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Von der funktionalen Tanzmusik zur autonomen Komposition
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die gleichen Noten (im Oktavabstand) spielen, gelegentlich unterschiedlich bezeichnet. Zu überprüfen ist
von Fall zu Fall, ob hier eine Angabe fehlt oder ob eine Absicht des Komponisten vorliegt.
Entstehung und erste Aufführungen
Über die Entstehung der einzelnen Werke gibt es so gut wie keine verlässlichen Quellen, der Großteil
dürfte unmittelbar vor den jeweiligen Aufführungen (insbesondere bei Widmungskompositionen) kom-
poniert worden sein, wobei nicht auszuschließen ist, dass Josef Strauss sich laufend Einfälle und Themen
zur späteren Verwendung notierte. Besonders über seinen ersten Opera liegt ein nicht aufzulösendes
Dunkel: Etliche der Jugendwerke, über deren Aufführungen in der Presse berichtet wurde, wurden ent-
weder später nicht gedruckt oder, falls doch, unter einem anderen Namen herausgegeben, sodass eine
eindeutige Zuordnung nicht möglich ist. 1856 erschienen die ersten Walzer und Polkas im Druck, Werke,
deren erste Aufführungen zum Teil bereits Jahre zurücklagen. Erst ab 1856/57 erfolgte die Drucklegung im
nahen zeitlichen Zusammenhang mit den Erstaufführungen. Im Unterschied zu klassischen Komponis-
ten, die oft jahrelang um die endgültige Gestalt einer Komposition rangen, schrieb Strauss seine Werke
zügig innerhalb weniger Wochen. In Anekdoten wird mehrfach über dieses (oft unglaubwürdige) Tempo
berichtet, wenn etwa eine Polka innerhalb weniger Tage oder sogar Stunden entstanden sein soll.
Einen speziellen Fall bilden die beiden Aufenthalte von Josef Strauss in Pawlowsk, wo er als Unter-
stützung und dann Ersatz seines Bruders Johann tätig war. Neben Kompositionen, die er bereits in Wien
geschrieben hatte, schuf er anlassbezogen Werke vor Ort. Hier stechen Stücke, die nicht dem Genre der
Tanzmusik zuzurechnen sind, sondern als reine Unterhaltungsmusik nach dem Geschmack des lokalen
Publikums konzipiert waren, hervor. Ob er einige bereits in Wien geschrieben hatte (siehe das „Allegro
fantastique“, das bereits ein Jahr vor seinem ersten Russland-Aufenthalt in Wien angekündigt war) oder
erst in Pawlowsk selbst, ist schwer bestimmbar. Manche der in Russland entstandenen Werke fanden
ihren Weg zurück nach Wien, andere verblieben vor Ort und wurden in Wien nie aufgeführt, geschweige
gedruckt.
Die Uraufführungsdaten sind nicht immer eindeutig zu bestimmen. Am einfachsten ist es dort, wo
ein Werk als Widmungskomposition für einen bestimmten Anlass – in der Regel einer der großen Bälle,
aber auch spezielle Anlässe wie Märsche bei Denkmalenthüllungen etc. – diente. Unmittelbar vor Beginn
der Karnevalssaison wurde der Ballkalender veröffentlicht, in dem die einzelnen Bälle mit Datum und
Saal verzeichnet sind. Hier finden sich erste Hinweise auf die Auftragswerke der Straussbrüder. Novitäten
wurden meist noch ohne Titel avisiert, steuerten zwei oder gar alle drei Straussbrüder Werke bei, wurde
nur die jeweilige Gattung angekündigt.92 In den Ballberichten wird über die Aufnahme bei der Urauf-
führung berichtet (leider auch hier oft ohne Titelerwähnung). Der Name konnte sich bis zur Druckle-
gung noch ändern, was zu Verwirrung führen kann, wenn es um die eindeutige Zuschreibung geht. Da
sich die Brüder Strauss die von Ballveranstaltern erbetenen Widmungskompositionen aufteilten, kamen
manchmal falsche Zuschreibungen in den Ballankündigungen zustande, in seltenen Fällen wurden sogar
Druckausgaben unkorrekt avisiert (z. B. wurde die „Iris-Polka“ op. 9 von Eduard Strauss zunächst als ein
Werk von Josef angekündigt).
Für die Erstaufführungsdaten liegen unterschiedliche Quellen vor: Josef Strauss vermerkte Daten
ebenso wie Franz Sabay, Hornist der Strausskapelle. Ein Vergleich mit den in den diversen Presseorganen
angekündigten Veranstaltungen zeigt allerdings häufig Abweichungen. Deren Angaben sind daher nur
mit Vorsicht zu übernehmen. Die Zeitungen gaben Veranstaltungsankündigungen breiten Raum, aller-
dings wurden neue Werke nicht immer namentlich erwähnt. Wurde ein Werk – oft im Abstand weniger
Tage oder gar am gleichen Tag – in mehreren Sälen gegeben, konnte es durchaus sein, dass bei jeder
einzelnen Annonce „neu“, „zum ersten Mal“ etc. hinzugefügt wurde. Das bezog sich lediglich auf die
jeweils erste Aufführung in einem Etablissement, das Stück konnte durchaus bereits auf einem Ball oder
bei einem der zahlreichen Konzerte der Strausskapelle(n) gespielt worden sein. Annoncen konnten sich
92 Selbst dann konnte sich die Aufgabenverteilung noch ändern: Oft genug musste Josef Strauss Widmungskompositionen über-
nehmen, die ursprünglich sein Bruder Johann hätte ausführensollen.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Josef Strauss
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Titel
- Josef Strauss
- Untertitel
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Autor
- Wolfgang Dörner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21404-5
- Abmessungen
- 21.4 x 30.0 cm
- Seiten
- 496
Inhaltsverzeichnis
- Gebrauchsmusik im 19. Jahrhundert 9
- Von der funktionalen Tanzmusik zur autonomen Komposition 17
- Aufbau und Systematik des Werkverzeichnisses 37
- Werkverzeichnis
- I. Gedruckte Werke mit Opuszahl 45
- II. Gedruckte Werke ohne Opuszahl 431
- III. Ungedruckte Werke 445
- IVa. Ungedruckte Werke, in Autographen bzw. Abschriften erhalten 459
- IVb. Ungedruckte Werke, Autographe in Antiquariatskatalogen erwähnt 465
- V. Bearbeitungen – Aufführungen von Werken anderer Komponisten (Auswahl) 467
- Anhang