Die Villa Tugendhat in Brünn/Brno #
Brünn, die Hauptstadt von Mähren, ist vor allem im Bereich der Wissenschaft, Musik und Kunst eine feste Größe der Kulturgeschichte. Hier war Johann Gregor Mendel, der Entdecker der Erbgesetze, als Abt des Augustinerklosters von Alt Brünn tätig. Vor 100 Jahren wurde hier eine neuartige Wasserturbine erfunden, die bis heute den Namen ihres Erfinders trägt - Viktor Kaplan. In Brünn lebte und lernte der Genius der Musik des 20. Jahrhunderts Leoš Janáček und schuf seine größten Werke. Zu den Bürgern der Stadt Brünn gehört Adolf Loos - international einer der Protagonisten moderner Architektur - und gerade moderne Architektur gehört zu den charakteristischen Merkmalen der Stadt.
Brünn zwischen beiden Weltkriegen - der Funktionalismus steht dafür geradezu als Symbol. Damals entstand hier ein außergewöhnliches Ensemble von Bauten, einige davon sind inzwischen in den Lehrbüchern moderner Architektur vertreten. Zumindest ein Bau ist immer vertreten. Das Ehepaar Grete und Fritz Tugendhat ließ sich ihr Familienhaus nach dem Entwurf von Ludwig Mies van der Rohe in den Jahren 1929-1930 erbauen. Dank der neuartigen Baukonstruktion, der Raumgestaltung und technischen Vollkommenheit und der Verbindung mit der umgebenden Natur ist das Haus berühmt als einer der international wichtigsten Bauten. Dieses außer-gewöhnliche Werk eines der größten Architekten des 20. Jahrhunderts ist nun mehr als 80 Jahre alt, und war in dieser Zeit sowohl bautechnisch als auch gesellschaftlich-politisch komplizierten Entwicklungen ausgesetzt.
Das Schicksal und auch Missgeschick des Hauses Tugendhat und seiner Bauherren entspricht in den Hauptzügen dem geschichtlichen Bild Europas und der Tschechoslowakei nach dem Ausbruch des 2. Weltkrieges. Die Ereignisse haben Besitzer und Bewohner des Hauses zur Emigration gezwungen - eine Emigration, aus der nach dem Februar 1948 keine Heimkehr möglich war. Das Haus selbst diente zunächst als Tanzschule, dann von 1950-1980 als Rehabilitationszentrum der Kinderkrankenhauses. In Jahr 1980 übertrug der Staat das Haus in das Eigentum der Stadt Brünn. Kurz danach unterzog man das Haus einer gründlichen Instandsetzung. Diese Instandsetzung hat das Haus zwar gerettet, doch es war nach wie vor nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. Erst nach dem November 1989 fand der 1969 geäußerte Wunsch von Grete Tugendhat - das Haus Tugendhat der Öffentlichkeit zugänglich zu machen - seine Erfüllung. Das Haus Tugendhat ist heute ein Kulturgut, das die ganze Welt bewundert. Seine Berühmtheit hat das Haus auch in der jüngsten Geschichte des Staates nicht verloren. Im Sommer 1992 verliefen hier die politische Verhandlungen, die zur Teilung der Tschechoslowakei geführt haben, hier wurde auch der abschließende Teilungsvertrag unterschrieben. Seit 1994 befindet sich das Haus in der Verwaltung des Museums der Stadt Brünn und ist als Denkmal moderner Architektur und Einrichtung für die breite Öffentlichkeit zugänglich. Ein Jahr später wurde das Haus Tugendhat zum Nationaldenkmal erklärt, 2001 wurde es in die UNESCO-Liste des Welterbes der Kultur eingetragen.In Januar 2010 begann die anspruchsvolle Instandsetzung und Restaurierung des Hauses. In Kooperation mit der Stadt Brünn und der Familie Tugendhat wurden die Arbeiten nach zwei Jahren erfolgreich beendet. Das Haus lädt seine Gäste ein. Sie dürfen nicht nur die wirkungsvolle Symbiose der offenen Wohnräume mit der Natur erleben, sondern sie bekommen auch die Chance, die Vorstellungen des Architekten und der Bauherren über Freiheit, die ihnen so wichtig war, zu begreifen. Und der Blick von der oberen Terrasse auf eine der schönsten Ansichten des Stadtpanoramas lädt wieder auch zu einem Stadtbesuch von Brünn ein - einem multikulturellen Ort im Herzen Mitteleuropas.
Quellen#
- Bc. Roman Onderka, MBA, Oberbürgermeister der Statutarstadt Brünn im Vorwort des Katalogs
- http://www.gotobrno.cz/de/villa-tugendhat
- http://www.cztip.eu/bruenn-funktionalistische-villa-tugendhat
Die Fotos: P. Diem
Andere interessante NID Beiträge