Binomialkoeffizient
Der Binomialkoeffizient ist eine mathematische Funktion, mit der sich eine der Grundaufgaben der Kombinatorik lösen lässt. Er gibt an, auf wie viele verschiedene Arten man
Objekte aus einer Menge von
verschiedenen Objekten auswählen kann (ohne Zurücklegen, ohne Beachtung der Reihenfolge). Der Binomialkoeffizient ist also die Anzahl der
-elementigen Teilmengen einer
-elementigen Menge.
„49 über 6“ (bzw. „45 über 6“ in Österreich und der Schweiz) ist z. B. die Anzahl der möglichen Ziehungen beim Lotto (ohne Berücksichtigung der Zusatzzahl).
Ein Binomialkoeffizient hängt von zwei Zahlen
und
ab. Er wird mit dem Symbol
-
geschrieben und als „n über k“, „k aus n“ oder „n tief k“ gesprochen. Die englische Abkürzung nCr für from n choose r findet sich als Beschriftung auf Taschenrechnern.
Den Namen erhielten diese Zahlen, da sie als Koeffizienten in den Potenzen des Binoms
auftreten; es gilt der sogenannte binomische Lehrsatz:
-
Eine Erweiterung des aus der Kombinatorik stammenden Binomialkoeffizienten stellt der allgemeine Binomialkoeffizient dar, der in der Analysis verwendet wird.
Definition
Für eine komplexe Zahl
und eine nichtnegative ganze Zahl
ist der Binomialkoeffizient „n über k“ auf folgende Weise definiert:
-
wobei
die Fakultät von
bezeichnet. Das leere Produkt (
) ist dabei
.
Handelt es sich bei
um eine nichtnegative ganze Zahl mit
, so kann man die aus der Kombinatorik bekannte Definition verwenden:
-
Eigenschaften
Wird außer
auch
auf nichtnegative ganze Zahlen eingeschränkt, so gilt:
-
ist stets eine nichtnegative ganze Zahl.
- Ist dabei
, so gilt
-
-
-
-
-
(für
ist der rechte Summand
).
Im allgemeinen Fall reeller oder komplexer Werte für
können einige der hier angeführten Ausdrücke undefiniert im oben angegebenen Sinn werden, falls nämlich
nicht mehr ganz und nichtnegativ sein sollte; das betrifft die Aussagen
,
und
. Es zeigt sich jedoch, dass diese Aussagen korrekt werden, wenn man entsprechend der untenstehenden analytischen Verallgemeinerung über die Betafunktion auch für
komplexe Werte zulässt.
Symmetrie der Binomialkoeffizienten
Ganzzahlige Binomialkoeffizienten sind symmetrisch im Sinne von
-
für alle nichtnegativen
und
.
-
Beweis
-
-
Beispiel
-
-
-
Rekursive Darstellung und Pascalsches Dreieck
Für den Binomialkoeffizienten nichtnegativer ganzer Zahlen
und
hat man folgende rekursive Darstellung:
-
Diese Formel eignet sich auch, um alle Binomialkoeffizienten bis zu einer vorgegebenen Schranke für
zu bestimmen, ein Schema dazu ist das Pascalsche Dreieck: Dort entspricht sie der Konstruktionsvorschrift, dass jede Zahl die Summe der beiden über ihr stehenden Zahlen ist (in der Formel oben
durch
ersetzen):
-
oder andersherum (
durch
ersetzen):
-
Beweis:
-
Den Koeffizienten
findet man dabei in der
-ten Zeile an der
-ten Stelle (beide ab Null gezählt!):

Das gleiche Dreieck dargestellt in den
Binomialsymbolen:
Algorithmus zur effizienten Berechnung
Für ganzzahlige
existiert ein effizienter Algorithmus, der die Produktformel
-
des Binomialkoeffizienten anwendet. Auf Grund des stetigen Wechsels zwischen Multiplikation und Division wachsen die Zwischenergebnisse nicht unnötig an. Zusätzlich sind auch alle Zwischenergebnisse natürliche Zahlen.
Um unnötigen Rechenaufwand zu vermeiden, berechnet man im Fall
den Binomialkoeffizienten:
-
Der folgende Pseudocode verdeutlicht die Berechnung:
binomialkoeffizient(n, k)
1 wenn k = 0 dann rückgabe 1
2 wenn 2k > n
3 dann führe aus ergebnis
binomialkoeffizient(n, n-k)
4 sonst führe aus ergebnis
n-k+1
5 von i
2 bis k
6 führe aus ergebnis
ergebnis
(n - k + i)
7 ergebnis
ergebnis : i
8 rückgabe ergebnis
Die Rechenmethode nutzen auch Taschenrechner, wenn sie die Funktion anbieten. Sonst wäre die Rechenkapazität für n=69 erschöpft. Die Beschriftung der Funktionstaste mit nCr beschreibt die Reihenfolge der Eingabewerte in Infixnotation; zunächst Anzahl der Elemente n, dann die Funktionstaste Combinations, dann Anzahl der gewählten Objekte r (im Artikel mit k abgekürzt).
Die Berechnung nPr (engl. Permutations) berücksichtigt die Permutationen der r Elemente, die Division durch r! unterbleibt:
-
P(n,r) = n! / (n - r)!.
Der Binomialkoeffizient in der Kombinatorik
Die kombinatorische Definition von
als Anzahl der
-elementigen Teilmengen einer
-elementigen Menge spielt in der abzählenden Kombinatorik eine zentrale Rolle.
Sie kann anschaulich etwa so gedeutet werden: Zunächst zählt man alle
-Tupel mit paarweise verschiedenen Elementen, die sich aus der
-elementigen Ausgangsmenge zusammenstellen lassen. Es gibt
Möglichkeiten der Wahl des ersten Tupel-Elements. Nach jeder beliebigen Wahl dieses ersten gibt es nur noch
Wahlmöglichkeiten für das zweite Element, nach dessen Wahl nur noch
für das dritte usw. bis hin zu
Wahlmöglichkeiten für das
-te und letzte Tupel-Element. Die Anzahl aller so zusammengestellten
-Tupel ist also das
-stellige Produkt
, das sich mit Hilfe der Fakultät auch als
notieren lässt. Nun sind aber genau je
der gezählten
-Tupel Permutationen voneinander und entsprechen daher einundderselben
-elementigen Teilmenge. Nach Division durch diese Zähl-Vielfachheit ergibt sich also tatsächlich
als die gesuchte Teilmengenanzahl.
Eine andere, symmetrischere Veranschaulichung betont nicht den Akt der Auswahl von
aus
Elementen, sondern den Aspekt der Zerlegung in zwei Teilmengen aus
und
Elementen. Angenommen, ein
-elementiges Ausgangstupel bestehe aus
roten und
weißen irgendwie aufgereihten Elementen. Bildet man alle
Permutationen dieser Aufreihung, so sind je
davon farblich ununterscheidbar, denn je
Permutationen der roten Elemente untereinander ändern nichts an der Farbsequenz, ebenso wenig wie je
davon unabhängige Permutationen innerhalb der weißen. Es gibt also nur
farblich verschiedene Sequenzen der Länge
mit allen möglichen unterschiedlichen Belegungen durch je
rote Elemente. Jede Sequenz lässt sich nun aber eineindeutig einer der
-elementigen Teilmengen einer
-elementigen Menge zuordnen. Dasselbe gilt wegen der Symmetrie von rot und weiß oder von
und
auch für die komplementären
-elementigen Teilmengen. Die Gesamtzahl dieser Teilmengen ist damit je
.
Die Menge aller
-elementigen Teilmengen einer Menge
wird wegen ihrer Mächtigkeit
gelegentlich auch mit
bezeichnet. Damit gilt für jede endliche Menge
:
-
Beispiel
Die Anzahl der möglichen Ziehungen oder Tippscheine beim deutschen Lotto 6 aus 49 (ohne Zusatzzahl oder Superzahl) ist
-
Es gibt hier offensichtlich genau eine Möglichkeit, 6 Richtige zu tippen.
zählt die Möglichkeiten für 0 Richtige, nämlich alle 6 Tipps aus den 43 Falschen zu wählen. Die Anzahl verschiedener Tipps mit 5 Richtigen ergibt sich sehr einfach zu 6 ⋅ 43 = 258, denn es gibt 6 Möglichkeiten, nur 5 der 6 gezogenen Zahlen zu tippen (oder eine davon auszulassen), und dann jeweils 43 = 49 − 6 Möglichkeiten, den ausgelassenen Tipp auf eine der 43 falschen Zahlen zu setzen. Allgemein ergibt sich die Anzahl der verschiedenen Tipps mit r Richtigen bei 6 aus 49 mit derselben Überlegung zu
. Bei 6, 0 und 5 Richtigen fällt kaum auf, dass die verwendeten Faktoren
,
und
eigentlich einfache Binomialkoeffizienten sind. Die Summe aller genannten Tippzahlen ergibt natürlich die Gesamtzahl 13983816 aller möglichen Tipps – das folgt aus der unten angegebenen Vandermondeschen Identität.
Die Wahrscheinlichkeit für 6 mit einem Tipp erzielte Richtige ist also 1 ⁄ 13983816, die für 5 Richtige ist 258 ⁄ 13983816. Für 0 Richtige ergeben sich mit 6096454 ⁄ 13983816 schon etwa 44 %. Die allgemeine Wahrscheinlichkeit
für r Richtige ist ein Spezialfall der Hypergeometrischen Verteilung, die gerade drei Binomialkoeffizienten derart kombiniert.
Kombinatorische Beweise
Die kombinatorische Deutung erlaubt auch einfache Beweise von Relationen zwischen Binomialkoeffizienten, etwa durch doppeltes Abzählen. Beispiel: Für
gilt:
-
Beweis: Es sei
eine
-elementige Menge und
ein festes Element. Dann zerfallen die
-elementigen Teilmengen von
in zwei Klassen:
- die Teilmengen, die
enthalten; sie bestehen also aus
zusammen mit einer
-elementigen Teilmenge der
-elementigen Menge
,
- die Teilmengen, die
nicht enthalten; sie sind
-elementige Teilmengen der
-elementigen Menge
.
Ausdrücke mit Binomialkoeffizienten
Summen mit Binomialkoeffizienten
-
Dieser Formel liegt ein kombinatorischer Sachverhalt zu Grunde. Da
die Anzahl aller
-elementigen Teilmengen einer Menge mit
Elementen entspricht, ergibt sich durch die Summation die Anzahl aller ihrer Teilmengen, also
. Die Formel lässt sich auch aus dem binomischen Lehrsatz herleiten, indem man
setzt.
Summen mit alternierenden Binomialkoeffizienten
-
für
.
Diese Formel folgt für ungerade
aus der Symmetrie des Binomialkoeffizienten. Für beliebige
lässt sie sich aus dem binomischen Lehrsatz herleiten, indem
und
(oder
und
) gesetzt wird.
Summe verschobener Binomialkoeffizienten
-
Vandermondesche Identität
-
Es gibt auch hier ein kombinatorisches Argument: Die rechte Seite entspricht der Anzahl von
-elementigen Teilmengen einer
-elementigen Menge von Kugeln. Man kann sich nun vorstellen, dass die Kugeln zwei verschiedene Farben haben:
Kugeln seien rot und
Kugeln grün. Eine
-elementige Teilmenge besteht dann aus einer gewissen Anzahl
von roten Kugeln und
vielen grünen. Für jedes mögliche
gibt der entsprechende Summand auf der linken Seite die Anzahl der Möglichkeiten für solch eine Aufteilung in rote und grüne Kugeln an. Die Summe liefert die Gesamtzahl. Ein oft als einfacher empfundener Beweis verwendet den Binomischen Lehrsatz in der Form
-
sowie Ansatz
-
und Koeffizientenvergleich.
Im Spezialfall
ergibt sich aus der Vandermondeschen Identität folgende Formel für die Quadratsummen
-
.
Binomialkoeffizienten in der Analysis
Verallgemeinerung
Eine Verallgemeinerung, die in der Analysis eine Rolle spielt, erhält man, wenn man für
eine beliebige komplexe Zahl
zulässt, aber
weiterhin als ganzzahlig voraussetzt. In diesem Fall ist
-
der Binomialkoeffizient „
über
“ (das leere Produkt im Fall
ist definiert als 1). Diese Definition stimmt für nichtnegative ganzzahlige
mit der kombinatorischen Definition (also der Definition von
als die Anzahl aller
-elementigen Teilmengen einer festen
-elementigen Menge) überein, und für nichtnegative
mit der algebraischen Definition (also der Definition von
als das Produkt
).
Beispielsweise ist
-
und
-
Auch der zweite Parameter
lässt sich auf beliebige komplexe Belegung
verallgemeinern, wenn mit Hilfe der Betafunktion
für
definiert wird:
-
wobei
die Gammafunktion bezeichnet. Ist dabei
oder
eine negative ganze Zahl, so ist der Wert der rechten Seite 0, weil die nichtpositiven ganzen Zahlen die (einzigen) Polstellen von
sind.
Ersichtlich gilt weiterhin die Symmetriebeziehung
-
.
Insbesondere:
-
,
-
,
und bei nichtnegativem ganzem
-
.
Um das Vorzeichen aus dem ersten Parameter zu extrahieren, sofern er ganzzahlig ist, lässt sich die Relation
-
angeben.
Allgemein gilt für komplexe
,
die Beziehung
-
.
Eine weitere Verallgemeinerung bieten die Multinomialkoeffizienten, die bei der Verallgemeinerung des binomischen auf den multinomialen Lehrsatz benötigt werden.
Binomische Reihen
Für
und
mit
erhält man die Beziehung
-
welche eine Verallgemeinerung der geometrischen Reihe darstellt und zu den binomischen Reihen gehört.
Ist
,
sowie
, konvergiert die folgende Reihe gemäß
-
(Für exaktere Bedingungen für
und
siehe Artikel Binomische Reihe.)
Summenausdruck für die Betafunktion
Eine weitere Beziehung kann man für alle
relativ einfach mit vollständiger Induktion beweisen,
-
woraus unmittelbar die Symmetrie
-
folgt. Eine Verallgemeinerung für
mit
und
lautet
-
Gaußsche Produktdarstellung für die Gammafunktion
Mit der letzten Formel aus dem vorherigen Abschnitt ist für
-
Betrachtet man den Fall
, ersetzt die Brüche in der Summe durch Integrale gemäß
-
und fasst die Summe der Potenzen den binomischen Formeln entsprechend zusammen, erhält man
-
wobei beim letzten Integral die Substitution
angewendet wurde. Schließlich hat man die Gleichung
-
woraus sich durch den Grenzübergang
direkt die Gaußsche Produktdarstellung der Gammafunktion,
-
ergibt.[1]
Digammafunktion und Euler-Mascheroni-Konstante
Für
mit
gilt
-
was sich ebenfalls über Induktion nach
beweisen lässt. Für den Spezialfall
vereinfacht sich diese Gleichung zu
-
wobei
die Folge der Harmonischen Zahlen, also der Partialsummen der Harmonischen Reihe ist. Die Umwandlung der linken Summe in eine Reihe (Limit
statt
) ist dabei erlaubt wegen
für
ist andererseits darstellbar als
-
mit der Digammafunktion
und der Euler-Mascheroni-Konstanten
kann auf komplexe Werte
- außer auf negative ganze Zahlen - fortgesetzt werden. Man bekommt so die Reihe
-
als komplexe Interpolation der Folge der Harmonischen Zahlen.
Referenzen
- ↑ Disquisitiones generales circa seriem infinitam 1+…, 1813, S. 26 (auch in Carl Friedrich Gauß: Werke. Band 3, S. 145)
Weblinks
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