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vom 13.06.2020, aktuelle Version,

Albert Ehrenstein

Albert Ehrenstein

Albert Ehrenstein (* 23. Dezember 1886 in Ottakring, Österreich-Ungarn; † 8. April 1950 in New York) war ein deutschsprachiger Lyriker und Erzähler.

Leben

1886–1913

Albert Ehrenstein wurde als Sohn ungarischer Juden im späteren 16. Bezirk Wiens, Ottakring, geboren (Urkunden geben den 23. Dezember als Geburtstag an, während Ehrenstein zeit seines Lebens darauf bestand, er sei am 22. Dezember geboren). Der Vater war Kassierer bei der Ottakringer-Brauerei und die Familie war arm. Sein jüngerer Bruder war der Dichter Carl Ehrenstein (1892–1971). Der Ehrgeiz seiner Mutter sorgte dafür, dass Ehrenstein das Wiener Piaristengymnasium besuchen konnte, wo er unter antisemitischen Anfeindungen zu leiden hatte. Von 1905 bis 1910 studierte er an der Universität Wien Geschichte und Philosophie und schloss 1910 mit Promotion ab (mit einer Arbeit über Ungarn im Jahre 1790). Mittlerweile hatte er sich jedoch schon für die Literatur entschieden, was er so beschrieb: „Kaum Universitätsstudium; aber durch fünf Jahre angeblichen Studiums sicherte ich mir die Freiheit: Zeit zu dichterischer Arbeit. Durch tolerantes Überhören an mich gerichteter Fragen und Beleidigtsein über zu leichte zog ich mir sogar den Doktortitel zu.“

1910 wurde er durch das Gedicht Wanderers Lied, das Karl Kraus in der Fackel veröffentlichte, über Nacht bekannt. Das Gedicht ist dem gerade beginnenden Expressionismus zuzurechnen. 1911 erschien Ehrensteins Erzählung Tubutsch mit Illustrationen seines Freundes Oskar Kokoschka[1]. Durch Kokoschka kam er in Kontakt mit Herwarth Walden und veröffentlichte in der Folge in dessen Zeitschrift Der Sturm, später auch in Franz Pfemferts Zeitschrift Die Aktion. Schnell wurde Ehrenstein zu einer der wichtigsten Stimmen des Expressionismus und stand in engem Kontakt zu Else Lasker-Schüler, Gottfried Benn und Franz Werfel. Nicht alle mochten seine Gedichte. Es kursierte der von Anton Kuh verfasste Spottvers: „Hoch schätzt man den Ehrensteinen, nur seine Verse stören einen.“

1914–1932

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs wurde Ehrenstein, da er nicht kriegsdiensttauglich war, zur Arbeit im Wiener Kriegsarchiv verpflichtet. Während viele andere Künstler sich anfangs von der Kriegsbegeisterung mitreißen ließen, war Ehrenstein von Anfang an überzeugter Kriegsgegner, was er auch in einer Reihe von Artikeln und Gedichten (zum Beispiel Der Mensch schreit) klar artikulierte. Im Verlauf des Krieges kam er in Kontakt mit Walter Hasenclever und Martin Buber. 1916/17 gehörte er zum Kreis um die erste dadaistische Zeitschrift Die Neue Jugend, in der er neben Franz Jung, George Grosz und Johannes R. Becher veröffentlichte; die Zeitschrift bezog einen klar anti-wilhelminischen Standpunkt und wurde rasch verboten. Becher und Ehrenstein arbeiteten zur gleichen Zeit als Lektoren im Kurt Wolff Verlag.[2]

Nach 1918 unterstützte er die Revolution in Deutschland und unterschrieb unter anderem gemeinsam mit Franz Pfemfert und Carl Zuckmayer das Manifest der antinationalistischen Sozialistenpartei. Schon während des Krieges hatte Ehrenstein die Schauspielerin Elisabeth Bergner kennengelernt (der er mit zum Durchbruch verhalf), in die er sich hoffnungslos verliebte und der er zahlreiche Gedichte widmete. In den 1920er Jahren reiste er, unter anderem mit Kokoschka, durch Europa, nach Afrika, in den Nahen Osten und nach China, wo er eine Zeitlang blieb. Er wandte sich der chinesischen Literatur zu und schrieb zahlreiche Nachdichtungen aus dem Chinesischen und, nach einem chinesischen Vorbild, den recht erfolgreichen Roman Mörder aus Gerechtigkeit (1931). Ende 1932 ging Ehrenstein in die Schweiz nach Brissago.

1933–1950

Zusammen mit vielen anderen Autoren stand Ehrensteins Name auf der Schwarzen Liste der Nazi-Studentenschaft. Bei der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 wurden seine Bücher auf den Scheiterhaufen geworfen. In den nächsten Jahren publizierte er in Zeitschriften der Exilliteratur. 1934 bereiste er die Sowjetunion, 1935 nahm er in Paris am „Kongreß zur Verteidigung der Kultur“ teil. In der Schweiz war er als Ausländer von der Ausweisung nach Deutschland bedroht. Zwar setzte sich Hermann Hesse für ihn ein, aber mehr als eine befristete Aufenthaltserlaubnis kam dabei nicht heraus. Er nahm, um einer Auslieferung vorzubeugen, die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft an. Schließlich ging er nach England zu seinem Bruder Carl, von dort nach Frankreich, bis er 1941 schließlich von Spanien aus in die USA ausreisen konnte.

In New York erreichten andere Exilanten, darunter Thomas Mann, Richard Hülsenbeck und George Grosz, für ihn eine Aufenthaltsgenehmigung. Ehrenstein lernte Englisch, fand aber kein Auskommen und lebte von den Einkünften weniger Artikel, die er für die Zeitung Aufbau schrieb, und von Zuwendungen von George Grosz. 1949 kehrte er erst in die Schweiz, dann nach Deutschland zurück, fand jedoch keinen Verleger und kehrte schließlich enttäuscht nach New York zurück. Nach zwei Schlaganfällen wurde er in ein Armenhospiz auf Welfare Island verbracht, wo er am 8. April 1950 starb. Nach seinem Tod sammelten Freunde Geld, damit seine Urne nach England verschifft werden konnte, wo sein Bruder Carl immer noch lebte. Ehrensteins Asche wurde schließlich auf dem Bromley Hill Cemetery in London beigesetzt.

Nachlass

Albert Ehrensteins ausführlicher Nachlass wurde bereits wenige Jahre nach seinem Tod an die National Library of Israel übergeben, wo er kürzlich neu verzeichnet wurde.[3] Bemerkenswert ist seine ausführliche Korrespondenz mit vielen namhaften Autoren und Künstlern seiner Zeit.

Werke

Lyrik, Prosa, Essays

  • Tubutsch, 1911 (veränderte Ausgabe 1914, häufige Neuaufl.)
  • Der Selbstmord eines Katers, 1912[4]
  • Die weiße Zeit, 1914[5]
  • Der Mensch schreit, 1916
  • Nicht da nicht dort, 1916[6]
  • Die rote Zeit, 1917
  • Den ermordeten Brüdern, 1919
  • Karl Kraus 1920
  • Die Nacht wird. Gedichte und Erzählungen, 1920 (Sammlung alter Arbeiten)
  • Der ewige Olymp. Novellen und Gedichte, 1921 (Sammlung alter Arbeiten)
  • Wien, 1921
  • Die Heimkehr des Falken, 1921 (Sammlung alter Arbeiten)
  • Briefe an Gott. Gedichte in Prosa, 1922
  • Herbst, 1923
  • Menschen und Affen, 1926 (Sammlung essayistischer Werke)
  • Ritter des Todes. Die Erzählungen von 1900 bis 1919, 1926
  • Mein Lied. Gedichte 1900–1931, 1931
  • Gedichte und Prosa. Hg. Karl Otten. Neuwied, Luchterhand 1961
  • Ausgewählte Aufsätze. Hg. von M. Y. Ben-gavriêl. Heidelberg, L. Schneider 1961
  • Todrot. Eine Auswahl an Gedichten. Berlin, Hochroth Verlag 2009

Übersetzungen und Nachdichtungen

  • Schi-King. Nachdichtungen chinesischer Lyrik, 1922
  • Pe-Lo-Thien. Nachdichtungen chinesischer Lyrik, 1923
  • China klagt. Nachdichtungen revolutionärer chinesischer Lyrik aus drei Jahrtausenden 1924; Neuauflage AutorenEdition, München 1981 ISBN 3-7610-8111-1
  • Lukian, 1925
  • Räuber und Soldaten. Roman frei nach dem Chinesischen, 1927; Neuaufl. 1963
  • Mörder aus Gerechtigkeit, 1931
  • Das gelbe Lied. Nachdichtungen chinesischer Lyrik, 1933

Literatur

  • Fritz Martini: Ehrenstein, Albert. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 4, Duncker & Humblot, Berlin 1959, ISBN 3-428-00185-0, S. 355 (Digitalisat).
  • Stefan Zweig: Albert Ehrensteins Gedichte. In: Rezensionen 1902–1939. Begegnungen mit Büchern. 1983, (E-Text).
  • Werner Röder; Herbert A. Strauss (Hrsg.): International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933–1945. Band 2,1. München : Saur, 1983 ISBN 3-598-10089-2, S. 239
  • Karl-Markus Gauß: Wann endet die Nacht. Über Albert Ehrenstein – ein Essay. Edition Moderne, Zürich 1986, ISBN 3-907010-24-8.
  • Albert Ehrenstein. Lesung im Rahmen der Wiener Festwochen 1993. Herausgegeben von Werner Herbst & Gerhard Jaschke (Reihe: Vergessene Autoren der Moderne, Band 67), Universitätsverlag, Siegen 1996, ISSN 0177-9869.[7]
  • Ehrenstein, Albert. In: Lexikon deutsch-jüdischer Autoren. Band 6: Dore–Fein. Hrsg. vom Archiv Bibliographia Judaica. Saur, München 1998, ISBN 3-598-22686-1, S. 110–132.
  • Günter Helmes: Albert Ehrenstein: Werke Bde. 1–3/II. Herausgegeben von Hanni Mittelmann. München 1989–1995. In: Arbitrium 2/1998, S. 232–238.
  • Günter Helmes: „Den gepflegten Stil des Elends als Kunst- und Freudeborn“. Über frühe Erzählungen Albert Ehrensteins. In: Erzählstrukturen II. Studien zur Literatur der Jahrhundertwende (= Acta Germanica 10). Herausgegeben von Károly Csúri und Géza Horváth. Budapest 2000, S. 110–122.
  • Martin Anton Müller: Besuche bei Arthur Schnitzler. Private Aufzeichnungen von Albert Ehrenstein, Victor Klemperer und Robert Adam. In: Hofmannsthal-Jahrbuch zur europäischen Moderne, H. 27 (2019), S. 131–163.

Einzelnachweise

  1. Neuauflage der 12 s/w Bilder in Armin Wallas: A. E.: Mythenzerstörer und Mythenschöpfer, Boer, Grafrath 1994, mit ausführl. Interpretation Wallas'
  2. Johannes R. Becher: Tagebuchnotiz vom 2. Mai 1950. In: Adolf Endler, Tarzan am Prenzlauer Berg. Sudelblätter 1981–1993. Leipzig: Leipzig, 1994. S. 178 f.
  3. Würdigung Albert Ehrensteins zu seinem 125. Geburtstag und Kurzbeschreibung des Nachlasses in der National Library of Israel
  4. Neufassung unter dem Titel Bericht aus einem Tollhaus, 1919
  5. erst 1916 ausgeliefert
  6. Neufassung unter dem Titel Zaubermärchen, 1919
  7. 37 Seiten, dabei 2 S. aus der „Neue Deutschen Biographie“ – Viele kurze Texte quer durch sein Werk, keine Quellenangaben, eine Art Collage

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