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Der Weg ins Freie
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Text der Seite - 48 -

nächsten Sekunde war Georg tuschiert. »Nur weiter!« rief Georg und empfand es wie ein Glück, daß er in verwegener Stellung, die blitzende, schlanke Waffe in der Hand, dem Bruder gegenüber stehen durfte. Felician traf ihn, so oft es ihm beliebte, ohne nur ein einziges Mal selbst berührt zu werden. Dann ließ er den Degen sinken und sagte: »Du bist heut zu müd, es hat keinen Sinn. Aber du solltest wieder fleißiger in den Klub kommen. Ich versichre dich, es ist schad, bei deinen Anlagen.« Georg freute sich des brüderlichen Lobs. Er legte den Degen auf den Tisch, atmete tief und ging zu dem offenen, breiten Mittelfenster. »Wundervolle Luft!« sagte er. Aus dem Park schimmerte eine einsame Laterne, es war vollkommene Stille. Felician trat zu Georg hin, und während dieser sich mit beiden Händen auf die Brüstung stützte, blieb der ältere Bruder aufgerichtet stehen und ließ einen seiner ruhig-hochmütigen Blicke über Straße, Park und Stadt schweifen. Sie schwiegen beide lang. Und sie wußten, daß jeder an dasselbe dachte: an eine Mainacht heuer im Frühjahr, in der sie zusammen durch den Park nach Hause gegangen waren, und der Vater sie von demselben Fenster aus, an dem sie jetzt standen, mit stummem Kopfnicken begrüßt hatte. Und beide durchschauerte es ein wenig bei dem Gedanken, daß sie heute den ganzen Tag so lebensfroh hingebracht hatten, ohne sich mit Schmerzen des geliebten Mannes zu erinnern, der nun unter der Erde lag. »Also gute Nacht«, sagte Felician, weicher als sonst und reichte Georg die Hand. Er drückte sie wortlos, und jeder ging in sein Zimmer. Georg schaltete die Schreibtischlampe ein, nahm Notenblätter hervor und begann zu schreiben. Es war nicht das Scherzo, das ihm eingefallen war, als er vor drei Stunden mit den andern unter schwarzen Wipfeln durch die Nacht gesaust war; und auch nicht die melancholische Volksweise aus dem Restaurant; sondern ein ganz neues Motiv, das wie aus geheimen Tiefen langsam und unaufhaltsam emporgetaucht kam. Es war Georg zu Mute, als müßte er nur ein Unbegreifliches gewähren lassen. Er schrieb die Melodie nieder, die er sich von einer Altstimme gesungen oder auch auf der Viola gespielt dachte; und eine seltsame Begleitung tönte ihm mit, von der er wußte, daß sie ihm nie aus dem Gedächtnis schwinden konnte. Es war vier Uhr morgens, als er zu Bette ging; beruhigt wie einer, dem niemals im Leben etwas Übles begegnen kann, und für den weder Einsamkeit, noch Armut, noch Tod irgendwelche Schrecken haben. 48
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Der Weg ins Freie
Titel
Der Weg ins Freie
Autor
Arthur Schnitzler
Datum
1908
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
306
Schlagwörter
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
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