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Der Weg ins Freie
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die Alte einfach, ob sie Nachricht hat… Was sagen Sie… wie schwül diese Nacht ist?« Sie fuhren über den Ring, durch den hallenden Burghof, durch die Straßen der Stadt. Georg war eigentümlich gespannt. Wenn die Schauspielerin nun wirklich ruhig bei ihrer Mutter zu Hause säße, dachte er. Er fühlte, daß es eine Art Enttäuschung für ihn bedeuten würde. Dann schämte er sich dieser Regung. Ist denn die ganze Geschichte eine Zerstreuung für mich, dachte er. Was den andern Leuten passiert… ist uns wohl selten mehr, würde Nürnberger finden… Eine seltsame Art sich zu zerstreuen, um den Tod seines Kindes zu vergessen… Aber was soll man tun?… Ändern kann ich nichts mehr. In ein paar Tagen reis’ ich fort. Gott sei Dank. Der Wagen hielt vor einem Hause in der Nähe des Pratersterns. Über den Viadukt gegenüber dröhnte eben ein Zug, darunter weg liefen die Alleen des Praters ins Dunkle. Heinrich schickte den Wagen fort. »Ich danke Ihnen sehr«, sagte er zu Georg. »Leben Sie wohl.« »Ich warte hier auf Sie.« »Wollen Sie wirklich? Nun, ich bin Ihnen sehr dankbar.« Er verschwand im Haustor. Georg ging auf und ab. Rings herum auf den Straßen war es trotz der späten Stunde noch ziemlich belebt. Aus dem Prater drangen die Klänge eines Militärorchesters zu ihm her. Ein Mann und eine Frau kamen an ihm vorbei. Der Mann trug ein schlafendes Kind auf dem Arm, das die Hände um den Hals des Vaters geschlungen hatte. Georg dachte an den Grinzinger Garten, an das kleine, ungewaschene Ding, das ihm von den Armen der Mutter aus die Händchen entgegengestreckt hatte. War er damals wirklich gerührt gewesen, wie Nürnberger behauptet hatte? Nein, Rührung war es wohl nicht. Etwas anderes vielleicht. Das dumpfe Bewußtsein, dazustehen in der geschlossenen Kette, die von Urahnen zu Urenkeln ging, an beiden Händen gefaßt, mit teilzuhaben am allgemeinen Menschenlos. Nun stand er mit einemmal wieder losgelöst, allein… wie verschmäht von einem Wunder, dessen Ruf er ohne Andacht gehört hatte. Von einem nahen Kirchturm schlug es zehn Uhr. Fünf Stunden erst, dachte Georg. Und wie ferne war schon alles. Nun durfte er wieder frei durch die Welt treiben, wie früher einmal… Durfte er wirklich? Heinrich kam aus dem Haustor. Hinter ihm fiel das Tor zu. »Nichts«, sagte er. »Ganz ahnungslos ist die Mutter. Ich habe nach der Adresse gefragt, als wenn ich ihr was Wichtiges mitzuteilen hätte. Ich wäre gerade aus dem Prater gekommen, und da fiel mir ein… na und so weiter. Eine gute, alte Frau. Der Bruder sitzt am Tisch und zeichnet auf einem Reißbrett eine Ritterburg mit unzähligen Türmen aus einer illustrierten Zeitung ab.« 244
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Der Weg ins Freie
Titel
Der Weg ins Freie
Autor
Arthur Schnitzler
Datum
1908
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
306
Schlagwörter
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
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