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„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“ - Tagebücher 1839–1858, Band I
Seite - 63 -
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6329. November 1839 noch nie ist es mir so auffallend, so drückend geworden als jetzt, wie schaal, geistlos und miserabel das hiesige gesellige leben ist, freilich habe ich mich eigentlich noch nicht in die societé lancirt, d.h. noch keine förm- lichen visiten gemacht, aber was ich davon bisher bei tante troyer und anderswo gesehen habe, ist wahrhaft erbärmlich, und ich kenne die Wiener große Welt aus anderen Jahren genug, um zu wissen, daß sie im ganzen mit sehr wenigen Ausnahmen durchaus nicht besser ist, nicht nur die pro- pos selbst, die man hört, sondern sogar und hauptsächlich die Wahl der su- jets der conversation ist so, daß einem Jeden eckelhaft, einem österreicher aber gar jämmerlich zu muthe wird, wenn er denkt, daß er unter solchen Austern fortvegetieren soll, eine kleine krankheit, eine ärztliche consul- tation, eine Wohnungsveränderung, höchstens einmal ein scandal oder so was, das sind die topiques, um die sich fort und fort die ganze conversation dreht, und das soll [man] mit ruhigem gesichte aushalten, eine der weni- gen Besseren, die herzogin von sagan, ist heute plötzlich gestorben, mir ist um sie leid, sie war einstens sehr gütig und freundlich gegen mich. deswe- gen fühle ich mich jetzt oft verstimmt und niedergedrückt. Alles um mich her hat ganz andere ideen, Ansichten etc. als ich und würde mich, wenn ich auch sonst mich ihnen mittheilen dürfte, gar nicht verstehen, es ist schwer, so ganz allein zu stehen und seinen starken entschluß gegen den rost zu bewahren, welchen die dummheit absetzt, womit die hiesige Atmosphäre geschwängert ist. Aber mein entschluß steht fest, ich will statt meines bis- herigen Polypenlebens endlich einmal, und zwar ehe meine Jugend dahin ist, dem glücke eine thüre öffnen, sei es nun durch die diplomatie, durch eine reiche heirath etc., dieses wird sodann ein mittel sein zur erreichung meines endlichen lebenszweckes, des hauptprinzips aller meiner hand- lungen, welches ich nie, nie einen Augenblick aus dem gesichte verloren habe. und so war ich denn heute beim Baron ottenfels, chef der staatskanzlei unter fürst metternich, er war sehr artig aber nicht sehr encourageant, und hinsichtlich meines Wunsches, einstweilen in der staatskanzlei ver- wendet zu werden sagte er mir geradezu, daß es durchaus nicht in der re- gel sei, leute, die noch nicht zum corps diplomatique gehören, dazu zu gebrauchen. sollte mir diese letzte hoffnung, nämlich der eintritt in die diplomatie vereitelt werden, dann ist eine explosion unvermeidlich, denn mich an mein früheres Joch und zwar nunmehr für immer zurück verdam- men, wäre nicht nur für den moment unerträglich, sondern würde mir noch späterhin viele, sehr viele stunden voll bitterer vorwürfe und qualvoller unzufriedenheit bereiten.
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„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“ Tagebücher 1839–1858, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Untertitel
Tagebücher 1839–1858
Band
I
Autor
Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
Herausgeber
Franz Adlgasser
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2011
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-78612-2
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
744
Schlagwörter
Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort (Ffritz Fellner) 9
  2. Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg (1813–1858) – eine Lebensskizze 11
  3. Überlieferung der tagebücher 37
  4. Editionsrichtlinien 41
  5. Tagebücher 1839–1847 43
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