Seite - 27 - in „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“ - Tagebücher 1839–1858, Band I
Bild der Seite - 27 -
Text der Seite - 27 -
Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg (1813–1858) – Eine Lebensskizze 27
musste scheitern, weil vor allem auf magyarischer seite die geeigneten
Partner in Wien fehlen würden.1
eine weitere möglichkeit, um in der Politik wieder fuß zu fassen, stellte
für Andrian die Publizistik dar. Aber er sah sich auch hier nicht als akti-
ver Arbeiter, sondern als organisator und lenker. sein Ziel war nicht eine
neugründung oder eine offizielle übernahme einer bestehenden Zeitung,
„da die regierung mißtrauischer als je die Presse überwacht“ und da dabei
„mein nahme doch bekannt geworden wäre, und man gerade mich mehr als
jeden Anderen fürchtet.“ er plante dagegen, nach und nach aus dem hin-
tergrund heraus ein Blatt in die hand zu bekommen, wobei seine Wahl auf
den Wiener Wanderer fiel, „ein honnettes, unbescholtenes Blatt, was man
von wenig anderen sagen kann.“2 dieser versuch scheiterte jedoch aus zwei
gründen. Zunächst wurde der von Andrian als publizistisches sprachrohr
nach Wien geholte und zur tarnung und materiellen versorgung bei der
Wiener Zentrale der lombardisch-venetianischen eisenbahnen angestellte
deutsche Journalist gustav diezel schon nach kurzer Zeit als politisch un-
zuverlässig aus österreich ausgewiesen.3 dann aber blieb auch die finan-
zielle unterstützung seitens der ständischen opposition in den Provinzen
aus, auf die er seine hoffnungen zur übernahme der Zeitung gesetzt hatte.
„Alle ohne Ausnahme, selbst die auf welche ich unter allen umständen
zählen zu können glaubte, lassen mich im stiche. das Blatt für mich allein
zu kaufen, dazu reichen meine kräfte nicht hin.“ im Jänner 1858 musste
sich Andrian schließlich eingestehen, dass seine Bemühungen endgültig ge-
scheitert waren. „dieses fehlschlagen hat mir einen großen strich durch
meine rechnung gemacht, denn ich halte […] gerade den jetzigen moment
für vorzugsweise geeignet, mit einer entschiedenen und positiven richtung
hervorzutreten und an die organisirung einer Parthey hand anzulegen.“4
dieser versuch, ein sprachrohr für seine politischen ideen und einen kris-
tallisationspunkt einer oppositionellen Bewegung zu bilden, war nicht An-
drians erster vorstoß in diese richtung. Aber auch die früheren schritte
waren erfolglos geblieben. so hatte er im tagebuch erstmals bereits ende
1839 seinen „alten gedanken“ geäußert, „eine Zeitschrift zu gründen, wel-
che […] als vernünftiger, gemäßigter, aber entschiedener vorkämpfer des
Principes, welches österreich vertritt,“5 dann wieder 1845 die gründung ei-
1 ebda, eintrag v. 12.1.1858.
2 ebda, eintrag v. 28.11.1856.
3 Zu diezel siehe den eintrag in neue deutsche Biographie. Bd. 3 (Berlin 1957) 713f., und
Willi lorch, gustav diezel. ein vergessener Achtundvierziger (reutlingen 1935, zugleich
phil. diss. univ. tübingen).
4 tagebuch Andrian, einträge v. 21.6.1857 und 12.1.1858.
5 ebda, eintrag v. 22.12.1839.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band I
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- I
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 744
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien