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Februar1840
schreibung, die man mir hier davon machte, ist wirklich niederschlagend,
doch bin ich gefaßt und getrost in der hoffnung, ja mit dem bestimmten
vorsatze, daß dieses nicht lange, höchstens bis nächsten herbst dauern
werde, denn setze ich bis dahin keinen meiner anderweitigen Pläne durch,
so begehre ich geradezu meine transferirung in ein anderes gouvernement.
ich war hieher mit dem vorhaben gekommen, es wo möglich dahin zu
bringen, in triest zu bleiben und dem gubernium zugetheilt zu werden,
aber abgesehen von den schwierigkeiten der Ausführung habe ich auch
den Willen dazu verloren, denn als beständigen Aufenthaltsort glaube ich
triest nicht angenehm, und dann freue ich mich eines theils auf meine
Wirksamkeit als kreiscommissär, welche zehnmal schöner ist, als wäre ich
hier beim gubernium, endlich gehe ich nach Pisino wie in eine einsamkeit,
um mich dort zu sammeln und über meine Pläne, meine Zukunft zu brü-
ten, wohl versehen mit Büchern und entschlossen, diese Zeit dem studium
und jener lange projektirten Arbeit zu widmen, welche ich schon in Wien
skizzirt habe und nun ausführen will. ich kann daher beinahe sagen, daß
ich mich auf Pisino freue. Zudem habe ich gestern von öttl die nachricht
erhalten, daß ein hübsches geräumiges Quartier auf mich warte, nachdem
ich gefürchtet hatte, höchstens ein loch zu bekommen, denn erst kürzlich
mußte einem neu angelangten Beamten mit militärgewalt eine Wohnung
verschafft werden, so habe ich doch ein komfortables chez soi, für mich ei-
nes der wichtigsten ingredients zur Zufriedenheit.
im übrigen bringe ich diese tage in triest recht angenehm zu, meine
haupt-resource ist franz Wimpfen, der seit ein paar monaten general ist,
er führte mich letzthin zu sir ed. sorell,1 dem englischen consul, wo eine
Art von thée dansant war und wo ich mehrere damen der hiesigen societé,
herschel, fontana, constantini, sartorio, mochna, Yelverton etc. kennen
lernte.
einige davon sind recht hübsch, die meisten recht gut erzogen, aber Al-
len geht die gewisse feine lebensart, high breeding, der ruhige gute ton ei-
ner frau aus der großen Welt ab, sie scheinen alle ängstlich und gênirt oder
wieder zu wenig gênirt, aber keine hat die ruhige selbstbewußte Würde
und maintien, welche den damen so gut läßt. in ihrem interieur haben sie
eine sonderbare Art und parvenumäßige, von Luxus, magnifique Apparte-
ments, in denen es nach sauerkraut riecht, superbe meubles etc. und dabei
kein Mensch im Vorzimmer, finstere unbeleuchtete Zimmer, durch die man
in den salon tappen muß etc. heute Abends ist thé dansant beim gouver-
neur, die oper ist ziemlich gut.
1 nach den einträgen im staatshandbuch war der vorname des englischen konsuls in triest
thomas, nicht edward.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band I
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- I
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 744
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien