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Tagebücher156
zu sehen, und dann weiter, um die cascatelle und cascatelline zu sehen,
welche unmittelbar unter tivoli sind, aber nur von dem felsen vis-à-vis gut
gesehen werden können; mich erinnerten diese vielen kleineren und größe-
ren cascaden lebhaft an den fall des kerka bey scardona in dalmatien, wel-
cher aber ohne vergleich schöner ist.
nach tivoli zurück gekommen, welches ein armseliges nest ist, aber doch
7000 einwohner zählt, nahmen wir ein ziemlich passables déjeuner à la
fourchette ein und fuhren dann nach Hause; es wurde grimmig kalt, jedoch
hatten wir auch nicht einen moment regen. noch ist bey den cascatelline
die schöne villa des mäcenas, ziemlich gut erhalten, zu bemerken, so wie das
Haus des Catullus; melancolisch ist das Costume der Tivolinerinnen, und es
sind meistens superbe gesichter. vor 6 uhr waren wir wieder in rom, spei-
sten Alle mit Wenkheim und cebrian beym restaurant leyre, und als es in
strömen zu regnen anfing, und nebstdem der französische Botschafter, des-
sen tag heute war, nicht empfing wegen der charwoche, wie die meisten an-
dern salons, so ging ich blos mit den übrigen zu Wenkheim hinüber, rauchte
dort eine Pfeife und kam um 9 uhr nach hause, um mich, da ich sehr müde
bin, bey Zeiten schlafen zu legen.
[rom] 7. April
Bald nach dem frühstück kam heute karaczonji zu mir, und um 11 uhr
fuhren wir (da er mit mir für den miethwagen moitié macht, welchen ich für
die ganze charwoche zu 4 scudi des tags, das trinkgeld ungerechnet, neh-
men mußte) in die galerie farnese, wo es superbe und sehr lüsterne fres-
ken von Annibale Caracci, Domenichino, etc. gibt; der Pallast ist von einer
magnifiquen Architectur und gehört dem könig von neapel als erben des
Hauses Farnese; von da in den Palazzo Spada, wo die Statue des Pompe-
jus steht, an deren fuße Julius caesar ermordet wurde, und wo es mehrere
schöne gemälde gibt, darunter die carità romana von caracci, die berühmte
dido auf dem scheiterhaufen von guercino, die Judith und die lucrezia von
guido reni, etc., dann fuhren wir in die gallerie corsini, eine der größten
und schönsten Roms; die vorzüglichsten Bilder darin scheinen mir ein Ecce
homo von guido reni und einer von guercino, eine sacra famiglia von Ba-
rocci, die ehebrecherin von titian, die himmlische madonna von murillo,
eine herodias von guido reni, eine heilige Apollinaria von carlo dolce, ein
gelehrter von Albrecht dürrer [sic], eine Annunziata von maratta etc. hier
empfand ich es wieder, wie viel genuß einem durch das bloße flüchtige An-
sehen solcher meisterwerke verloren geht. dann fuhren wir in die farnesina
mit den berühmten fresken von raffael, geschichte der Psyche und die ga-
lathée, dann ein al fresco gemalter superber kopf von michelangelo, den er,
während er auf die frau vom hause warten mußte, gemahlt haben soll.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band I
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- I
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 744
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien