren andere Gesellschaftstänze stärker den Moden unterworfen: Der zur Zeit Lanners
und Strauss Vaters noch beliebte Cotillon verschwand vollständig. Die für die nachfolgende Generation so bedeutende Quad-
rille wurde erst ab ca. 1840 in Wien heimisch.
19 Im 19. Jahrhundert erfolgte die schrittweise Reduktion der Anzahl der Einzelwalzer, am Beginn des Jahrhunderts wurden noch
bis zu zwölf Einzelwalzer zur Walzerkette zusammengefasst. Ausschlaggebend war die Gesamtspielzeit. Lanner und Strauss
Vater schrieben ĂĽberwiegend Walzerketten mit sechs Einzelwalzern.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Josef Strauss
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Titel
- Josef Strauss
- Untertitel
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Autor
- Wolfgang Dörner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21404-5
- Abmessungen
- 21.4 x 30.0 cm
- Seiten
- 496
Inhaltsverzeichnis
- Gebrauchsmusik im 19. Jahrhundert 9
- Von der funktionalen Tanzmusik zur autonomen Komposition 17
- Aufbau und Systematik des Werkverzeichnisses 37
- Werkverzeichnis
- I. Gedruckte Werke mit Opuszahl 45
- II. Gedruckte Werke ohne Opuszahl 431
- III. Ungedruckte Werke 445
- IVa. Ungedruckte Werke, in Autographen bzw. Abschriften erhalten 459
- IVb. Ungedruckte Werke, Autographe in Antiquariatskatalogen erwähnt 465
- V. Bearbeitungen – Aufführungen von Werken anderer Komponisten (Auswahl) 467
- Anhang