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Die Österreichische Widerstandsbewegung (Stand 1950)#

Widerstand: Hinrichtung von K. Biedermann (mit A. Huth und R. Raschke) am 8. April 1945 in Wien-Floridsdorf, Am Spitz., © Presseamt der Niederösterreichischen Landesregierung, Wien (heute Niederösterreichischer Landespressedienst, St. Pölten).
Widerstand: Hinrichtung von K. Biedermann (mit A. Huth und R. Raschke) am 8. April 1945 in Wien-Floridsdorf, Am Spitz.
© Presseamt der Niederösterreichischen Landesregierung, Wien (heute Niederösterreichischer Landespressedienst, St. Pölten).

Der kampflose Untergang Österreichs mit dem Anschluss an Deutschland am 13. 3. 1938, die totale nationalsozialistische Machtergreifung, die sofortigen und umfassenden Verfolgungsmaßnahmen, die beispiellose Propagandakampagne sowie verschiedene anschlussfreundliche Erklärungen österreichischer Institutionen und Persönlichkeiten (vor allem die der österreichischen Bischöfe und ein Zeitungsinterview von K. Renner) führten dazu, dass eine breitere Formierung von illegalen Organisationen gegen den Nationalsozialismus erst im Sommer und Herbst 1938 begann. Im Unterschied zu anderen besetzten Ländern hatten in Österreich die Widerstandskämpfer in einer von Denunzianten und fanatischen Regimeanhängern durchsetzten Umwelt zu wirken. Die größten organisierten Gruppierungen gehörten der Arbeiterbewegung (hauptsächlich in den Industriezentren in Oberösterreich) und dem katholisch-bürgerlichen Lager an. Innerhalb dieser beiden Lager verflossen im Widerstand die Grenzen zwischen Sozialdemokraten, Kommunisten und anderen Linksgruppen einerseits und ehemaligen Christlichsozialen und Heimwehrangehörigen sowie Monarchisten und Katholiken andererseits.

Die einzelnen Widerstandsgruppen waren von politischen, ideologischen, religiösen, sozialen, ethischen und österreichisch-patriotischen Motivationen geprägt. Wesentlichste Aktivität war die Verbreitung illegaler Druckwerke, wie Streuzettel, Flugblätter und Zeitschriften. Damit sollte das Meinungsmonopol des NS-Regimes durchbrochen werden. Die (in Österreich schon ab 1935/36) verbotene Glaubensgemeinschaft "Internationale Bibelforschervereinigung" (Jehovas Zeugen) stellte die Ablehnung des Wehrdiensts in den Mittelpunkt ihres Widerstands. Ab 1942 bildeten sich, meist auf Initiative von Kommunisten, bewaffnete Widerstandsgruppen (vor allem slowenische Partisanen in Südkärnten, Gruppe Leoben-Donawitz). Gegen Ende des Kriegs formierten sich vielfach überparteiliche Widerstandsgruppen, deren Aktivisten aus verschiedenen politischen und sozialen Lagern stammten; sie wollten unter anderem sinnlose, verlustreiche Kämpfe verhindern. Die größte dieser Widerstandsgruppen war die Gruppe 05, die mit der militärischen Widerstandsgruppe im Wehrkreiskommando XVII in Wien (unter der Leitung von Oberst d.G. Heinrich Kodré und Major Carl Szokoll) in Verbindung stand (Karl Biedermann, Alfred Huth, Rudolf Raschke). Die Tiroler Widerstandsbewegung unter Karl Gruber konnte die Stadt Innsbruck noch vor dem Eintreffen der ersten US-Truppen befreien. Der nicht organisierte Widerstand bzw. das Oppositionsverhalten von einzelnen reichte von antinazistischer Haltung und defätistischen Äußerungen über das verbotene Abhören ausländischer Sender bis hin zur Sabotage und zur Hilfeleistung für Verfolgte (Juden, Fremdarbeiter, Kriegsgefangene und andere). Etwa 2700 Österreicher wurden als aktive Widerstandskämpfer zum Tod verurteilt und hingerichtet, und zirka 32.000 Österreicher (Widerstandskämpfer und Opfer präventiver Verfolgung) starben in Konzentrationslagern und Gefängnissen, insbesondere der Gestapo. Geschätzte 15.000 Österreicher kamen als alliierte Soldaten, als Partisanen oder im europäischen Widerstand um. Rund 100.000 Österreicher waren aus politischen Gründen inhaftiert.

Geheimes Erkennungszeichen der Widerstandsgruppe 05 am Wiener Stephansdom., © Christian Brandstätter Verlag, Wien.
Geheimes Erkennungszeichen der Widerstandsgruppe 05 am Wiener Stephansdom.
© Christian Brandstätter Verlag, Wien.

Zwar erfolgte die Befreiung Österreichs vom NS-Regime ausschließlich durch die Streitkräfte der Alliierten im Zweiten Weltkrieg, doch diente der Widerstandskampf der politisch - moralischen Rehabilitierung Österreichs und war im Hinblick auf den in der Moskauer Deklaration der Alliierten (1. 11. 1943) von den Österreichern geforderten eigenen Beitrag zu ihrer Befreiung von eminentem politischem Wert. Das in Widerstand, Verfolgung und Emigration gewachsene Bekenntnis zu Österreich, zur staatlichen Unabhängigkeit und nationalen Eigenständigkeit, wurde zu einer der wesentlichen geistig-politischen Grundlagen der Zweiten Republik.

Weiterführendes#

Literatur#

  • R. Luža, Der Widerstand in Österreich 1938-45, Wien 1985
  • W. Neugebauer, Widerstand und Opposition, in: E. Talos und andere (Hg.), NS-Herrschaft in Österreich 1938-45, 1988
  • S. Ganglmair, Widerstand und Verfolgung in Österreich 1938-1945, 1988; Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.), Widerstand und Verfolgung 1934-45 in österreichischen Bundesländern (Reihe, bisher erschienen: Wien, Burgenland, Oberösterreich, Tirol, Niederösterreich, Salzburg)
  • Wolfgang Neugebauer: Der österreichische Widerstand

Die Österreichische Widerstandsbewegung #

Aus: Ernst Josef Görlich, Handbuch des Österreichers, Wien, 1949

Der Widerstand Österreichs gegen den Nationalsozialismus zerfällt in die zwei Perioden von 1933 —1938 und 1938—1945. Die Geschichte der ersten Zeit, die durch die Namen Dr. Engelbert Dollfuß (ermordet während der nationalsozialistischen Erhebung am 25. Juli 1934) und Dr. Kurt Schuschnigg gekennzeichnet ist, steht noch heute im Mittelpunkt der Diskussion und wird je nach der Stellung des Beurteilers verschieden gesehen. Einig ist man sich nur darüber, dass der innenpolitische Kampf ein tragisches Verhängnis war, das die Widerstandskräfte Österreichs entscheidend lähmte. Diese innenpolitische Auseinandersetzung, die ihren äußerlich sichtbaren Ausdruck in den blutigen Februarkämpfen von 1934 hatte, erfolgte im Angesicht einer außenpolitischen Entwicklung, die faschistische und autoritäre Regierungssysteme in ganz Europa zu begünstigen schien. So wurde „der Abwehrkampf Österreichs gegen die nationalsozialistische Agitation im Innern, gegen das Dritte Reich auf dem Gebiet der auswärtigen Politik . . . das unmittelbare Vorspiel zum Zweiten Weltkrieg“ (Hans Huebmer: „Österreich 1933—1938, der Abwehrkampf eines Volkes“, Wien, 1949, S. 3). Denn „Österreich war der erste Staat, der von der in Europa allmächtig gewordenen Achse überrannt wurde; ihm folgte die Tschechoslowakei, Albanien, Polen, Dänemark, Norwegen, Holland, Belgien, Luxemburg, selbst der französische Großstaat, Rumänien, Ungarn, Bulgarien, Jugoslawien, Griechenland. Erst an dem Riesenblock der Sowjetunion und den Machtmitteln des Britischen Reiches und der USA. hat sich die Welle gebrochen“ (Hans Huebmer, a.o.a.o. S. 184).

Die Geschichte der österreichischen Widerstandsbewegung der Jahre 1938—1945 ist noch nicht geschrieben worden. Auch wir können hier nur einzelne unzusammenhängende Angaben machen. Aber sie beweisen auch in dieser Form, dass es österreichische Frauen und Männer gegeben hat, die trotz Gewaltherrschaft und Terror entschlossen für die Wiederherstellung des Vaterlandes eintraten und be-reit waren, dafür auch ihr Leben zu opfern. In Österreich ging ja der Kampf nicht bloß um die Beseitigung einer aufgezwungenen Diktatur, sondern auch noch zusätzlich um die Freiheit und Unabhängigkeit des österreichischen Staates. In diesem Kampfe entstand eine „österreichische Schicksalsgemeinschaft“, die damals, wie Dr. Alfred Klaar, der selbst als Widerstandskämpfer fiel, erklärte, „in Österreich nunmehr erst recht den sozialistischen Arbeiter mit dem katholischen Bauern und Kleinbürger verbindet“.

Die österreichische Widerstandsbewegung trat in zwei Formen auf. Der passive Widerstand wurde von der überwiegenden Masse des österreichischen Volkes geleistet und stieg sprunghaft mit den Misserfolgen der nationalsozialistischen Kriegführung seit Stalingrad. „Die österreichischen Katholiken“ heißt es in einem diesbezüglichen Bericht „übten in ihrer Mehrzahl passiven Widerstand, das heißt sie traten der nationalsozialistischen Propaganda in Wort und Beispiel (wozu auch der regelmäßige Kirchenbesuch gehörte) entgegen, erfüllten ihre Berufspflichten in christlicher Haltung, verbreiteten die Rundfunknachrichten der Auslandsender (vor allem die katholische Sonntag-Mittagssendung aus London), stärkten sich durch Einkehrtage, Betgemeinschaften, Bibellesungen und andere regelmäßige religiöse Übungen in ihrer Glaubenskraft und bekannten sich überall als Katholiken. Dieser passive Widerstand, der oft gefährlich nahe an die drohenden Folgen eines aktiven Widerstandes heranführte, hat das ganze katholische Volk… vereinigt“. Freilich darf auch — wie der bekannte katholische Gelehrte aus St. Gabriel bei Wien P. Wilhelm Schmidt, SVD., in seinem Buch „Gegenwart und Zukunft des Abendlandes“ (Luzern, 1949, S. 203) feststellt, „die Tatsache nicht verschwiegen werden, dass auch unter den Katholiken bei einer Anzahl Intellektueller, besonders jüngerer Historiker und einem Teil des Jugendverbandes „Neuland“, eine Neigung zu den Anschluss- und anderen Plänen des Nationalsozialismus bestand, die sich in illegaler Mitarbeit schon vor der Invasion des Jahres 1938 kundgab und diese erleichterte. Es waren peinliche Überraschungen, als nach der Invasion diese Illegalen unter den Katholiken, die teilweise maßgebende Stellungen in der Katholischen Aktion einnahmen, aus ihrer Verborgenheit heraustraten und vielfach mit nazistischen Amtsfunktionen bekleidet erschienen.“ Doch „diese Gruppe“ gelangte „in der Gesamthaltung der österreichischen Katholiken nie zu maß-gebender, noch weniger zu dauernder Bedeutung. Sie konnte nur vorübergehend Verwirrung stiften. Die wachsende antinationalsozialistische Haltung (Stimmung) der österreichischen Bevölkerung — sie ging von Wien aus und erfasste schließlich sogar die alten nationalliberalen Hochburgen wie Graz, Scheibbs, Villach, Zell am See, Leoben, Vöcklabruck, Landeck usw. — wurde sicherlich durch die betont katholische Volkskreise des Landes gestärkt, unterstützt und verbreitert“ (P. Wilhelm Schmidt a o. a. o. S. 205).

Aber auch der aktive Widerstand begann schon unmittelbar nach dem Einmarsch am 12. März 1938. Am 24. April 1938 gründete der später hingerichtete Dr. Jakob Kastelic eine Widerstandsgruppe und im selben Jahre noch bildete sich unter Führung des Klosterneuburger Chorherrn Roman Scholz die „Österreichische Freiheitsbewegung“ (ÖFB.). Ihr gehörten als besonders tätige Mitglieder Georg Heintschel-Heinegg, Kaplan Kühmayer und Gerhard Fischer-Ledenice an. Eine dritte Gruppe war der „Österreichische Kampfbund“, dessen Tätigkeit in erster Linie auf Offiziere und Mannschaften österreichischer Herkunft gerichtet war. Anfangs April 1939 erfolgte die Vereinigung dieser drei Widerstandsbewegungen; die Leitung des zivilen Sektors übernahm damals Georg Heintschel-Heinegg. Durch eine Unvorsichtigkeit wurde ein Spitzel in die Bewegung eingelassen und dieser verriet seine Beobachtungen. Am 23. Juli 1940 begannen die Verhaftungen, die sich über Wien, Nieder- und Oberösterreich erstreckten. Im Ganzen wurden ungefähr 130 Personen festgenommen, darunter 10 Priester (unter diesen 7 Zisterzienser vom Stift Wilhering). Eine Reihe von ihnen wurde zum Tode verurteilt. Während ihrer Arbeit für Österreich fielen auf diese Weise: am 10. Mai 1944 Scholz, Zimmerl, Lederer, Wallner, Miegel; am 2. August Kastelic; Mitte Juni Fischer-Ledenice und am 5. Dezember 1944 Heintschel-Heinegg. Dieser gründete mit mehreren Todesgefährten im Kerker den „Orden der Ritter vom Heiligen Geiste“. Es war „wohl das erste Mal in der Geschichte der Kirche und ihrer Orden, dass ein Orden von Todeskandidaten, zum Tode Verurteilter und in der Todeszelle gegründet wurde“ (P. Wilhelm Schmidt a. o. a. o. S. 303).

Zwei weitere Gruppen entstanden ebenfalls 1938: zur einen, die unter der Leitung von Heberer (einem Sohn des bekannten Medizinprofessors) stand, gehörte auch der 1949 in Chile ermordete Geschäftsträger Österreichs Hans Becker. Prälat Jakob Fried hielt mit dieser Gruppe die Verbindung aufrecht und wurde auch deshalb ins Gefängnis geworfen. Die zweite war vom Lehrer Karl Polly geführt und hatte sich die Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten zur Aufgabe gemacht. Es gelang ihr tatsächlich, die Verbindung zur „Österreichischen Kampffront“ und zu Dr. Karl Renner und General Körner herzustellen. Im Mai 1941 wurde dieser Kreis durch ein Spitzel verraten und die Mitglieder verhaftet. Einige von ihnen, darunter Oberst Meltzer und seine Frau, in deren Wohnung die Zusammenkünfte stattgefunden hatten, starben in der Haft. Das Jahr 1910 sah den Aufbau von neuen Widerstandszentren: katholische Akademiker unter Dr. Winckler gründeten die „Widerstandsgruppe Astra“ und in Innsbruck erstand am 1. Mai dieses Jahres die Hochschulverbindung „Alpinia“, die an der Befreiung Innsbrucks maßgebenden Anteil hatte. In Kärnten bildeten der Franziskaner P. Staudacher und der Weltpriester Dr. Krassigk einen Kreis, der mit den Slowenen und mit Wien die Verbindung aufnahm. Auch sie hatten im Ganzen sechs bis sieben Todesopfer zu beklagen. Von den linksgerichteten Widerstandsgruppen „Toni“ und „Gustl“ wurden gleichfalls eine Reihe hingerichtet: so Leo Gabler (1906—1943), Ferdinand Strasser (1901—1942), der bei der Verhandlung die Worte sprach: „Ich sterbe für die Freiheit meiner Heimat, aber über meinem Grabe werden sich die Österreicher die Hände reichen“, Sepp Toifl (aus Linz), Erwin Puschmann (1905—1943). Hedi Urach (gest 1941), Anton Reisinger (1903—1948), Hermann Köhler (1906—1945), Franz Sebek (1901—1943) und Franz Schuster (1904—1943).

Zu den „wenigen Nichtösterreichern, die ihren Einsatz für die Unabhängigkeit Österreichs mit dem Tode bezahlt haben" (P. Wilhelm Schmidt a. o. a. o. S. 129) gehört Wilhelm Emmanuel v. Ketteler, der mit der deutschen antinationalsozialistischen Widerstandsgruppe Nicolaus Christoph v. Halem in Verbindung stand und den Versuch machte, den Einmarsch Hitlers in Österreich zu verhindern. Als er sich verraten sah, floh Ketteler, der Attaché der deutschen Botschaft in Wien war, mit dem Auto nach Ungarn. Seit dem 12. März 1938 galt er als vermisst. Sein Leichnam wurde Ende April 1938 ohne Zeichen von äußeren Verletzungen bei Hainburg aus der Donau gefischt. Ab Mai 1941 amtierte in Wien ein Österreichisches Operationsbüro mit Zweigstellen in Linz, Wels, Innsbruck, Graz und Klagenfurt. Die Hauptaufgabe dieser Zentralstelle war die Sicherung der einzelnen Widerstandsgruppen gegen die steigende Überwachung, Organisierung von „Untauglichmachung“ und „UK“-Stellung österreichischer Soldaten, Werksabotage, Zusammenarbeit mit den Widerstands- gruppen außerhalb Österreichs, Herstellung der Verbindung zu den Alliierten und Antikriegspropaganda. Seit Herbst 1942 führte das Büro den Namen „Zentralkomitee Österreich“. Der später hingerichtete Kaplan Dr. Maier leitete einen Ausschuss, der den Alliierten Nachrichten zukommen ließ. Eine andere Gruppe österreichischer Patrioten, PÖN. genannt, nahm die Verbindung mit den Westmächten auf, während weitere Gruppen über die Berge den Weg zu den kämpfenden Armeen Jugoslawiens fanden und im Rahmen der Tito-Truppen eine eigene österreichische Abteilung aufstellten, die aktiv an den Kämpfen teilnahm.

In den österreichischen Bundesländern arbeiteten die „Österreichische Freiheitsfront“ und das „Freie Österreich“. So operierte im oberösterreichischen Salzkammergut die Gruppe Sepp Plieseis, während im Ausseerland der spätere sozialistische Nationalrat Albrecht Gaiswinkler mit seinen Leuten u. a. den berühmten Genter Altar vor der Vernichtung durch die nationalsozialistischen Machthaber rettete. In Tirol war im Winter 1942 ein großer Teil der Gendarmerie bei österreichischen patriotischen Vereinigungen organisiert. Ganz besonders aktiv arbeitete auch der Wehrverband „Patria“, der 1910 durch den Medizinstudenten Wilhelm Bruckner- Forster gegründet worden war. Seine Tätigkeit erstreckte er vor allem über Vorarlberg und Südtirol. Hier ging er mit dem neuerrichteten „Andreas-Hofer- Bund“, dessen Leitung in den Händen von Dr. Volgger und Dr. Raffeiner lag, zusammen.

Die kämpfenden Freikorpsabteilungen hielten sich, von der Bevölkerung und vom Klerus allerorten unterstützt, im Tiroler Hochgebirge gegen die SS, die einige Male Versuche machte, sie zu vernichten. Als Opfer seines Eintretens starb der 18jährige Marius Tapunt aus Schlanders den Tod für die Freiheit seines Landes. Im April 1945 waren die Abteilungen der Tiroler Widerstandsgruppen bereits auf 6.000 Mann angewachsen. Die Polizeiregimenter „Brixen“ und „Alpenvorland“ wurden von ihnen gewonnen; auch Teile des Regimentes „Schlanders“ und 8 Kommandanten von Standschützenbataillonen gingen zu ihnen über. Die wichtigste Tat der „Patria“ und des „Andreas-Hofer-Bundes“ war die Befreiung eines Zuges von Gefangenen aus deutschen Konzentrationslagern, die im April 1945 nach Südtirol gebracht wurden.

Unter den auf diese Weise vor dem sicheren Tod Erretteten befanden sich eine große Anzahl „prominenter“ Häftlinge aus Österreich, Deutschland, Ungarn, England, Frankreich, Russland, der Tschechoslowakei, Griechenlands, Hollands und Dänemarks. Auch an den Vorbereitungen für den 20. Juli 1944 waren österreichische Stellen aktiv beteiligt. Der Leiter der Wiener Abwehrstelle Marogna- Redwitz (später im Zusammenhang mit den Ereignissen hingerichtet) ließ den verantwortlichen Männern der Wiener Widerstandsbewegung laufend Nachrichten über gegen sie geplante Aktionen zugehen. Innerhalb der Wehrmacht bildeten sich im Winter 1943—1944 zwei Gruppen, von denen das „Österreichische Nationalkomitee“ unter der Luftwaffe arbeitete. Am 20. Juli selbst stand ein „Panzertankregiment … bereit zum Marsch auf Wien. Auf das Passwort ,Holzgas‘ sollten Schmitz und Wilbogen unter dem Kommando von Oberst Kodre die natio-nalsozialistischen Führer gefangen setzen. Die Ausführung dieses Aufruhrplans misslang, weil die Gruppe der Generäle ihren Anteil nicht vollführte. Eine andere Ursache war der Mangel an Verbindung zwischen den Gruppen des Zivilistenwiderstandes und den Offizieren, die den Plan auszuführen hatten“ (P. Wilhelm Schmidt a. o. a. o. S. 229). Beim Näherkommen der Front im Winter 1944/1945 entstand die „05“ (= Österreich, 0 und der fünfte Buchstabe des Alphabetes), die alle Vorbereitungen dafür traf, Wien möglichst kampflos zu übergeben. Beim Anmarsch der russischen Armeen sollte am 5. und 6. April 1945 der Aufstand ausbrechen und österreichische Einheiten die Sicherung der Bundeshauptstadt übernehmen. Am 1. April hatte ein österreichischer Oberfeldwebel (Käss?), der sich durch die Front in das Hauptquartier des Generals Tolbuchin durchschlug, die letzten Vereinbarungen im Namen der österreichischen Widerstandsbewegung mit dem russischen Hauptquartier getroffen. Am 4. April gaben um 7 Uhr abends die Russen das verabredete rote Leuchtsignal und um 8.30 Uhr antworteten die Österreicher mit 12 grünen Leuchtraketen. Aber am selben Tag, an dem Wien ohne Kampf und Blutvergießen wieder zur österreichischen Hauptstadt werden sollte, wurde die geplante Aktion verraten. Der militärische Leiter der Widerstandsbewegung, Major Biedermann, wurde verhaftet und um Mitternacht erschossen. Auch zwei andere Offiziere, Hauptmann Huth und Oberleutnant Raschke, wurden hingerichtet. Als Hauptmann Huth zum Tode geführt wurde, brach er in den Ruf aus: „Hoch lebe Österreich!“ Am 5. April hatten um 8 Uhr früh SS-Truppen das Kriegsministerium besetzt, das bereits von den Österreichern gesichert worden war. Doch gelang es deren Kommandanten, Major Szokoll, sich zum Hauptquartier der Widerstandsbewegung in der Köstlergasse durchzuschlagen.

Von Hitler kam eine Depesche an seine Untergebenen: „Gegen die Aufständischen in Wien mit den brutalsten Mitteln eingreifen“. Aber bereits am Abend des 5. April musste Generalleutnant Kremer gestehen: „Wien ist nicht zu halten, da der Widerstand derart groß ist, dass er nicht zu brechen ist. Der Volks-sturm ist in Wien nicht eingerückt; ich glaube, man kann ihn auch gar nicht einberufen, weil er sofort auf die SS schießen würde“. Seit 7. April tagte der Zentralrat der Widerstandsbewegung im Auersperg-Palais. Am 10. April zog man die weiße Fahne auf dem Turm von St. Stephan auf und Kampfverbände besetzten unter Führung von Dr. Jedlicka das Rathaus, auf dem sofort die rot-weiß-rote Fahne Österreichs in die Höhe ging.

Der Moskauer Rundfunk aber sandte am 13. April folgende Nachricht in die Welt hinaus: „Die Bevölkerung Wiens und anderer Teile Österreichs hat der Roten Armee Unterstützung gewährt und die Deutschen daran gehindert, die Kämpfe zum Stehen zu bringen. Indem sie bei der Befreiung der Stadt also mitgeholfen haben, haben sie das große Verdienst erworben, kulturelle Denkmäler sowie lebenswichtige Einrichtungen gerettet zu haben; was aber wohl das Bedeutendste ist, sie haben die Ehre der österreichischen Nation gerettet.“

Auch in Südmähren hatte sich schon 1939 eine Widerstandsbewegung unter dem Namen „Willfried für Österreich“ gebildet, deren maßgebender Leiter der Abgeordnete im tschechoslowakischen Parlament (dem „Bund der Landwirte“ zugehörig) Hans Wagner war. In Frankreich aber organisierte schon 1942 Otto Wilheim die Österreicher und seit 28. August 1944 wehte die österreichische Fahne von der Zentrale des „Freien Österreichs“ in Marseille.

Als dann am 27. April 1945 die provisorische, österreichische Regierung gebildet wurde und in feierlicher Sitzung der 1938 erzwungene „Anschluss“ widerrufen ward, hatte die Arbeit der österreichischen Patrioten in den Jahren 1938—1945 eines ihrer wichtigsten Ziele erreicht. Österreich wird sich ihrer am würdigsten erweisen, wenn es die unerschütterlichen geistigen Fundamente eines unabhängigen Staates in die Herzen der kommenden Generationen versenkt.

Literatur über die Widerstandsbewegung in Österreich:

  • „Rot-Weiß-Rot-Buch“, Wien, Staatsdruckerei, 1946;
  • Dr. Hans Becker: „Österreichs Freiheitskampf“, Wien, 1946;
  • Felix Romanik: „Der Anteil der Akademikerschaft an Österreichs Freiheitskampf“, Wien, o J.;
  • Paul Pirker: „Zitadelle Bregenz“, Bregenz, 1946;
  • Georg Schelling: „Festung Vorarlberg“, Bregenz, 1947;
  • J. Th. Hofer: „Weggefährten“, Wien, 1946;
  • Sepp Plieseis: „Vom Ebro zum Dachstein“, Linz, 1946;
  • Albrecht Gaiswinkler: „Der Sprung in die Freiheit“, Wien, 1946;
  • Jakob Fried: „Nationalsozialismus und katholische Kirche in Österreich“, Wien, 1947;
  • Karl Rudolf: „Aufbau im Widerstand“, Salzburg, 1947;
  • Wilhelm Schmidt: „Gegenwart und Zukunft des Abendlandes“. Luzern, 1949).

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Redaktion: P. Diem


Ganz ausgezeichneter Artikel, der die besonderen Schwierigkeiten des österreichischen im Gegensatz zum ausländischen Widerstand betont. Es darf aber nicht übersehen werden, dass viele Österreicher auch in der Wehrmacht, wenn auch nicht auf heutigem Bundesgebiet Österreichs Widerstand leisteten. (Bernardis, Lahousen etc. in Berlin, der Grazer Gadolla in Gotha, viele aber auch im Bereich der Heeresgruppe Mitte).

Methodologisches Problem#

Die Widerstandsforschung sollte sich endlich von der geographischen Einengung auf das Gebiet des heutigen Österreich freimachen, weil das eine Verkürzung und völlig ahistorische Herabsetzung jener Österreicher ist, die ausserhalb des geographischen Bundesgebietes des heutigen Österreich Widerstand leisteten. Schließlich tobte damals ein Weltkrieg und Österreicher kämpften nicht nur an allen Fronten, sondern leisteten dort auch beträchtlichen Widerstand. Dieser ist infolge der oben angesprochenen Problematik - es gilt bisher eher nur als Widerstand, was geographisch in Österreich, das es damals gar nicht gab, stattfand - viel zu wenig erforscht.
Das Austria-Forum gleicht dieses methodologische Defizit aus (Bernardis etc.); die Darstellung des gesamten Widerstandes der Österreicher ausserhalb des heutigen Bundesgebietes ist aber immer noch ein Forschungsdesiderat, das die zuständigen Stellen endlich realisieren sollten, unter anderem, weil schon die letzten Zeitzeugen wegsterben, die noch dazu über beweisende schriftliche Quellen verfügen, die sicht n i c h t in Archiven sondern in Privatbesitz befinden.

--Glaubauf Karl, Montag, 12. April 2010, 18:23


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