Wie Nazi-Schergen am Floridsdorfer Spitz wüteten #
Offiziere wollten 1945 vor Kriegsende Wien vor weiterer Zerstörung bewahren. Drei davon wurden gehenkt.#
Von der Wiener Zeitung (10. April 2021) freundlicherweise zur Verfügung gestellt
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Karl Biedermann (geb. 1890) war zeit seines Lebens alles andere als ein Revoluzzer. Der biedere Konservative diente sich im Ersten Weltkrieg zum Hauptmann hoch. Dann war er Beamter in der Postsparkasse und wurde Mitglied der austrofaschistischen Heimwehr. Auf deren Seite beteiligte er sich im Februar 1934 führend an der Eroberung der Hochburg der aufständischen Sozialdemokraten, dem Karl-Marx-Hof. Noch bevor die Hitler-Truppen 1938 in Österreich einmarschierten, wurde der Biedermann sogar ein illegaler Nationalsozialist.
Dennoch wurde er knapp vor Kriegsende, am 8. April 1945 gerade von diesen ermordet. Denn während ihrer grausamen Herrschaft hat sich der damalige Wehrmachts-Major stark gewandelt. Er schloss sich dem militärischen Widerstand rund um Hauptmann Carl Szokoll an. Im Rahmen einer zur Legende gewordenen "Operation Radetzky" planten die Widerständler die kampflose Übergabe Wiens an die vor den Toren stehenden Russen. Sie wollten eine weitere Zerstörung der Stadt und noch mehr sinnlose Kriegsopfer verhindern. Biedermann und seine Mitverschwörer Hauptmann Alfred Huth (geb. 1918) und Oberleutnant Rudolf Raschke (geb. 1923) wurden von der Gestapo gefasst. Carl Szokoll und andere konnten entkommen. Szokoll hat sich nach dem Krieg als Filmproduzent besonders um das Gedächtnis des Widerstandes verdient gemacht. Der Gestapo-Mann Franz Kleedorfer war am 8. April bereits an der Degradierung der drei Offiziere in Strebersdorf tätlich beteiligt. Er traktierte sie mit Fußtritten. Am Nachmittag war er ohne Dienstauftrag führend an der Hinrichtung am Floridsdorfer Spitz tätig.
Die "Weltpresse" wusste nach dem Krieg anlässlich des Prozesses gegen Kleedorfer am 27. November 1948 über den "Henker von Floridsdorf" Schauerliches aus den Gerichtsakten zu berichten: "Der Angeklagte wählte die Pfähle aus, brachte die Stricke an und machte dabei viel zu kleine Schlingen, so daß sie den Opfern mit Gewalt über den Kopf gezogen werden mussten. Als ein Strick riss und Hauptmann Huth zu Boden fiel, sprang ihm der Angeklagte von der Leiter mit den Füßen auf die Kehle, dann versetzte er in knieender Haltung dem Sterbenden Stiche in den Kopf."
Kleedorfer soll zudem auch viele "fahnenflüchtige Soldaten ermordet haben". Er wurde für all das schließlich wegen "Verbrechens gegen die Menschlichkeit" zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt und lebte weiter unbehelligt. Seine "besondere Roheit" und der "primitive Bildungsgrad" wurden laut "Volksstimme" vom 18. Dezember 1948 als "erschwerend" angesehen. Kleedorfer quittierte den Richterspruch mit der zynischen Frage: "Für was denn?" Thomas Hofmann hat all diese Zitate in seinem Buch "Es geschah in Transdanubien" (Edition Winkler-Hemaden) in umfassender Recherche zusammengetragen. Vieler dokumentierter Kriegsverbrechen in Griechenland wurde Kleedorfer rechtlich nie überführt.
Nach Biedermann, Huth und Raschke wurde 1967 eine Heereskaserne benannt. Gedenktafeln finden sich am Floridsdorfer Spitz und an der Postsparkasse. In Floridsdorf wurden Gassen nach den Widerstandskämpfern benannt. Biedermann erhielt am Hietzinger Friedhof ein Ehrengrab. (Gr. 66, Reihe 19, Nr. 5).