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„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“ - Tagebücher 1839–1858, Band I
Seite - 119 -
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11921. Dezember 1840 compagnie geworden ist, gibt jetzt mr. castle, ein Americaner, alle sonntage phrenologische Vorlesungen und hält craneoscopische Examina; ich war etli- che Male dort; der Mensch ist merkwürdig durch seine klare Auffassung und combinations-gabe, und die meisten seiner Portraits cranioscopiques sind wirklich frappant; wenn die Sache nicht so unpracktisch wäre, so würde sie mich lebhaft interessiren. Beinahe ebenso unpracktisch, wenigstens für den moment, ist fourier’s societäts-lehre, welche ich durch neipperg, der dar- über zum narren wird, aufmerksam gemacht, studiert habe, und ich gestehe es, sie hat mich mächtig angeregt, es sind sublime, magnifique thatsachen und Wahrheiten darin, besonders in dem theil desselben, der die kritick un- serer socialen Zustände enthält, aber auch sie ist bloß speculation, und das Leben ist so kurz, daß man zwischen ihr und dem Handeln optiren muß; bey- des läßt sich nicht vereinigen; ich habe mich aber für Letzteres entschieden; schade ist es um neipperg bey seinem vielen verstand und großen kennt- nissen und seiner bewunderungswerthen intensivität, seiner Aplications- gabe, daß er sich auf lauter solche unpracktische studien, und noch dazu alle Augenblicke auf ein anderes wirft; so wird daraus eine bibliothèque-ren- versée, ein zwecklos vergeudetes leben. Was ich an ihm bewundere, ist die immense bonne foi, den enthusiasmus, womit er alle diese lehren, solange sie ihn beschäftigen, in sich aufnimmt, das Wahre und falsche ohne unter- schied, und ohne diesen auch nur zuzulassen; dabey sein completer Mangel der Furcht vor dem Lächerlichwerden; besonders diesen letzteren begreife ich am schwersten; übrigens glaube ich, daß diese Furcht die gefährlichste feindin jeder großen, wahrhaften überzeugung, die nie ohne etwas fanatis- mus abgeht, ist; und wenn man daher aus einem Menschen mehr als einen bloßen Weltmann und homme comme il faut bilden will, so sollte man, meine ich, damit anfangen, diese Apprehensivität des ridicule gänzlich auszurot- ten. [mailand] 21. dezember Wir werden nun nächstens nachrichten von den festlichkeiten in Paris we- gen der translation des cendres des Napoléon erhalten; übrigens höre ich, daß der Enthusiasmus daselbst ein sehr gedämpfter ist; mir thut es herzlich leid, daß man diese reste nicht in st helena ließ, das war viel grandioser, romantischer und angemessener; St helena war ein von der natur für na- poleon geschaffenes monument, und eben seiner entfernung wegen in einen poetischen Nimbus gehüllt, ganz wie Napoleon es verdiente; jetzt wird man ihm einen mesquinen grabstein setzen, wie cromwell in Westminster, wie so vielen Anderen, und um 2 franken wird man die Wahl haben, napoleon’s grab oder irgend eine ménagerie anzusehen. schade, alle Poesie verschwin- det nach und nach!
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„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“ Tagebücher 1839–1858, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Untertitel
Tagebücher 1839–1858
Band
I
Autor
Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
Herausgeber
Franz Adlgasser
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2011
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-78612-2
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
744
Schlagwörter
Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort (Ffritz Fellner) 9
  2. Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg (1813–1858) – eine Lebensskizze 11
  3. Überlieferung der tagebücher 37
  4. Editionsrichtlinien 41
  5. Tagebücher 1839–1847 43
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