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Von der funktionalen Tanzmusik zur autonomen Komposition
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sondern lediglich mit „hier herein … von Walzer Nr.“ bezeichnet, wobei die zu spielenden Takte im
Walzer entweder mit Buchstaben („von A bis B“) oder durchlaufenden Zahlen markiert wurden. Den
Werkabschluss bildet ein Kadenzabschnitt, der entweder zu triumphalem Höhepunkt oder verhaltenem
Verklingen führen kann, wobei erneut Walzermotive die Materialbasis bilden können. Solche Motive
können musikalische Metamorphosen durchlaufen. Ein ursprünglich lyrisches Thema wird in ein hym-
nisch-apotheotisches transformiert (z. B. „Aquarellen“ op. 258). Damit wird der Schlusseffekt hergestellt
bei gleichzeitiger Wahrung einer einheitlichen Form.
Der Ländler
Den Ländler pflegte Josef Strauss als Reminiszenz an die frühere Generation, auch als Konzession an ein
Tanzpublikum im fortgeschrittenen Alter. Es gibt nur wenige Werke, die explizit als Ländler bezeichnet
sind, dafür einige, die mit „im Ländlerstyl“ formal als Walzer (oder auch als Polka Mazur) gestaltet sind,
der Zusatz weist auf Tempowahl und den Gesamtcharakter hin.
Die Polka und ihre Unterformen
Während es für Walzer oder Marsch keine Untergattungen gibt, teilt sich die Polka in drei Gruppen
auf: Aus dem einstigen Galopp entstand die Polka schnell (oder Schnell-Polka), die Polka Mazur ersetzt
die bereits bekannte Mazur oder Mazurka (im langsamen 3/4-Takt), die Polka française (im langsamen
2/4-Takt) wurde ebenfalls bereits von der Vorgängergeneration (allerdings ohne den Zusatz „française“)
komponiert (z. B. Lanner, „Hans-Jörgel-Polka“). Gemeinsam ist allen drei Formen ihre Dreiteiligkeit.
Einige wenige (meist vier) Takte als Einleitung fĂĽhren in das Tempo der Polka schnell oder in die Grund-
stimmung der nachfolgenden langsamen Polka ein, die Tänze in ihrem Ablauf bestehen dann aus dem
eigentlichen Polkateil (der seinerseits entweder zweiteilig in A-B-Form oder dreiteilig in A-B-A’-Form
gehalten sein kann), dem Trio und einem Da-Capo-Teil. Abgeschlossen werden die Polkas durch einen
knapp gehaltenen Schlussteil. In einigen Klavierfassungen wurden die Schlussteile nicht gedruckt, d. h.
die Polka schließt abrupt nach dem Finale. Josef Strauss war Meister der Polka (zeitgenössische Rezensi-
onen gaben den Walzern von Johann Strauss den Vorzug, verwiesen aber stets darauf, dass Josef in den
Polkas – namentlich in der Polka Mazur – unerreicht war). Allen Polkas ist gemein, dass sie vor allem
mit Blick auf konzertante AuffĂĽhrungen konzipiert sind, sie sind eher tonmalerische CharakterstĂĽcke
als Tänze. Die melodische Gestaltung der einzelnen Teile setzt auf Kontraste, auf lyrische folgen robuste
Motive, die Gegensätze werden durch die dynamische Gestaltung unterstrichen. Typisch ist die Unaus-
gewogenheit mancher Teile, ein Da Capo kann drastisch verkürzt oder ausufernd verlängert werden, das
Trio in keiner Relation zur Polka stehen. Ă„hnlich wie Schubert findet Strauss manchmal Gefallen an
einem Gedanken, den er ungern loslassen will, sondern durch Sequenzierung oder Wechsel von Dur in
Moll ausdehnt, scheinbar jedes GefĂĽhl fĂĽr Zeit und Proportion vergessend.
polKa schnell – schnell-polKa
Nach dem Walzer gehörte sie zu den beliebtesten Formen vor allem jugendlicher Tänzer, aber auch als
KonzertstĂĽck erfĂĽllte sie ihre Funktion als effektvoller Abschluss eines Konzertteiles oder als Kontrast zu
längeren Walzern oder Quadrillen. Erwähnenswert ist Josef Strauss’ Gespür für Rhythmus und Dynamik,
alle seine Schnell-Polkas werden als tatsächlich rasch und vorwärtsdrängend empfunden.
polKa maZur
Ihr gehörte Josef Strauss’ besondere Zuneigung, in kaum einer anderen Gattung tritt seine Liebe für de-
tailreiche Gestaltung und Ausformung der Themen hervor. In der Begleitung ähnelt der im 3/4-Takt ge-
schriebene Tanz dem Walzer, im Gegensatz zu diesem wird der Rhythmus nicht unregelmäßig ausgeführt.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Josef Strauss
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Titel
- Josef Strauss
- Untertitel
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Autor
- Wolfgang Dörner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21404-5
- Abmessungen
- 21.4 x 30.0 cm
- Seiten
- 496
Inhaltsverzeichnis
- Gebrauchsmusik im 19. Jahrhundert 9
- Von der funktionalen Tanzmusik zur autonomen Komposition 17
- Aufbau und Systematik des Werkverzeichnisses 37
- Werkverzeichnis
- I. Gedruckte Werke mit Opuszahl 45
- II. Gedruckte Werke ohne Opuszahl 431
- III. Ungedruckte Werke 445
- IVa. Ungedruckte Werke, in Autographen bzw. Abschriften erhalten 459
- IVb. Ungedruckte Werke, Autographe in Antiquariatskatalogen erwähnt 465
- V. Bearbeitungen – Aufführungen von Werken anderer Komponisten (Auswahl) 467
- Anhang