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Gebrauchsmusik im 19. Jahrhundert
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Lanner und Strauss profitierten darĂĽber hinaus von den stetigen technischen Entwicklungen der In-
strumente, die es ihnen erlaubten, in ihren Werken immer anspruchsvollere Partien zu schreiben, wie sie
zuvor in der Tanzmusik nicht erforderlich waren.28
In einer Periode, in der es in Wien – sieht man von den Theaterorchestern ab – noch keine festen
Ensembles gab, waren die von Lanner und Strauss geleiteten Kapellen maĂźgeblich an der Entwicklung
der Orchesterkultur beteiligt. Rezensionen rühmten die Präzision29, mit welcher die teilweise durchaus
anspruchsvolle Literatur dargeboten wurde. Lanner und Strauss erwiesen sich als Orchestererzieher von
Rang, die durch unermĂĽdliches Proben, stetes Feilen an den unterschiedlichsten Werken und innovative
Programmgestaltung ihre Orchester forderten und zu einer Höhe brachten, welche Vergleiche etwa mit
dem Orchester der Hofoper nicht zu scheuen brauchten. Die Europatourneen von Johann Strauss Vater
wären ohne eine technisch wie stilistisch qualifizierte Orchestertruppe nicht möglich gewesen.
Nachfolge: Johann (Sohn) und Josef Strauss – biographische Eckdaten
Johann strauss sohn
Die Generationenablöse vollzog sich abrupt und mit heftigen Begleitgeräuschen: Joseph Lanner starb be-
reits 1843 auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft, er musste keinerlei Verdrängung durch die nachfol-
gende Generation30 erleiden. Johann Strauss Vater hingegen sah sich durch seinen eigenen Sohn Johann
zunächst herausgefordert und nach wenigen Jahren überholt.31 Kräftig gefördert durch die Mutter, über-
flügelte der Sohn rasch den Vater, dies alles hämisch bis mitleidig kommentiert von Publikum und Presse.
1849 starb der Vater vereinsamt, die letzten Jahre seines Lebens hatte er getrennt von seiner Familie gelebt.
Johann Strauss (Sohn) eroberte rasch die Auftrittsorte, die bis dahin von seinem Vater bespielt worden
waren. Das Publikum war bald gewonnen, und mangels gleichwertiger Konkurrenten32 hatte er ein Qua-
simonopol. Vom Vater ĂĽbernahm er die Gattungen, mit dem Wiener Walzer als Zentrum, welchen er
behutsam weiterentwickelte und zu einem einsamen Höhepunkt führte. Andere Formen transformierte
er, aus dem Galopp wurde die Polka schnell, dazu kamen Polka Mazur und Polka française. Die bis dahin
beliebten Potpourris und Quodlibets verschwanden hingegen vollständig, Quadrillen und Märsche wur-
den jedoch regelmäßig – meist anlassbezogen – komponiert.
Die ersten Jahre war die stetig steigende Arbeitsbelastung für Johann Strauss Sohn noch bewältigbar,
doch ab ca. 1853 machten sich erste gesundheitliche Probleme bemerkbar. Und so schlug die Stunde seines
Bruders, Josef.
Josef strauss – debüt und erste erfolge
Josef hatte zunächst keinerlei Ambitionen gezeigt, wie sein Vater oder sein Bruder Musiker zu werden.
Wie bei „Sandwichkindern“ häufig zu beobachten, grenzte er sich deutlich nicht nur von seinem Bruder
Johann ab, sondern ging auch innerhalb der gesamten Familie (welche von seiner Mutter Anna nach
dem Tod des Vaters 1849 „regiert“ wurde) seinen eigenen Weg. Er studierte Technik und betätigte sich
zunächst in diesem Beruf. Zwar verblieb er weiterhin im Familienverband – nicht zuletzt, da er keine
28 Eine besonders informative Ăśbersicht ĂĽber die Entwicklung der Tanzmusik und der verwendeten Instrumente liefert Phil-
ipp Fahrbach in seinem Artikel „Geschichte der Tanzmusik seit 25 Jahren“ in: „Wiener allgemeine Musikzeitung“, 20. und
23. März 1847.
29 Als Beispiel sei aus einem Konzertbericht, der am 8.5.1839 in der „Theater-Zeitung“ abgedruckt wurde, zitiert: „Es lässt sich
aber nicht leicht etwas Exacteres und energischer Ineinandergreifendes denken, als dieses Orchester (…)“.
30 Sein Sohn August versuchte, sich als sein Nachfolger zu etablieren, er konnte sich gegenĂĽber Johann Strauss und den anderen
Tanzmusikern seiner Zeit jedoch nie durchsetzen. Er starb bereits 1855.
31 Johann Strauss Sohn debütierte am 15. Oktober 1844 im Casino Dommayer mit einer „Soirée dansante“. Er spielte sowohl
Werke anderer Komponisten, u. a. den Walzer „Loreley-Rheinklänge“ seines Vaters, präsentierte aber auch bereits mehrere
seiner eigenen Kompositionen, u. a. seinen Walzer „Sinngedichte“ [op. 1].
32 Stellvertretend für viele andere sei Josef Gung’l genannt, der Anfang der Fünfzigerjahre versuchte, in Wien Fuß zu fassen.
„Nachdem ich die Schikanen des Johann Strauß nicht mehr ertragen konnte, nahm ich das Engagement als Regimentskapell-
meister an“, schrieb Gung’l 1858 rückblickend in einem Brief an seinen Verleger Hugo Bock (Berlin).
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Josef Strauss
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Titel
- Josef Strauss
- Untertitel
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Autor
- Wolfgang Dörner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21404-5
- Abmessungen
- 21.4 x 30.0 cm
- Seiten
- 496
Inhaltsverzeichnis
- Gebrauchsmusik im 19. Jahrhundert 9
- Von der funktionalen Tanzmusik zur autonomen Komposition 17
- Aufbau und Systematik des Werkverzeichnisses 37
- Werkverzeichnis
- I. Gedruckte Werke mit Opuszahl 45
- II. Gedruckte Werke ohne Opuszahl 431
- III. Ungedruckte Werke 445
- IVa. Ungedruckte Werke, in Autographen bzw. Abschriften erhalten 459
- IVb. Ungedruckte Werke, Autographe in Antiquariatskatalogen erwähnt 465
- V. Bearbeitungen – Aufführungen von Werken anderer Komponisten (Auswahl) 467
- Anhang