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Die teure Parteiendemokratie #

Österreich hat eine der weltweit teuersten Parteiendemokratien. Hauptgeldgeber der Parteien ist der Staat. Trotzdem sind den österreichischen Parteien Finanzierungspraktiken erlaubt, die in vielen anderen Staaten verboten wären. Zeit für eine neue Balance von Ansprüchen und Pflichten.#

Von

Hubert Sickinger


Eigentlich ist es erstaunlich: Seit 2000 gab es kein Jahr, in dem nicht illegitime oder jedenfalls heimliche Finanzierungspraktiken von Parteien oder Politikern in die Schlagzeilen geraten wären. Zu bestimmten Anlässen - dann, wenn es um konkurrierende Parteien geht - finden Repräsentanten jeder Partei immer wieder richtige Worte. Dennoch lässt eine Reform des Regelungssystems der Parteienfinanzierung weiter auf sich warten. Das aktuellste Beispiel: In den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts war zumindest der Tatsache nach allgemein bekannt, dass die SPÖ Spenden aus dem Bereich der Gewerkschaften und des Konsumverbandes bekam, während die ÖVP maßgeblich von Spenden der Industriellenvereinigung und von diversen Unternehmen profitierte (die Parteien warfen sich das wechselseitig häufig vor). Dass Zahlungen oft nicht „in cash", sondern über fiktive oder überbezahlte Aufträge an parteieigene Unternehmen (wie Verlage, Zeitungen und Werbefirmen) liefen, kann für Kenner der Materie keine Überraschung gewesen sein. Die decouvrierenden Briefe von Flöttl senior an den ÖGB-Präsidenten, geschrieben 1989 offenbar zur Abwehr weiterer finanzieller Begehrlichkeiten, erlauben heute den finanziellen Wert derartiger Transaktionen besser zu beziffern. Überparteiliche Interessenvertretungen wie der ÖGB sollen natürlich keine Parteien finanzieren. Aber diese Parteienfinanzierungen heute zum Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses machen zu wollen, verrät Unkenntnis der Verfassung: Parlamentarische Untersuchungsausschüsse können nur die Vollziehung des Bundes untersuchen. Der Staat hat aber in Österreich keine Kontrollfunktion für die Parteienfinanzierung, diese wäre erst zu schaffen. Sofern keine plausibel begründbare Auswirkung von Parteispenden auf staatliches Handeln (etwa auf Auftragsvergaben) vorliegt, handelt es sich somit nicht um einen zulässigen parlamentarischen Untersuchungsgegenstand - auch wenn im konkreten Fall zweifellos politisch untersuchenswürdig wäre, wie lange derartige Finanzierungspraktiken auch später noch fortgesetzt wurden.

Die Steuerzahler als Parteienfinanciers

SPÖÖVPFPÖGrüneBZÖ
Mitgliedsbeiträge141810,10,2
Parteisteuern8-98-920,50,5
Wirtschaftskammern2,38,41,60,8
AK3,51,40.30,3
ÖGB41,40,10,10
Staat: Bund13,112,9663,4
Pari. Mitarbeiter2,62,50,80,80,3
Staat: Länder44419,412,23
Gemeinden1010221
Gesamt10210523238
Zuzüglich:<10>10?minimal?

Tabelle 1: Die Einnahmen der österreichischen Parteien, 2007

Angesichts der tagespolitischen Aufregung über fragwürdige Finanzierungen ist allerdings ein Blick auf das Gesamtsystem der Parteienfinanzierung angebracht. Die Tabelle 1 gibt einen Überblick über die wichtigsten Einnahmen der Parteien als Gesamtorganisationen. Diese ergibt ein deutlich unspektakuläres (wenngleich für die Steuerzahler eher unerfreuliches) Bild. Im Wesentlichen ist nämlich der Staat der mit Abstand wichtigste Financier der Parteien. Für die Finanzierung der Parteien, ihrer Schulungseinrichtungen und ihrer Parlamentsklubs können die aktuellen Zahlen für die Bundes- und Landesebene ziemlich exakt beziffert werden: Diese betragen insgesamt fast 160 Mio. Euro, fast 26 Euro pro Wahlberechtigtem und Jahr - siehe Tabelle auf Seite 30. Für die Gemeindeebene (wo ebenfalls, meist aufgrund landesweiter Vereinbarungen der Parteigeschäftsführer, fast lückenlos Subventionen an die Parteien ausbezahlt werden) ist lediglich eine Schätzung möglich - die aber kaum unter 25 Mio. Euro liegen kann. Alle drei Ebenen (Bund, Länder, Gemeinden) zusammen ergeben somit eine staatliche Parteien- und Klubfinanzierung von zumindest 185 Mio. Euro oder rund 30 Euro pro Wahlberechtigtem. Indirekt ist der Staat natürlich auch über die Bezüge der Politiker Gönner der Parteien. Auf diese Problematik wurde bereits in Heft 6-2007 der ACADEMIA eingegangen, auch die aktuelle Höhe der Politikerbezüge (die im europäischen Vergleich sicher im obersten Drittel zu finden sind) wurde dort bereits dokumentiert. Einerseits ermöglicht diese Bezahlung von Mandataren die Ausübung von Politik als Hauptberuf, und bei manchen Ämtern (etwa den Bundesräten) dürfte dies die Hauptfunktion darstellen. Darüber hinaus schneiden die Parteien und Parlamentsklubs aber auch direkt an den Politikerbezügen mit - Stichworte „Parteisteuer", „Klubabgabe", Eigenbeteiligung am Wahlkampf. Da diese Parteiabgaben den Abgeordneten, die ja in Wirklichkeit in eigener Sache die Bezüge festgelegt haben, natürlich bekannt waren, wurden sie in die aktuelle Höhe der Politiker zweifellos „eingebaut", diese sind daher etwa auf Bundesebene de facto um 15-20 Prozent überhöht. Eigentlich wäre auch das beamtete Personal, das den Parlamentsklubs zur Verfügung gestellt wird oder in den Ministerkabinetten in Wirklichkeit Parteiarbeit leistet, ebenfalls hier anzuführen. Quantifizierbar ist der Betrag nur bei den parlamentarischen Mitarbeitern der Abgeordneten. Zuwendungen der Sozialpartnerverbände (also des ÖGB und der Kammern) werden, soweit dies bekannt ist, heute durchwegs nur indirekt an die internen Fraktionen geleistet. Diese sind allerdings in der Praxis formell (bei der ÖVP die Bünde) oder faktisch (bei den SPÖ-Gewerkschaftern) ebenfalls Teilorgani- sationen von Parteien. Diese Praxis der Fraktionsfinanzierung erlaubt auch Transfers an die Mutterparteien (wie dies 2006 im Wahlkampf der SPÖ-Gewerkschaftsfraktion vorgeworfen wurde) oder ermöglicht es wohlhabenden Organisationen (wie dem Wirtschaftsbund), Ausgaben für Parlamentswahlkämpfe eigener Kandidaten eben formell aus Mitgliedsbeiträgen oder Spenden zu bezahlen. Nur über Kammersubventionen der Bauernkammern ist wenig bekannt (wohl auch deshalb, weil der dort dominierende Bauernbund bereits über seine hohe Mitgliederdichte und die Nähe zu Raiffeisen finanziell sicher gut aufgestellt ist). Zuletzt - in der Tabelle 1 - sind auch die Beiträge der Mitglieder zu nennen. Bei der ÖVP ist diese aufgrund der bündischen Struktur schwer zu schätzen oder hochzurechnen, und auch nicht direkt mit den anderen Parteien vergleichbar (bei der SPÖ sind etwa die Mitglieder der Pensionistenorganisation nicht automatisch auch Parteimitglieder). Klar ist nur: von den Beiträgen der Mitglieder kann keine Partei leben, dies wäre eine Illusion. Nicht erfasst ist von diesem finanziellen Gesamtbild vor allem der - in manchen Fällen durchaus korruptionssensible - Bereich von Großspenden an Parteien und an Politiker, oft auch über Kostenübernahmen, über „gemeinsame Projekte" (etwa Veranstaltungen), überbezahlte Aufträge an Parteiunternehmen oder Finanzierungen und Aktivitäten, die über parteinahe Vereine laufen. Spektakulärstes Beispiel war in jüngerer Zeit wohl die Finanzierung eines amtierenden Finanzministers durch die Industriellenvereinigung. Sicher ist, dass österreichische Parteien in Summe hier zweistellige Millionenbeträge generieren können. Ebenso wie es eine Mystifikation wäre, sich Parteien als einheitliche, durchgängig zentral von oben nach unten politisch steuerbare Gebilde anzusehen, bedeutet dieses finanzielle Gesamtbild natürlich nicht, dass diese Mittel zentral verfügbar sind. Parteien sind in Bundes-, Landes- und Bezirksorganisationen, die Großparteien weiter in tausende Ortsorganisationen, in Parlaments- und Landtagsklubs und Gemeinderatsfraktionen, in Teilorganisationen, nicht zu vergessen die bundesweiten Parteiakademien, gegliedert-und last but not least wird wohl auch einiges Geld für die individuellen Konten von Politikern gesammelt, die beispielsweise für den nächsten Vorzugsstimmenwahlkampf Geld sammeln wollen.

Licht ins Dunkel

ParteienKlubsGesamtGesamt in
(in Mio. €)(in Mio. €)(in Mio. €)Euro/WB
26,8415,5542,386,9
Länder
Bgld1,861,623,4814,4
Ktn6,291,267,5617,8
13,724,117,8213,6
19,851,1220,9820,6
Sbg4,691,716,4117,5
Stmk14,242,8417,0818,4
Tir5,521,056,5713,6
Vlbg2,590,763,3513,8
Wien26,84632,8428,8
Länder95,6120,47116,0817,6 (0)
19,0 (pro Wahlb)
Gesamt122,4536,01158,4625,9

Tabelle 2: Staatliche Parteien- und Klubförderung 2008

Obwohl letztlich der Großteil der Gelder vom Staat stammt, ist das Finanzsystem der Parteien keineswegs transparent. Auf dem Papier existiert laut Parteiengesetz zwar eine öffentliche Rechenschaftspflicht, die in der Praxis seltsamerweise nur auf die Bundesparteiorganisationen angewandt wird (was bei der SPÖ nur ein Fünftel, bei der ÖVP nur ein Siebtel des hier errechneten Gesamtvolumens ohne Spenden erfasst). Über einzelne Großspender erfährt die Öffentlichkeit auf Basis dieser Regelungen nichts (es sind lediglich Spenden über 7.260 Euro nach vier Kategorien aufsummiert anzuführen). Die Rechenschaftspflicht wird nur durch von den Parteien selbst nominierte Steuerberater überprüft - und es gibt selbst bei nachweislichen Verstößen keine Sanktionen für die Partei. Das mag vor einem Vierteljahrhundert bei der Regelung der Parteienfinanzierung der damals international anzutreffende Standard gewesen sein. Was heute internationaler Standard ist, hat 2003 der Europarat formuliert. Die hier einschlägigen Empfehlungen können als eine Blaupause für die nötige Neuregelung der österreichischen Politikfinanzierung herangezogen werden:
• Die Staaten sollen genaue Regelungen erlassen, welche Spenden an Parteien, Kandidaten und Mandatare grundsätzlich erlaubt sind und welche nicht; sowie die verpflichtende Offenlegung aller Spenden ab einem bestimmten Gesamtwert;
• Diese Regelungen sollen auch für Organisationen (entities) gelten, die direkt oder indirekt mit einer Partei verbunden sind oder unter ihrer Kontrolle stehen.
• Die Parteien sollen verpflichtet werden, jährlich konsolidierte Bilanzen (unter Einschluss der von ihr kontrollierten UnternehmenA'erbände) samt Ausweis von Spenden zu veröffentlichen;
• All diese Verpflichtungen sollen von unabhängigen Behörden überprüft und Verstöße wirksam sanktioniert werden.
• Und ein letzter, besonders wichtiger Punkt: Weil im vergangenen Jahrzehnt die Wahlkampfkosten geradezu explodiert sind und andererseits die staatlichen Parteisubventionen ein international einzigartig hohes Ausmaß erreicht haben, ist wohl auch dringend eine Begrenzung von Wahlkampfausgaben anzumahnen. Denn ohne deren Begrenzung werden die Parteien zum Fass ohne Boden.
Bei dieser Gelegenheit könnte zugleich auch eine angemessene Regelung für Abgeordnetenbestechung ins Strafgesetzbuch aufgenommen werden, der sich die Abgeordneten im Vorjahr anlässlich einer Neuregelung des Korruptionsstrafrechts so beharrlich verweigert haben. Aus Angst, dass es doch Finanzierungen gibt, die dann strafbar sein würden?


Quelle: Academia, Mai 2008

Zum Verfasser: Hubert Sickinger, Mag. Dr. phil. und Mag. Dr. jur., arbeitet als Politikwissenschafter am Institut für Konfliktforschung in Wien, http://www.hubertsickinger.com.

Das Austria-Forum dankt der Academia für die zur Verfügungstellung dieses Beitrags.


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