Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Weiteres
Belletristik
Der Weg ins Freie
Seite - 188 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 188 - in Der Weg ins Freie

Bild der Seite - 188 -

Bild der Seite - 188 - in Der Weg ins Freie

Text der Seite - 188 -

ist die wahrhaft tragikomische Mittelpunktsfigur, die mir noch gefehlt hat.« Der innere Widerstand Georgs wuchs. Er bekam große Lust, den alten Bermann gegen seinen Sohn in Schutz zu nehmen. »Tragikomische Figur?« wiederholte er fast feindselig. »Ja«, entgegnete Heinrich bestimmt. »Ein Jude, der sein Vaterland liebt… ich meine, so wie mein Vater es getan, mit Solidaritätsgefühlen, mit dynastischer Begeisterung, ist unbedingt eine tragikomische Figur. Das heißt… er war es zu jener liberalisierenden Epoche der siebziger und achtziger Jahre, da auch kluge Menschen dem Phrasentaumel der Zeit unterlegen sind. Heute wäre ja ein solcher Mensch allerdings ausschließlich komisch. Ja, selbst wenn er sich endlich am erstbesten Nagel aufhinge, ich könnte sein Schicksal nicht anders empfinden.« »Es ist eine Manie von Ihnen«, erwiderte Georg. »Man hat wirklich manchmal den Eindruck, daß Sie überhaupt nicht mehr imstande sind, etwas anderes in der Welt zu sehen als immer und überall die Judenfrage. Wenn ich so unhöflich wäre, als es Ihnen zuweilen zu sein passiert, so würde ich Sie… Sie verzeihen schon, verfolgungswahnsinnig nennen.« »Verfolgungswahnsinnig«… , wiederholte Heinrich tonlos und sah an die Wand. »So, also Verfolgungswahnsinn nennen Sie das… Na!« Und plötzlich mit zusammengepreßten Zähnen, heftig, fuhr er fort: »Ich will Sie einmal was fragen, Georg, aufs Gewissen fragen.« »Ich höre.« Er stellte sich gerade vor Georg hin und bohrte ihm seine Augen in die Stirn: »Glauben Sie, daß es einen Christen auf Erden gibt, und wäre es der edelste, gerechteste und treueste, einen einzigen, der nicht in irgendeinem Augenblick des Grolls, des Unmuts, des Zorns selbst gegen seinen besten Freund, gegen seine Geliebte, gegen seine Frau, wenn sie Juden oder jüdischer Abkunft waren, deren Judentum, innerlich wenigstens, ausgespielt hätte?« Und ohne Georgs Antwort abzuwarten: »Keinen gibt es, ich versichere Sie. Sie können übrigens auch einen andern Versuch machen. Lesen Sie z. B. die Briefe von irgendwelchen berühmten, sonst ganz klugen und vortrefflichen Menschen, und beachten Sie die Stellen mit feindlichen und ironischen Äußerungen über Zeitgenossen. Neunundneunzigmal handelt es sich um ein Individuum ohne Berücksichtigung der Abstammung oder Konfession, im hundertsten Fall, wo das übelbehandelte Menschenkind das Unglück hat, Jude zu sein, vergißt der Verfasser gewiß nicht, diese Tatsache zu erwähnen. So ist es nun einmal, ich kann Ihnen nicht helfen. Was Sie Verfolgungswahnsinn zu nennen belieben, lieber Georg, das ist eben in Wahrheit nichts anderes als ein ununterbrochen waches, sehr intensives 188
zurück zum  Buch Der Weg ins Freie"
Der Weg ins Freie
Titel
Der Weg ins Freie
Autor
Arthur Schnitzler
Datum
1908
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
306
Schlagwörter
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Der Weg ins Freie