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einer beliebigen Absicht zu tun notwendig ist, an sich als zufällig betrachtet
werden kann und wir von der Vorschrift jederzeit los sein können, wenn wir
die Absicht aufgeben, dahingegen das unbedingte Gebot dem Willen kein
Belieben in Ansehung des Gegenteils frei lässt, mithin allein diejenige
Notwendigkeit bei sich führt, welche wir zum Gesetze verlangen.
Zweitens ist bei diesem kategorischen Imperativ oder Gesetze der
Sittlichkeit der Grund der Schwierigkeit (die Möglichkeit desselben
einzusehen) auch sehr groß. Er ist ein synthetisch-praktischer Satz) a priori,
und da die Möglichkeit der Sätze dieser Art einzusehen so viel Schwierigkeit
im theoretischen Erkenntnisse hat, so lässt sich leicht abnehmen, dass sie im
praktischen nicht weniger haben werde.
Bei dieser Aufgabe wollen wir zuerst versuchen, ob nicht vielleicht der
bloße Begriff eines kategorischen Imperativs auch die Formel desselben an
die Hand gebe, die den Satz enthält, der allein ein kategorischer Imperativ
sein kann; denn wie ein solches absolutes Gebot möglich sei, wenn wir auch
gleich wissen, wie es lautet, wird noch besondere und schwere Bemühung
erfordern, die wir aber zum letzten Abschnitte aussetzen.
Wenn ich mir einen hypothetischen Imperativ überhaupt denke, so weiß ich
nicht zum voraus, was er enthalten werde: bis mir die Bedingung gegeben ist.
Denke ich mir aber einen kategorischen Imperativ, so weiß ich sofort, was er
enthalte. Denn da der Imperativ außer dem Gesetze nur die Notwendigkeit der
Maxime enthält, diesem Gesetze gemäß zu sein, das Gesetz aber keine
Bedingung enthält, auf die es eingeschränkt war, so bleibt nichts als die
Allgemeinheit eines Gesetztes überhaupt übrig, welchem die Maxime der
Handlung gemäß sein soll, und welche Gemäßheit allein der Imperativ
eigentlich als notwendig vorstellt.
Der kategorische Imperativ ist also nur ein einziger und zwar dieser: handle
nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie
ein allgemeines Gesetz werde.
Wenn nun aus diesem einigen Imperativ alle Imperativen der Pflicht als aus
ihrem Prinzip abgeleitet werden können, so werden wir, ob wir es gleich
unausgemacht lassen, ob nicht überhaupt das, was man Pflicht nennt, ein
leerer Begriff sei, doch wenigstens anzeigen können, was wir dadurch denken
und was dieser Begriff sagen wolle.
Weil die Allgemeinheit des Gesetzes, wonach Wirkungen geschehen,
dasjenige ausmacht, was eigentlich Natur im allgemeinsten Verstande (der
Form nach), d. i. das Dasein der Dinge, heißt, so fern es nach allgemeinen
Gesetzen bestimmt ist, so könnte der allgemeine Imperativ der Pflicht auch so
lauten: handle so, als ob die Maxime deiner Handlung durch deinen Willen
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Buch Grundlegung zur Metaphysik der Sitten"
Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
- Titel
- Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
- Autor
- Immanuel Kant
- Datum
- 1785
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 70
- Schlagwörter
- Philosophie, Vernunft, Aufklärung, Ethik, Kritik
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Vorrede 4
- Erster Abschnitt 9
- Zweiter Abschnitt 20
- Übergang von der populären sittlichen Weltweisheit zur Metaphysik der Sitten 20
- Die Autonomie des Willens als oberstes Prinzip der Sittlichkeit 48
- Die Heteronomie des Willens als der Quell aller unechten Prinzipien der Sittlichkeit 49
- Einteilung aller möglichen Prinzipien der Sittlichkeit aus dem angenommenen Grundbegriffe der Heteronomie 50
- Dritter Abschnitt 54
- Übergang von der Metaphysik der Sitten zur Kritik der reinen praktischen Vernunft. Der Begriff der Freiheit ist der Schlüssel zur Erklärung der Autonomie des Willens 54
- Freiheit muss als Eigenschaft des Willens aller vernünftigen Wesen vorausgesetzt werden 56
- Von dem Interesse, welches den Ideen der Sittlichkeit anhängt 57
- Wie ist ein kategorischer Imperativ möglich? 61
- Von der äußersten Grenze aller praktischen Philosophie 63
- Schlussanmerkung 70