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Von der funktionalen Tanzmusik zur autonomen Komposition
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die Begleitung hielt Strauss sich an die gattungsspezifischen Topoi, auch, um von der Melodie als dem
eigentlichen „Einfall“ nicht allzu sehr abzulenken. Zweite Violinen und Bratschen (in Doppelgriffen),
meist verdoppelt durch die Hörner, spielen die Akkorde und Begleitfiguren. Josef Strauss bemüht sich
um eine „Verlebendigung“ des Begleitsatzes, beeinflusst von Beethovens „obligatem Akkompagnement“
bricht er die bei seinen Vorgängern noch stereotyp sich über den gesamten Walzerabschnitt erstreckende
unveränderte Struktur auf, schafft Abwechslung (abhängig von der Bassführung) in den Akkordlagen,
wechselt zwischen der traditionellen Viertel-Begleitung und Liegetönen. Dem ersten Horn werden neue
Aufgaben zugewiesen, es spielt entweder eine gesamte Phrase unisono mit oder greift in einigen wenigen
Takten in das melodische Geschehen ein. Das unisono-Spiel der Melodie durch alle Streicher (mit Aus-
nahme der Bässe), wie wir es bei Ziehrer häufig finden, ist bei Josef Strauss selten (siehe beispielsweise das
erste Walzerthema in „Transactionen“).
bassfĂĽhrung
Die Bassführung bleibt im Rahmen der Konvention: Markieren der ersten Zählzeit des Taktes, allenfalls
reichere Ausgestaltung in den Kadenztakten, wo der Kontrabass durch Bassposaune und Bombardon oder
Tuba verstärkt wird.
Harmonie – Orchestersatz
Die harmonischen Beziehungen zwischen den einzelnen Teilen sind entweder Verwandtschaften inner-
halb des Quintenzirkels oder Terzverwandtschaften. In Polkas und in Märschen steht das Trio in der
Regel in der Subdominante bzw. bei Mollwerken in der parallelen Durtonart.
Der harmonische Satz birgt häufig Inkongruenzen, was Auswirkungen auf die Druckfassungen hatte:
a) Terzverdopplungen in Sextakkorden: Der Regel, wonach in einem Sextakkord (in dem die Terz des
Akkordes im Bass liegt) eben diese Terz in den anderen Stimmen (also 2. Violinen und Viola sowie
den unisono geführten Hörnern) nicht zu verdoppeln ist, folgen die Straussbrüder nicht konsequent.
Hin und wieder wurde nachträglich (ob von den verlagseigenen Arrangeuren oder von mitarbeitenden
Musikern der Straussbrüder selbst lässt sich nicht immer feststellen) korrigiert, doch selten konsequent:
Berichtigungen in den Streicherstimmen wurden nicht auf die Hörner übertragen, bei Parallelstellen
kann die gleiche Begleitfigur unterschiedlich ausgefĂĽhrt werden etc.
b) Vorhaltsnoten in der Melodie: Steht in der Melodie ein Vorhalt (meist Quartvorhalt vor der Akkord-
terz), so ist dieser Vorhalt auch in die Begleitstimmen77 aufzunehmen (um das sinnwidrige Zusammen-
stoßen des Vorhalts mit seiner Auflösung zu vermeiden). Auch diese Regel wird von Josef Strauss nicht
immer konsequent beachtet.
c) Quintenparallelen, wie sie im „strengen Satz“ verpönt waren, finden sich ebenso wie falsche Bassführun-
gen bei Quartsextakkorden.
Am Beginn seiner Laufbahn standen Johann Strauss erfahrene Orchestermusiker zur Seite, die ihm bei
der Ausarbeitung seiner Partituren halfen. Nachdem Strauss die Melodie skizziert hatte, wurden Beglei-
tung und Instrumentierung fixiert (für Josef Strauss dürfen wir ein ähnliches Verfahren annehmen). Da
die einzelnen Helfer unabhängig voneinander agierten, konnten sich die oben beschriebenen sinnwid-
rigen Fehler einschleichen. Korrekturen wurden in die Partituren eingetragen78, allerdings nicht immer
77 Das „obligate Akkompagnement“ schafft eine neue Qualität der Beziehung zwischen Melodie und Harmonie, um die Josef
Strauss sich besonders bemüht. Denkbar wäre, dass durch die arbeitsteilige Herstellung der Instrumentierung (siehe nachfol-
gender Absatz) diese Details nicht immer sorgfältig genug eingearbeitet wurden. Es mag aber durchaus in der kompositori-
schen Absicht Strauss’ gelegen sein, bei bestimmten Walzern die Melodie bewusst von der Begleitung zu trennen, sie freischwe-
bend über einer flächigen, harmonisch zwar korrekten, sonst aber auf die Melodie nicht weiter achtenden Begleitung zu setzen.
78 Ob diese Korrekturen bereits bei einer ersten Durchsicht vorgenommen wurden oder erst nach einem ersten Durchspielen,
kann nicht festgestellt werden.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Josef Strauss
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Titel
- Josef Strauss
- Untertitel
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Autor
- Wolfgang Dörner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21404-5
- Abmessungen
- 21.4 x 30.0 cm
- Seiten
- 496
Inhaltsverzeichnis
- Gebrauchsmusik im 19. Jahrhundert 9
- Von der funktionalen Tanzmusik zur autonomen Komposition 17
- Aufbau und Systematik des Werkverzeichnisses 37
- Werkverzeichnis
- I. Gedruckte Werke mit Opuszahl 45
- II. Gedruckte Werke ohne Opuszahl 431
- III. Ungedruckte Werke 445
- IVa. Ungedruckte Werke, in Autographen bzw. Abschriften erhalten 459
- IVb. Ungedruckte Werke, Autographe in Antiquariatskatalogen erwähnt 465
- V. Bearbeitungen – Aufführungen von Werken anderer Komponisten (Auswahl) 467
- Anhang