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Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg (1813–1858) – Eine Lebensskizze 23
bringen glaubte, wenn überhaupt nur flüchtig in Betracht gezogen. so zog
Andrian für sich einen statthalterposten in italien in erwägung und fühlte
sich darin durch Aussagen von Justizminister Anton v. schmerling bestä-
tigt, auch Wien oder graz standen auf seiner Wunschliste, gleichzeitig be-
merkte er aber, „es ist eigentlich ein unglücklicher moment, um in dienste
zu treten, und wäre mit einem statthalterposten irgend eine solidarität für
die richtung des ministeriums verbunden, so würde ich mich bedanken.“1
Aus diesem grund sprach er sich auch mehrfach in seinen tagebüchern
skeptisch gegenüber einem allfälligen – tatsächlich nie konkret erfolgten –
Angebot aus, als sektionschef in das innenministerium einzutreten. „das
würde ich aber noch sehr zu überlegen haben. eines ist es, unabhängig an
der spitze einer Provinz stehen, und ein Anderes, ein collaborator Bach’s
in jener großen dummheitenfabrik, genannt ministerium des inneren, zu
seyn,“ auch wenn er dort für alle entwicklungen in Bereitschaft sein würde
und „allenfalls mit éclat austreten [könnte], wenn die dinge zu arg werden
sollten.“2
Während noch 1849 und 1850 Andrians verwendung auf der mittleren
ebene der Provinzial- oder Zentralverwaltung möglich schien, wurde dies
mit der etablierung des neoabsolutistischen systems und der immer offen-
sichtlicher werdenden Ablehnung seiner Person und der mit ihm verbunde-
nen ideen durch den hof praktisch unmöglich. Bereits im April 1850 infor-
mierte ihn Justizminister schmerling, dass „kein mir angemessener Platz
mehr vorhanden“ wäre, und trotzdem hielt Andrian daran fest, dass für ihn
nur eine der höchsten Positionen in frage kam, wie er demselben in einem
gespräch ein halbes Jahr später mitteilte: „eine statthalterschaft in italien
oder eine außer jeder Politik stehende stellung, z.B. eine generaldirection
der communicationen.“ Beinahe gleichzeitig teilte ihm innenminister Bach
jedoch mit, dass dies aussichtslos sei, da Andrian „am hofe (i.e. kaiser und
erzherzogin sophie) und an schwarzenberg erklärte gegner habe.“ 3 seine
hoffnungen, in den 1851 neu geschaffenen reichsrat ernannt zu werden
(wofür er in den Zeitungen mehrfach genannt wurde) oder eine diplomati-
sche verwendung zu erhalten, zerschlugen sich aus denselben gründen:
„hat man mich in den letzten Jahren, wo man auf nahmen, capacität und
öffentliche meinung doch noch etwas gab, von jeder verwendung ferngehal-
1 ebda, einträge v. 23.9. und 28.10.1849.
2 ebda, einträge v. 21. und 27.11.1849.
3 ebda, einträge v. 18.4., 21.9. und 2.11.1850. Zwei Jahre später schrieb er: „in ermanglung
einer politischen thätigkeit wäre mir die bauende, schaffende eines Bürgermeisters von
Wien die erwünschteste, wo feld und stoff für grandiose conceptionen, freylich auch viel
Widerstand zu überwinden wäre. ein grandioses Wien, das wäre die wahre centralisation
und einheit.“ (eintrag v. 9.12.1852).
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band I
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- I
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 744
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien