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März 1841
einer liaison zu ende, und ich gestehe malgré moi, obwohl ich einsehe, daß
es so besser ist, und mich zeitweise darüber freue; denn um den Preis, den
es mich gekostet hätte, wäre ein solches verhältniß theuer erkauft gewesen,
denn nebst der currenten Ausgaben in welche ich mich gerne eingelassen
hätte, hätte ich mich noch zu einer ziemlichen Abfindungssumme im falle
des Aufhörens verbinden müssen, und trotz dem wäre ich nicht ohne unan-
nehmlichkeiten losgekommen, wenn mich die geschichte nach einiger Zeit
ennuyirt hätte, und das wäre, glaube ich, bald eingetretten [sic], denn Ade-
laidens Character paßte nicht zu dem meinen, das hatte ich bald weg; sie
ist ziemlich ernsthaft und von wenig Worten und hat zuweilen Anflüge von
übler laune, und ich verlange aufgeheitert zu werden, weil ich es mehr als
Jemand brauche; zudem hatte sie den Fehler, der mir bey einem Weibe der
unangenehmste ist, nämlich einen großen eigensinn, welcher sich mit mir,
der ich absolut dominiren will, nicht vertragen hätte, und schon gegenwärtig
zu manchem Zank Anlaß gab. trotz allen dem habe ich in diesem Augenblick
mehr sinn für das Angenehme, welches mir entgeht, und welches ich mir be-
reits im Geiste ausgemahlt hatte; eine ruhige liaison mit einem ganz jungen,
unverdorbenen mädchen, wo sowohl für meine phisischen besoins als für
mein tägliches Bedürfniß von désossement und plaudern gesorgt gewesen
wäre, hoc erat in votis.
daß sie in mich verliebt war, glaube ich nicht, denn sie hat überhaupt ein
sehr kaltes, ruhiges Temperament, nach meinem Geschmacke viel zu sehr;
aber ich glaube, daß sie auf dem Weg war es zu werden; man erzählt mir nun
alle möglichen horreurs von ihr, welche ich aber zum theil falsch weiß, zum
Theil nicht glauben kann; sie müßte denn ein monstre von Verstellung und
falschheit seyn, und das mit 15 Jahren! wäre auch nur der hundertste theil
dessen wahr, so würde es mich wahrhaft betrüben, weit mehr noch als mich
unsere trennung betrübt hat. ich gehe künftige Woche nach rom und nach
der charwoche vielleicht nach neapel, doch glaube ich letzteres kaum, weil
ich diesen sommer wieder meine geliebte schweitz besuchen und dafür jetzt
nicht gar zu lange ausbleiben will.
[mailand] 18. märz
ich war diese tage über mit Anstalten zur Abreise beschäftigt, welche heute
hätte stattfinden sollen, aber mehrere unvorhersehbare hindernisse zwan-
gen mich, diese und zwar wahscheinlich auf Montag den 22. zu verschieben;
erstlich bekam ich meinen urlaub und Paß nicht zu rechter Zeit, wofür ich
unserem delegaten, der selbst ein fauler hund ist aber immer über seine
entsetzliche Arbeit klagt, dabey aber nichts thut, verbunden bin, und dann
habe ich einen ebenso faulen und unlustigen Practicanten, de’capitani, wel-
chem ich endlich, nachdem er sich beinahe ein monath nicht hatte sehen
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band I
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- I
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 744
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien