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ihre liebe zu mir ist, und daß sie bloß in dieser liebe weit glücklicher und
selbst ihrem charakter nach weit besser an ihrem Platze ist, als wenn sie
die frau eines mannes geworden wäre, den sie nur geachtet, nicht geliebt
hätte, und geliebt hätte sie nicht leicht Jemanden.
ich habe gestern auf der fahrt nach mainz nochmals ihre gedanken in
Betreff einer solchen heirath sondirt, aber sie kann für sich die möglich-
keit einer solchen gar nicht begreifen. Au fait, das heirathen ist nicht die
einzige Art glücklich zu werden, und wer weiß, ob nicht noch einmal in un-
seren alten tagen das geschieht, was unsere jetzigen verhältnisse verbie-
then, diesen gedanken habe ich schon öfters gehabt. im ganzen habe ich
Auguste jetzt mehr als jemals und mehr als irgend eine Person auf erden
achten und hochschätzen gelernt. Ihr manifiquer edler Charakter, ihre Be-
geisterung für alles gute und schöne, ihre reine, überirdische liebe zu mir,
denn so wie sie mich liebt, so, glaube ich, ist selten ein mensch geliebt wor-
den, ihre so absolute hingebung für mich, kurz alles in ihr erscheint mir
um so bewunderungswürdiger, je mehr ich die menschen und die Weiber
kennen lerne. Welch’ ein unterschied zwischen ihr und den anderen ihres
geschlechtes!
Würzburg 27. oktober Abends
Als ich mit Auguste letzthin wie gesagt von dem falle sprach, daß sie eine
convenienzheirath eingehen würde (ihre Antwort habe ich bereits ange-
führt), sagte sie mir dagegen, daß sie selbst in dem falle, daß ich heirathen
sollte, glücklich sein könnte, nur müßte sie mich hiezu glücklich wissen,
d.h. ich müßte meine frau lieben und nicht bloß aus convenienz geheira-
thet haben, um wie viel edler, wie viel hingebender ist doch diese Art zu
fühlen! überhaupt ein herz wie das ihrige werde ich wohl niemals mehr auf
Erden finden! Es ist dieß schon ein großes, ein unschätzbares Glück, sich
so geliebt zu wissen, wenn einem dieses auch, so wie mir, nur einige ange-
nehme stunden, dagegen aber Jahre des kummers bereitet hätte.
Was würde ich darum geben, wenn ich Auguste immer bei mir haben
könnte! um ein vieles besser wäre ich dann! meine gefühle, meine den-
kungsart, Alles in mir würde veredelt und geläutert werden, während ich
mich so trotz aller Anstrengung nicht ganz frei von dem besudelten, degra-
ding contacte der Welt und ihrer Alltäglichkeit erhalten kann. Aber auch
so soll mir der gedanke an sie wie bisher auch fernerhin von nutzen sein,
mich vor allem gemeinen bewahren und mir ein leitstern bleiben, welcher
mich würdig erhalten soll, der gegenstand der liebe, ja der abgöttischen
verehrung eines so edlen Wesens als Auguste ist, zu bleiben, denn sie liebt
mich nicht nur, sondern sie sieht in mir, was ich in stunden eines stolzen
selbstgefühles in mir gewahr zu werden glaube, und mehr noch als dieses,
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band I
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- I
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 744
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien