Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast

Digitalisierung im Kartengeschäft von 0 auf 100#

Ewald Judt [1]

1. Einführung#

Als Digitalisierung gilt die Überführung analoger Werte in digitale (diskrete) Daten, deren Einsatz zu elektronisch gestützten Produkten und Prozesse führt. Diese Entwicklung hat mit dem Einsatz der ersten Computer in der Wirtschaft begonnen. Galt es anfangs primär die mit dem Wirtschaftswachstum verbundene Zunahme von (Massen)Transaktionen zu bewältigen, traten bald mehr und mehr die Kostenvorteile der Digitalisierung in den Vordergrund. Heute gilt es um konkurrenzfähig zu bleiben in einem/mehreren Entwicklungssprung/sprüngen dafür in Frage kommenden Produkte und Prozesse durchgehend zu digitalisieren – „end-to-end digitalization“ genannt: im Bankgeschäft Banking 4.0. Das vollständig umzusetzen ist schwierig und zum Teil auch langwierig. Im Kartengeschäft, einem kleinen Bereich des Privatkundengeschäfts und einem ebenso kleinen Bereich des Firmenkundengeschäfts, ist dies schon fast vollständig gelungen. Der Weg war allerdings ein langer.

2. Die analog abgewickelten Kredit- und Debitkarten#

Wenngleich es Kreditkarten schon im 19. Jahrhundert gab, gilt 1950 als Geburtsjahr der Kreditkarte. Damals kam die erste „Universalkreditkarte“ [2] in den USA auf den Markt. Sie konnte nicht nur wie „Spezialkreditkarten“ bei Niederlassungen des Unternehmens eingesetzt werden, das sie ausgegeben hat [3], sondern bei allen Unternehmen, mit denen der Systembetreiber einen Vertrag geschlossen hat. Die ersten Kartenakzeptanten waren vorwiegend im Bereich der Hotellerie und Gastronomie. Später kamen Handels- und Dienstleistungsunternehmen aus allen Branchen hinzu.

Die Debitkarte ist nicht so alt. Sie ist eine Karte, mit deren Hilfe eine direkte Belastung (Debitierung) des Girokontos erfolgt. Ihre Vorgänger waren „Kundenkarten“, wo die Bank und die Kontonummer des Kunden verzeichnet waren und so der Kunde z.B. seine Kontoauszüge in der Bank abholen konnten. Eine Weiterentwickung war in Europa die ab 1968 in vielen Ländern Europas ausgegebene eurocheque-Karte als Scheckgarantiekarte. Mit dem durch die Karte garantierten Scheck konnte bis zu einem definierten Limit bargeldlos gezahlt werden.

Kreditkarten der ersten Generation waren Plastikkarten mit Hochprägung der Kartennummer. Sie konnten zum bargeldlosen Zahlen und zum Bargeldbezug in Banken jeweils mit Unterschriftsleistung eingesetzt werden. Die Abwicklung am POS war vorsintflutlich: Die hochgeprägte Karte wurde wie der Kreditkartenbeleg in ein Kartenprägegerät („Imprinter“) gelegt und per Ritsch-Ratsch wurde die Kartendaten von der Karte auf den Beleg übertragen. Danach wurde der Beleg ausgefüllt und vom Karteninhaber unterschrieben. Die Transaktion bedurfte allerdings – von einem relativ niedrigen Limit abgesehen – einer Autorisierung, einer telefonischen/telegraphischen Anfrage beim Autorisierungscenter der kartenausgebenden Bank („Issuer“), die zwar meist positiv, aber doch auch gelegentlich negativ beantwortet wurde.

Die ersten Debitkarten wurden in Europa eingesetzt, waren flachgeprägte Scheckgarantiekarten, die für die Akzeptanten bei Ausstellung eines Schecks in einem Handels- oder Dienstleistungsunternehmen zur bargeldlosen Zahlung die Prüfung von Kontonummer und Unterschrift ermöglichten. Bedingt durch ein Transaktionslimit war bei der Akzeptanz keine weitere Sicherheitsmaßnahme erforderlich.

Die Verarbeitung von Kredit- und Debitkartentransaktionen danach – die Abwicklung des unter Heranziehung einer Scheckgarantiekarte ausgestellten Schecks oder einer des Kreditkartenbelegs – erfolgte am POS paper-based. Der Kreditkartenbeleg wurde an die händlerabrechnende Bank („Acquirer“), der Scheck an die kontoführende Bank des Händlers übermittelt, dort erfasst und dem Händlerkonto gutgeschrieben. Danach wurden im Clearing & Settlement-Prozess der Karteninhaber belastet.

3. Die Schritte der Digitalisierung im Kartengeschäft#

Der erste Schritt in Richtung Digitalisierung erfolgte bei Kreditkarten nach 1980 [4]. Sie erhielten einen Magnetstreifen und damit die Möglichkeit mit einem Code Bargeld an Geldautomaten zu beziehen, womit die vorher mögliche manuelle Bargeldbeschaffung in Banken bald an Bedeutung verlor und diese Transaktion auch für Kreditkarten fast durchgehend digitalisiert abgewickelt werden konnte, da auch die Backoffice-Verarbeitung durch den Einsatz qualifizierter EDV-Systeme digitalisiert vorgenommen wurde. In etwa zur gleichen Zeit kamen auch am POS die ersten Autorisierungstelefone für Kreditkarten-Transaktionen zum Einsatz, wodurch – nur bei Unternehmen wie z.B. Juwelieren, die sich dieses Service leisten wollten/mussten – der manuelle Anruf durch einen digitalisierten ersetzt wurde. Die umständliche paper-based Transaktionsabwicklung am POS blieb dadurch allerdings vorerst unbeeinflusst. Erst im Processing Center des Acquirers wurden die Kreditkartenbelege erfasst und in der Folge digital weiterverarbeitet.

Die damaligen Debitkarten=Scheckgarantiekarten erhielten Anfang der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts einen Magnetstreifen, durch den mit ihnen Bargeldbezug an Geldautomaten ermöglicht wurde. Mit ihnen konnte der Karteninhaber mit Code Geld beheben. Hier war der Prozess bereits vom Geldautomaten bis zur Kontoauszugserstellung digitalisiert. Der Kontoauszug stand dem Kontoinhaber ausgedruckt (meist zur Abholung) zur Verfügung. Zahlungen am POS erfolgten bis zu einem fixierten Limit weiter durch Ausstellung eines (garantierten) Schecks unter Kartenvorlage und mit Unterschriftvergleich.

Den nächsten Digitalisierungsschub brachte ab Ende der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts der Einsatz von Kredit- und Debitkarten mit Code am POS. POS-Terminals ermöglichten –eine einfache, rasche und sichere Zahlung in Handels- und Dienstleistungsbetrieben. Die Karte wurde in das Terminal gesteckt/durch einen Leser gezogen, der zu zahlende Betrag wurde eingetippt und der Code eingegeben. Diese Terminals ermöglichten nicht nur eine digitalisierte Autorisierung, sondern auch eine digitalisierte Abwicklung. Die Daten werden im POS-Terminal erfasst, zum Processing-Center des Acquirers geroutet, dort verarbeitet und an die Processing Centers der Issuer weitergeleitet. In der Folge wurden die Transaktionsbeträge den Karteninhabern auf dem Kreditkarten- bzw. Girokonto angelastet.

Durch die Nutzung von Geldausgabeautomaten wurde die Bargeldversorgung der Bevölkerung und durch den Einsatz von POS-Terminals die Zahlung in Handels- und Dienstleistungsunternehmen vollständig digitalisiert. Vom Karteneinsatz am Geldausgabeautomaten oder am POS-Terminal bis zur Anlastung/Abbuchung war alles digitalisiert.

Ab der Jahrtausendwende wurde nicht zuletzt wegen der zunehmenden Kartenkriminalität der Umstieg von der in die Jahre gekommenen Magnetstreifentechnologie auf die moderne Chiptechnologie in die Wege geleitet. Dieser Umstieg dauerte allein in Europa mehr als ein Jahrzehnt und ist bis heute weltweit noch nicht komplett abgeschlossen. Die meisten Karten sind heute Hybrid-Karten, die sowohl den Chip als auch den Magnetstreifen aufweisen. Die Chiptechnologie hat nicht nur zusätzliche Features auf der Karte ermöglicht und die Kartenkriminalität massiv erschwert, wenn nicht gar verunmöglicht, sondern hat auch eine neue Qualität der Digitalisierung mit sich gebracht.

4. Der Status der Digitalisierung im Kartengeschäft#

Der mit der Internet-Nutzung einhergehende E-Commerce setzte von Anbeginn stark auf digitale Kreditkartenzahlung. Das war von Anfang ein von den E-Commerce-Händlern angewandtes unsicheres Verfahren. Es galt lediglich Kontonummer, Ablaufdatum und CVC [5] anzugeben. Durch innovative Sicherheitsverfahren der Kreditkarten-Systembetreiber (3D-Secure, Tokenization, Wallets, etc.) wurde die Kreditkarte zur weltweit beliebtesten Zahlungsform im E-Commerce.

Die Finalisierung der „end-to-end digitalization“ brachte das Internet-Banking: jeder Karteninhaber konnte seine Kartenabrechnungen online bekommen. Das Papier hatte sowohl was die Kontoauszüge betrifft, wo die Debitkarten-Transaktionen aufscheinen, als auch was die Kreditkarten-Abrechnungen betrifft, ausgedient. Vom POS-Terminal/Geldautomat bis zum Karteninhaber gibt es kein Papier mehr, die Digitalisierung des Kartengeschäfts ist komplett.

Weitere digitale Fortschritte im Karten-Geschäftsmodell brachte ein auf der RFID-Technologie aufbauender NFC-Chip samt einem Nicht-Autorisierungs-Modell bei Kleinbeträgen. Damit ist das Zahlen am POS noch einfacher, noch schneller und noch bequemer geworden. War der NFC-Chip vorerst nur auf der Karte vorhanden, ist er mittlerweile auch auf anderen Tools wie einer Uhr, einem Armband, einem Ring, einem Sticker und vor allem auf dem Smartphone verfügbar. Damit wurde die digitale Transaktionsbasis massiv verbreitert und ein weiterer Fortschritt des bargeldlosen Zahlens in die Wege geleitet.

Mit dem Internet of Things, wo auch im privaten Haushalt Maschinen selbsttätig Bestellungen aufgeben und damit eine Art von Abo-Zahlung – natürlich auf Kartenbasis – Platz greifen wird, werden weitere Schritte zur Digitalisierung gesetzt werden. So gesehen wird die Digitalisierung nie abgeschlossen sein.

Wenngleich das Kartengeschäft mittlerweile zu 100 % digitalisiert ist – auch Kartenanträge und Akzeptanzverträge können schon elektronisch abgeschlossen werden – steht auch das digitalisierte Kartengeschäft der Banken sich mit alternativen Produkten und Prozessen konfrontiert. Doch angesichts der Tatsache, dass das Kartengeschäft einerseits weltweit angelegt ist und es sich andererseits im Umfeld eines Two-sided Markets bewegt, ist es für Herausforderer mit alternativen Verfahren schwierig, einen Durchbruch zu erzielen. In jedem Fall gilt für das Kartengeschäft der Zukunft, ein schlankes Processing zu etablieren, das alle Digitalisierungschancen wahrnimmt, um sowohl die Kundenzufriedenheit als auch die Kostensituation zu verbessern.

5. Resümee#

Die Digitalisierung, die im Kartengeschäft mittlerweile zu 100 % realisiert ist, war kein Tun von heute auf morgen, sondern ein Veränderungsprozess, der sich über Jahrzehnte gezogen hat und einerseits mit erheblichen Errichtungskosten sowie andererseits mit Kundenvorteilen beim Karteneinsatz und Kostenvorteilen bei der Abwicklung verbunden waren. Es hat sich auch gezeigt, dass der Prozess der Digitalisierung ein kontinuierlicher ist und jede im Kartengeschäft tätige Bank dies nicht vernachlässigen darf.

Fußnoten#

[1] Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor der Wirtschaftsuniversität Wien, ewald.judt@wu.ac.at
[2] „General Purpose Credit Cards“: Das war eine sog. „Dreiparteienkarte“ mit Kartengesellschaft, Karteninhaber und Kartenakzeptant. Heute sind die „Universalkreditkarten“ vorwiegend „Vierparteienkarten“ mit Issuer (kartenausgebende Bank), Karteninhaber, Kartenakzeptant und Acquirer (händlerabrechnende Bank).
[3] Proprietary Credit Cards“: Diese sog. „Zweiparteienkarten“ werden z.B. von Handelsketten oder Mineralölkonzernen ausgegeben, sollen die Zahlung und ggf. Kreditkäufe erleichtern und zur Kundenloyalität beitragen
[4] Stefan Fritz zeigt auf, dass die Anfänge der Digitalisierung im Beginn der Kybernetik in Form von Mensch-Maschine-Regelkreisen liegen. Fritz, St., Spannende Zeitreise durch 70 Jahre Digitalisierung, Linkedin 18. November 2017
[5] CVC (Card Verification Code) = eine vierstellige Zahl, die sich auf der Rückseite einer Kreditkarte befindet

Weiterführendes#