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März 1841
welches ich mich schon den ganzen tag über freute, geworden sind, kann ich
nicht läugnen, daß mich dieses Abbrechen schmerzt und einigermaßen trüb
stimmt; im Grunde aber sollte und werde ich mich wohl auch in Kurzem dar-
über freuen, daß ich, un embarras naissant, so gut los geworden bin.
ich war also, wie gesagt, täglich hingegangen, hatte mich auch, wie natür-
lich, mit cadeaux eingestellt, obwohl ich sagen muß, daß das mädchen mir
durchaus nicht interessirt scheint; über ein bracelet, welches ich ihr gab,
hatte sie eine so kindliche, énorme freude, daß es mich noch jetzt erquickt,
wenn ich daran denke; auch über die Mutter muß ich mein erstes Urtheil zu-
rücknehmen, sie ist eine vortreffliche und nicht ganz bildungslose frau, wel-
che in dem, was man mit dürren Worten verkuppeln ihrer tochter nennen
könnte, unter solchen Bedingungen und verhältnissen, wie sie sie bey mir
erwarten konnte, durchaus nichts Arges findet, und hierin auch nur der all-
gemeinen Denkungsweise der Leute ihres Standes hier in Mailand folgt; also
die sachen standen ganz gut, und ohne noch etwas bestimmt ausgesprochen
zu haben, war ich doch innerlich so ziemlich entschlossen das verhältniß
einzugehen, und nur einer Bedingung, welche ich voraussah, nämlich die,
mich auf mehrere Jahre zu verpflichten, auszuweichen. Am tage vor vor-
gestern bemerkte ich eine veränderung im Wesen meiner kleinen Adelaide
und in ihrem Benehmen gegen mich; bisher war sie gegen mich immer so
gewesen, daß ich damit zufrieden seyn konnte, freylich zurückhaltender und
sittsamer als ich es gerade gewünscht hätte, aber doch so, daß ich von tag
zu Tag ein Zunehmen an Freundlichkeit und Zuneigung gewahren konnte;
an jenem tage merkte ich nicht darauf, besonders da sie kopfweh hatte oder
vorschützte; Tags darauf sprach ich ihr davon, und so kam es denn zu ei-
ner erklärung, wo ich nach und nach, nämlich an 2 aufeinander folgenden
tagen, erfuhr, daß der erste tänzer an der scala mr. merante, ein junger
Mensch von 23 Jahren, ihr einen förmlichen Heiraths-Antrag gemacht habe;
heute soll er zu ihrer Mutter kommen und vollends darüber sprechen; heute
sehe ich sie also nicht, und morgen werde ich aus ihrem munde, das gewann
ich noch mit mühe über sie, denn sie wollte sie mir, falls sie gegen mich aus-
fiele, durch ihre mutter sagen lassen, weil sie den muth nicht hätte, es mir
ins gesicht zu sagen, die entscheidung erfahren, welche unter diesen ver-
hältnissen wohl nichts anderes als ein korb seyn wird.
ich sagte ihr, sie müsse in einer so wichtigen Angelegenheit blos ihrem
Gefühle folgen, und ich wollte ihr daher gar keinen Rath [geben]; sie ist, wie
bey einem jungen mädchen natürlich, sehr für eine heirath und gegen eine
bloße liaison, weil sie sich vor dem Urtheil der Welt fürchtet; für die Person
des Brautwerbers versicherte sie mich, bis jetzt keine liebe, sondern nur
keine Abneigung zu fühlen, so daß sie glaube ihn mit der Zeit lieb zu gewin-
nen; ich aber wäre ihr lieber, das sagte sie mir, und war auch bey unserer ge-
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band I
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- I
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 744
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien