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Also um 11 uhr fuhren wir von civitavecchia ab, auf ziemlich guter
straße, durch ein ödes, unbebautes hügelland, immer auf und ab, mitunter
beinahe à pic; doch aber war der Weg magnifique, da er 2/3 seiner ganzen
länge bis rom längs dem meere geht, und zudem die südliche üppige vege-
tation, wo nicht ein Baum, ein kraut, ein strauch wie bey uns ist, und die
luft so voll balsamischer düfte, denn hier ist schon Alles grün, und es war
fast drückend heiß; mich erinnerte die Gegend sehr an das südliche Istrien,
besonders an die quarnerischen inseln, auch so unbewohnt und doch so
gesegnet; was könnte das Land tragen, wenn Menschen und Industrie da
wären! einmal sahen wir Bauern ackern auf eine höchst primitive Art, 4
ochsen nacheinander in ein Joch gespannt, daran eine Art von deichsel, an
deren ende ein eisen, und auf diesem eisen steht der Bauer, um die Pflug-
schaar tiefer in die Erde zu drücken; übrigens sieht man blos große Herden
von ochsen mit ungeheuren hörnern und hie und da einen reitenden oder
auf seinem 2 rädrigen karren liegenden Bauern mit ledernen ritterstiefeln
und Ziegenfellen über die schenkel.
Auf halbem Weg, in Palo, einer Art von fort am meer, wässerte der vettu-
rino eine und eine halbe stunde lang, da kamen ein Paar finanz-soldaten,
die uns nochmals visitiren wollten und miene machten, mir ein dutzend
handschuhe wegzunehmen, bis ich sie mit einigen Paoli, auf die es eigent-
lich abgesehen war, beschwichtigte. gegen das ende unserer fahrt, als es
dunkel wurde, ward mir etwas unheimlich zu muthe, weil ich mein gan-
zes Reisegeld mit mir hatte; ich war daher unendlich froh, als wir um 1/2 8
durch die Porta cavallegieri in rom einfuhren, bey Piazza s. Pietro, die ich
aber nur undeutlich sah, vorbey, über Ponte s. Angelo auf die hauptmauth,
wo wir abermals pro forma visitirt wurden, und wo ich meinem maler adieu
sagte.
rom ist von fremden überfüllt, so daß ich mir nach langem herumsuchen
in der Grande Bretagne 2 Zimmer um 10 frs des Tages fand; die situation ist
sehr gut, ganz nahe bey Piazza di spagna, aber das Wirthshaus scheint de
second ordre; übrigens muß man sich in solchen Momenten mit Allem be-
gnügen; nicht ein Mal einen Lohnbedienten konnte ich noch auftreiben, und
werde erst von übermorgen an einen bekommen.
heute früh stieg ich dann ganz allein herum, Anfangs ohne ein bestimm-
tes Ziel, sah vom Palazzo des monte citorio einer lotterieziehung zu, die
mit vielem gepränge, militär etc. vor sich ging, was sich sehr lächerlich aus-
nahm, besonders das Militär, wovon der Eine so, der Andere anders aussah;
der hatte einen Pinkel1 unter dem Arme, der Andere an der Patrontasche,
etc.
1 wohl Binkel, Bündel, stoffsack.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band I
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- I
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 744
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien