Felder, Cajetan Freiherr von#
* 19. 9. 1814, Wien
† 30. 11. 1894, Wien
Rechtsanwalt, liberaler Politiker und Bürgermeister von Wien
Vollwaise seit 1826. Er übersiedelte nach dem Besuch des Stiftsgymnasiums Seitenstetten 1832 nach Wien, wo er ab 1834 an der Universität Wien Jus studierte. 1841 promovierte er und wurde 1845 beeideter Gerichtsdolmetsch, da er sieben Sprachen perfekt beherrschte und sich in weiteren sechs (darunter auch Persisch, Türkisch und Arabisch) gut verständigen konnte.
Im Oktober 1848 Wiener Gemeinderat, zog er sich aus Protest gegen die politischen Entwicklung 1850 aus jeder öffentlichen Tätigkeit zurück und arbeitete ausschließlich in seiner eigenen Anwaltskanzlei.
1861 war er Mitglied des frei gewählten Wiener Gemeinderats, wurde noch im selben Jahr zweiter und am 21. 10. 1864 zum ersten Bürgermeister-Stellvertreter gewählt. Nach dem Tod des Großindustriellen Anton Dreher übte er 1863-70 die Vormundschaft über dessen Erbe aus und wurde dadurch Leiter des Schwechater Brauerebetriebes.
Am 20. 2. 1868 wurde er zum Bürgermeister von Wien gewählt, wurde bei den Wiederwahlen 1871, 1874 und 1877 in seinem Amt bestätigt. Seiner Umsicht und Agilität ist es zuzuschreiben, dass während seiner zehnjährigen Amtsperiode wesentliche Einrichtungen der Stadt Wien verwirklicht wurden: der Bau der ersten Wiener Hochquellenwasserleitung (1873), die Donauregulierung, die Grundsteinlegung des Neuen Rathauses am Ring, der Zentralfriedhofs (1874 eröffnet), das Epidemiespital, die Rotunde (Weltausstellungsgebäude), die Zentralmarkthallen sowie seine Magistratsreform.
Die auf seine Initiative hin entstandene liberale Mittelpartei wurde im Wiener Rathaus tonangebend. Wegen einer Verfahrensfrage von Dr. Karl Lueger arg bedrängt trat er am 5. 7. 1878 von seinem Amt zurück.
Seit 1869 ist er Mitglied des Herrenhauses , war seither auch stellvertretender und ab 1880 Landmarschall von Niederösterreich. Aus Krankheitsgründen legte er dieses Amt 1884 zurück und diktierte die "Erinnerungen eines Bürgermeisters". Da Felder durch seine umfassenden Sprachkenntnisse bei der Wiener Weltausstellung 1873 fast alle prominenten Gäste in deren Landessprache begrüßen konnte, erhielt er den ehrenden Beinamen "polyglotter Bürgermeister".
Außerdem beschäftigte er sich nebenbei als Naturforscher (Entomologe) und besaß eine weltbekannte Sammlung von Käfern und Schmetterlingen, die heute den Grundstock der Sammlung des englischen Tring-Museums in London darstellt. In Anerkennung dieser Tätigkeit wurde er 1870 wirkliches Mitglied der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien. Seine umfangreiche Portraitsammlung (über 50 000 Blätter) wurde nach seinem Tod auf Auktionen versteigert.
Werke (Auswahl)#
- Erinnerungen eines Wiener Bürgermeisters, herausgegeben von F. Czeike, 1964
Literatur#
- F. Czeike, Wien und seine Bürgermeister, 1974
- Das große Buch der Österreicher – 4500 Personendarstellungen in Wort und Bild (1987), ed. W. Kleindel & H. Veigl, Verlag Kremayr & Scheriau, Wien, 615 S.
Weiterführendes#
In vieler Hinsicht - nicht nur kommunalpolitisch - ein Genie. Die Weltausstellung 1873 geriet ihm allerdings zum totalen Finanzierungsdebakel. Hg
-- Glaubauf Karl, Freitag, 1. April 2011, 11:02
Weiterführendes
- Die Kaiserstadt Wien zwischen 1880 und 1890. Von Newald bis Lueger (Essay von Zentner E.) Auch als NID Buch
-- Lanz Ernst, Freitag, 8. September 2023, 10:39
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