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„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“ - Tagebücher 1839–1858, Band I
Seite - 72 -
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72 Tagebücher scheide als durch die größere menschenmenge und eleganterea toiletten, doch aber sind mir selbst diese wenigen Ausnahmen genug, um mich, der ich die brillanten salons von Pisino vor mir habe, zu fesseln. nebstdem habe ich viele aus der hiesigen Welt wirklich recht lieb, und wie ich so nach und nach alte Bekanntschaften erneuere, die nun durch 3 Jahre (denn als ich zuletzt hier war, ging ich Albertinens wegen1 nicht viel in die große Welt) unterbrochen waren, da erinnere ich mich lebhaft an die glänzendste epoche meines lebens, in welcher wenigstens meine eitel- keit vollkommen befriedigt war. sonst aber muß Wien auf einen fremden, der an große städte gewöhnt ist, keinen vortheilhaften eindruck machen, die gesellschaft, ich meine die haute societé, sonst kenne ich hier keine, verdient eigentlich gar nicht den namen einer solchen, denn außer den großen Bällen, routs etc., wo Al- les was dazu gehört, zusammen kömmt, spaltet sie sich nicht in coterien, sondern in absolute familienkreise von einigen wenigen nah unter sich verwandten und höchstens ein Paar uralten Bekannten, von eigentlichen salons, wo man sich fortwährend sieht, wo es interessante conversation etc. gibt, ist hier keine rede. Zudem gibt es gar keine fremde hier, sondern es sind ewig und immer dieselben menschen, die sich Jahr aus Jahr ein sehen, ja man évitirt sogar die wenigen fremden, die von ungefähr hieher kommen, weil man sich vor ihnen scheut und fühlt, daß sie uns überlegen sind, so formirt z.B. das diplomatische corps überall die beste, gesuchteste cotterie, hier aber sind sie beinahe ausschließlich auf sich selbst gewiesen, und die hiesige societé kommt mit ihnen nur bei den obigen routs, großen Bällen etc. zusammen. daher kommt es, daß bei dem gänzlichen mangel eines großstädtischen lebens und eines umganges mit fremden und distinguirten Personen die glieder unserer Wiener-societé so ganz der großartigen Weltanschauung entbehren, welche die grandes dames der übrigen großen städte besitzen, und welche in meinen Augen ein wahrer Zauber ist. Gräfin Lottum besaß ihn in einem eminenten grade. diesen mangel suchen sie durch eine unge- heure eleganz und luxus zu ersetzen, dabei aber sind ihre ideen auf eine oft überraschende Weise beschränkt und kleinstädtisch. unter den frauen, welche besser und folglich hier ziemlich déplanirt sind, sind vorzüglich Gräfin Larisch-Haugwitz, Gräfin Tengoborska, Für- stin esterhazy, welche aber durch andere pour suites so ziemlich absorbirt ist, Aglai Bathiany, Gräfin Clam, die Schwarzenbergs, welche aber noch nicht hier sind, etc. a mit Bleistift korrigiert von degustive. 1 Andrians schwester Albertine starb 1837 in Wien.
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„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“ Tagebücher 1839–1858, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Untertitel
Tagebücher 1839–1858
Band
I
Autor
Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
Herausgeber
Franz Adlgasser
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2011
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-78612-2
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
744
Schlagwörter
Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort (Ffritz Fellner) 9
  2. Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg (1813–1858) – eine Lebensskizze 11
  3. Überlieferung der tagebücher 37
  4. Editionsrichtlinien 41
  5. Tagebücher 1839–1847 43
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