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„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“ - Tagebücher 1839–1858, Band I
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124 Tagebücher Schulmanier; er gibt seinen Zuhörern eine bestimmte Aufgabe und frägt Jeden das nächste mal darüber aus, wobey er seine eigenen Bemerkungen macht und darüber dissertirt; diese sind manchmal sehr interessant und zei- gen von tiefer, langjähriger Beobachtung, welche auch abgesehen von aller Phrenologie blos durch das tiefe studium des menschen und seiner mora- lischen Wesenheit, wovon sie zeugen, merkwürdig sind; mich interessiren sie vorzüglich von diesem standpunkte aus, denn die Phrenologie ist eine noch zu vague und ungewisse lehre und dabey zu unpracktisch, um mich be- sonders anzusprechen; dabey sitzt dann Neipperg mit einer weisen, concen- trirten miene, manchmal nachschreibend manchmal blos hie und da dazwi- schen sprechend. schade um neipperg und seine ausgezeichneten talente, daß er sie zu so abstrusen, unproductiven gegenständen verwendet. der samoyloffsche salon ist nun wieder geschlossen und große confu- sion im Hause; Madame liegt im Bett und hat Krämpfe, vergoß öffentlich im theater thränen, etc. Alles das, weil martini einen ganzen Abend, ohne sie zu besuchen, in der loge seiner ehemaligen und noch gegenwärtigen Flamme, Hypolite d’Adda-Pallavicini, zubrachte; schon auf ihrem Balle, heute vor 8 Tagen hatte es eine ähnliche scène gegeben; diese candeurs d’amour finde ich hier doch gar zu lächerlich; überhaupt sind diese péripé- ties des samoyloff’schen romans sehr merkwürdig. die politischen ereignisse werden immer confuser und unbegreiflicher, in madrid ist nun den neuesten Briefen zufolge die republik proclamirt worden;1 Portugal wird nun nachfolgen; wieder ein halbes Dutzend königli- che Personen mehr in supernumerären Stand versetzt; in Paris soll wieder, nun zum 7. Male auf den König geschossen worden seyn; solch ein niedriges canaillen-volk gibt es doch auf der Welt nicht mehr. Bey uns ist auf dem Pa- pier der Ankauf von 24.000 Pferden anbefohlen, wirklich aber werden kaum 2000 gekauft, ebenso ist die Completirung der Regimenter angeordnet; die Recruten werden aber wohl gleich wieder beurlaubt werden; kurz, einiger ostensible lärmen, um das an frankreich gestellte entwaffnungsbegehren zu unterstützen; ich glaube jetzt wie vorher steif und fest an den Frieden.2 [mailand] 24. Jänner ich war diese 8 tage über hals und kopf damit beschäftigt, mir eine equi- page zusammen zu stellen, deren man hier, wenn man nur halbwegs als éle- 1 diese information erwies sich als falsch. 2 die orientkrise um den Aufstand des ägyptischen statthalters mehemet Ali führte zu einer isolierung frankreichs, das ihn als einzige europäische macht unterstützte, und in deren folge zur sog. „rheinkrise“, d.h. der forderung frankreichs nach der „natürlichen“ rhein- grenze gegen deutschland im fall eines europäischen krieges. seit der entlassung des ministeriums thiers am 21.10.1840 entspannte sich die internationale lage langsam.
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„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“ Tagebücher 1839–1858, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Untertitel
Tagebücher 1839–1858
Band
I
Autor
Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
Herausgeber
Franz Adlgasser
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2011
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-78612-2
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
744
Schlagwörter
Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort (Ffritz Fellner) 9
  2. Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg (1813–1858) – eine Lebensskizze 11
  3. Überlieferung der tagebücher 37
  4. Editionsrichtlinien 41
  5. Tagebücher 1839–1847 43
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