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Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg (1813–1858) – Eine
Lebensskizze24
ten, so ist jetzt, wo bloß das schwert und die physische gewalt regiert, gar
keine rede davon.“1
die Basis für Andrians völlig überzogene Ansprüche angesichts der poli-
tischen realität und der machtverhältnisse in Wien bildete seine idee, dass
er letztlich dazu berufen wäre, als minister die geschicke österreichs zu
leiten und die notwendigen reformen zur gesundung des staates durchzu-
führen. Alle übrigen untergeordneten stellungen, und als solche empfand er
eben auch einen statthalter-, sektionschef- oder Botschafterposten, wären
nur vorbereitung und Zwischenstationen zu dieser höchsten Position. die-
ser schon früh, etwa während der Abfassung des ersten teils von Österreich
und dessen Zukunft, erkennbare gedanke verstärkte sich vor allem in den
Jahren 1848 und 1849 und ließ ihn in einer reflexion über seine tätigkeit in
frankfurt und london schreiben, „daß ich zum Befehlen, zum absoluten mi-
nister, tauge, nicht aber dorthin, wo ich mich schmiegen und winden muß.“2
dagegen hatte er die Arbeit als Beamter schon sehr früh als monoton,
unproduktiv und persönlich unbefriedigend empfunden – „eine geist- und
zwecklose Zeitversplitterung“, die ihn „blos mechanisch beschäftigt, nie
aber geist und interesse in Anspruch nimmt“, schrieb er schon 18413 – und
dabei die Bürokratie als hauptverantwortlich für die rückständigkeit und
reformresistenz in österreich identifiziert. entsprechend gering war auch
sein engagement als Beamter. er tat nur das unbedingt notwendige, verab-
scheute die kanzleiarbeit, nutzte jede möglichkeit, für längere urlaube seine
dienstorte zu verlassen, stürzte sich in das gesellschaftliche leben und ließ
keine initiative zur dienstlichen Weiterqualifikation erkennen.4 dass dies ein
schwerwiegender grund für sein langsames vorrücken in der hierarchie dar-
stellte, kann vermutet werden, für Andrian selbst stellte sich diese frage in
seinen tagebüchern jedoch nie. er hielt dieses engagement und eine erfah-
rung im gehobenen öffentlichen dienst auch nicht für notwendig als krite-
rium zur eignung als minister. für ihn zählte ausschließlich seine tätigkeit
als reformpublizist und vordenker der vormärzlichen opposition in verbin-
dung mit seiner stellung in der revolutionären Phase und den daraus gewon-
nenen erfahrungen, „ich glaubte und glaube wohl noch ein messias zu seyn.“5
1 ebda, eintrag v. 23.9.1852.
2 ebda, eintrag v. 5.3.1849.
3 ebda, eintrag v. 9.5.1841.
4 vgl. dagegen die geradezu konträr verlaufene Beamtenkarriere des beinahe gleichaltrigen
graf leo thun, die frh. Josef Alexander v. helfert minutiös in einer Aufsatzserie darlegt:
österreichisches Jahrbuch 15 (1891) bis 21 (1897).
5 tagebuch Andrian, eintrag v. 20.5.1853. Am 10.3.1855 schrieb Andrian, „seit [graf franz]
stadion todt ist, haben sie niemanden mehr als mich, um eine reform der verwaltung zu
wagen und durchzuführen.“
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band I
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- I
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 744
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien