Haus-Rucker-Co
Haus-Rucker-Co war eine österreichische Architekten- und Künstlergruppe, die vor allem in den 1970er und 1980er Jahren im Grenzbereich zwischen Kunst und Architektur Plastiken, Installationen im öffentlichen Raum und Beiträge für eine besondere Wahrnehmung von Architektur und Stadtgestaltung mit dem Anspruch der „Bewusstseinserweiterung“ geschaffen hat.
Geschichte
Die Bezeichnung der – nach eigener Definition: „Architekten-Künstlergemeinschaft“ – deutet auf den Hausruck, einen österreichischen Bergzug hin, gleichzeitig ist im Namen das „Wegrücken“ von alten Häusern, um Platz für Neues zu schaffen, angedeutet.
Die Aktivitäten von Haus-Rucker-Co in den späten sechziger und frühen siebziger Jahren, vornehmlich utopische Architekturkonzeptionen, waren, von Pop-art und Fluxus inspiriert, unter dem Titel: „Mind-Expanding-Program“ ganz der Bewusstseinserweiterung gewidmet. Mit Aktionen und Installationen im öffentlichen Raum sollte die sinnliche Wahrnehmungs- und Erlebnisfähigkeit der Menschen aktiviert werden. Die Gruppe beschäftigte sich auch mit Dekonstruktivismus und der „Zweiten Natur“ – als Verschmelzung von Natürlichem und Künstlichem.
Die späteren Schwerpunkte der Gruppe lagen eher in der Richtung der Sozialen Plastik, mit dem Ziel, auf Umweltzerstörung und Entfremdung von der Natur (Mit Plastikhäuten wurde die Trennung des Menschen von seiner Umwelt symbolisch dargestellt) hinzuweisen.
1967 wurde Haus-Rucker-Co von den Architekten Laurids Ortner, Günter Zamp Kelp und dem Maler Klaus Pinter in Wien gegründet.
Im Jahr 1970 eröffnete die Gruppe Studios in Düsseldorf und New York. 1971 trat Manfred Ortner der Gruppe bei.
Im Jahr 1972 wurden aus Haus-Rucker-Co zwei eigenständige Studios:
- Haus-Rucker-Co in Düsseldorf, mit den Gruppenmitgliedern Laurids Ortner, Günther Zamp Kelp und Manfred Ortner.
- Haus-Rucker-lnc. in New York mit Klaus Pinter, Caroll Michels und anderen Künstlern.
Im Jahr 1977 erfolgte die Auflösung des New Yorker Büros Haus-Rucker-lnc. Klaus Pinter und Caroll Michels begannen mit einer selbständigen künstlerischen Tätigkeit.
1987 eröffnete Laurids Ortner mit Manfred Ortner („Ortner & Ortner Baukunst“) und Günter Zamp Kelp eigenständige Architekturbüros, um sich konkreten Bauaufgaben zu widmen.
Im Jahr 1992 erfolgte die endgültige Auflösung von Haus-Rucker-Co.
Projekte
- 1967 Mind Expander, Wien. Installation einer ”Kommunikations-Plastik” aus einer Sitzschale, die zwei Personen in einer bestimmten Position fixiert und einem helmartigen Ballon, der über die Köpfe der beiden Sitzenden gekippt wird.
- 1968 Gelbes Herz, Wien. Installation einer pneumatischen, pulsierenden Kommunikations-Raumkapsel für zwei Personen.
- 1971 Ausstellung Cover, Museum Haus Lange, Krefeld. Das Haus Lange, (1921 von Mies van der Rohe erbaut) wurde mit einer Traglufthalle aus weißem, beschichtetem Gewebe überdacht.
- 1971 Wegweiser (ugs. „Nürnberger Finger“) im Rahmen des Symposion Urbanum[1] Nürnberg. Installation einer 14 Meter langen, mit Gewebe bespannten Tragluftkonstruktion in Form eines Zeigefingers, südlich der Flughafenstraße / Marienbergstraße zur Innenstadt weisend.[2][3]
- 1972 OASE Nr. 7 anlässlich der documenta 5 in Kassel. Installation einer transparenten Kugel mit einem Durchmesser von acht Metern an der Hauptfassade des Museum Fridericianums.
- 1976 Schiefe Ebene, Wien. Installation einer Schrägen Ebene auf dem Wiener Naschmarkt
- 1977 Nike, Planung für die Kunstuniversität in Linz.
- 1977 Rahmenbau anlässlich der documenta 6 in Kassel. Errichtung eines Gitterrahmens mit einem Steg aus Stahl am Rande des Friedrichsplatzes in Kassel zur Karlsaue, der einen ausschnittartigen, bildähnlichen Blick in die dahinterliegender Landschaft und das Orangerie-Gebäude ermöglicht.
- 1980 Forum Design. Errichtung eines Temporären Ausstellungsgebäudes aus waggonartigen Einzelhallen in Linz.
- 1985 Turm Neuss, Theodor-Heuss-Platz, Neuss. Eine begehbare Stahl-Installation im öffentlichen Raum.
- 1987 Das Ideale Museum anlässlich der documenta 8 in Kassel. Ein Beitrag von Haus-Rucker-Co zu dem Sonderthema „Das Ideale Museum“, zu dem einige Architekten eingeladen waren.
- 1986 Eröffnung Lineares Haus am Campus Lichtwiese der TU Darmstadt.
Ausstellungen
(Auswahl)
- 1967 Apollogasse Wien, Ballon für Zwei / Baugrube Schottenring, Wien: Gelbes Herz
- 1969 Kraftsporthalle Schleifmühlgasse, Wien: Vanille Zukunft / Museum des 20. Jahrhunderts, Wien: Neue Objekte / Museum of contemporary Crafts, New York: Plastic as Plastic / Galerie Zwirner, Köln / Galerie Maerz, Linz
- 1970 Museum des 20. Jahrhunderts, Wien: Live l / Museum of Contemporary Crafts, New York: Live ll / Kunsthalle Düsseldorf / State University of New York, Buffalo: Live / Kunsthalle Düsseldorf: Between
- 1971 Museum Haus Lange, Krefeld: Ausstellung Cover / Walker Art Center Minneapolis: Food City l / Houston, Texas, Food City ll
- 1972 documenta 5, Kassel: Oase Nr. 7 / Kunsthalle Nürnberg: Go
- 1973 Kunsthalle Hamburg: Grüne Lunge
- 1974 Kunstverein Braunschweig: Sonnenuntergang / Bonner Kunstverein: Zeichnungen 1967—74 / Österreichische Avantgarde, Innsbruck, Basel / Städtisches Museum, Trier: Umweltbilder / Kunsthalle Köln: Sehen und Hören
- 1976 Internationales Designzentrum, Berlin / Von der Heydt-Museum, Wuppertal
- 1977 documenta 6, Kassel: Rahmenbau / Linz, Forum Metall / Hochschule für Gestaltung, Linz: Stadtgestaltung
- 1978 Kunsthalle Düsseldorf: Straßen und Plätze / Galerie Schmela, Düsseldorf: Zeichnungen, Projekte / Studiogalerie Ungers, Köln: Zeichnungen und Modelle
- 1979 Studio F., Ulm: Pavillon der Elemente
- 1980 Palazzo Montauto-Niccolini, Florenz:Umanesimo Disumanesimo / Linz: Forum Metall / Biennale von Venedig: ll tempo di Museo di Venezia
- 1981 Galerie Schmela, Düsseldorf
- 1984 Nationalgalerie Berlin: 3 Großstadtbauten / Deutsches Architekturmuseum, Frankfurt am Main: Revision der Moderne / Kunsthalle Hamburg und Kunstakademie München: Architektur-Visionen, Konzepte der 80er Jahre / Kunsthaus Bonn: Architektur Mutter der Künste?
- 1985 Triennale Mailand: Ricostruzione della Città / Centre Georges Pompidou CCI, Paris: Nouveaux Plaisirs d’Architecture / Badischer Kunstverein, Karlsruhe: Klassizismus und Klassiker – Tendenzen Europäischer Gegenwartsarchitektur / Technische Universität Eindhoven: Haus-Rucker-Co Projekte 1977–85
- 1986 Pratolino, Firenze Florenz: Garden of Europe / Deutsches Architekturmuseum, Frankfurt am Main: Beispiele einer neuen Architektur IBA, Berlin, 1987 / The National Museum of Modern Art, Tokio: Revision of Modernism — Postmodern Architecture 1960—86
- 1987 documenta 8, Kassel: Das ideale Museum / Rat für Formgebung, Frankfurt am Main: Gegenstand und Ritual / Secession Wien: Maerz in der Secession
- 1988 Galerie Maerz, Linz: Ecken / Galerie lnkt, Den Haag: Lictring
- 1989 Galerie Kubus Hannover: Kultursprung
- 1990 Triest: Neoclassico.
- 1992 Kunsthalle Wien, Haus-Rucker-Co, Objekte, Konzepte, Bauten 1967—92 / Kunstforum der Bank Austria, Wien: Kunsthäuser im Plan / Wien, London, Paris: Museumspositionen.
- 1993 Architekturmuseum Basel: Haus-Rucker-Co.
- 6. Januar bis 18. April 2005 (Beteiligung): Archilab: New Experiments in Architecture, Art and the City, 1950–2005. Mori-Kunstmuseum, Tokio 2005. (Katalog)
- 2014/2015: Haus-Rucker-Co. Architekturutopie Reloaded, Haus am Waldsee, Berlin. Katalog.[4]
Auszeichnungen
- 1988 mit Bene Büromöbel KG: Staatspreis Design für Büroeinrichtungsprogramm C5
Literatur
- Krämer, Verena; "Haus-Rucker-Co", 3/95 Artothek im Bonner Kunstverein Bestandskatalog
- Bogner, Dieter: Haus-Rucker-Co, Denkräume, Stadträume 1967-1992. Klagenfurt 1992.
- Bonner Kunstverein (Hrsg.): Der Bonner Kunstverein 1963-1993. Bonn 1993
- Der europäische Großbau, Laurids Ortner, in: Werk, Bauen + Wohnen 8/1992
- Gleich, gemischt, menschengerecht, Laurids Ortner, in: Der Architekt 12/1988
- Das Bedürfnis nach Großzügigkeit, Laurids Ortner, in: Archithese 3/1986
- Haus-Rucker-Co 1967-1983, hrsg. von Heinrich Klotz, Deutsches Architektur Museum Frankfurt, Braunschweig: Vieweg Verlag, 1984
- Lernen von Linz, Laurids Ortner, in: Jahrbuch für Architektur 1983, Vieweg Verlag
- Helmuth Gsöllpointner, Angela Hareiter, Laurids Ortner: Design ist unsichtbar, Ausstellung Linz 1980, Österreichisches Institut für Visuelle Gestaltung, Löcker Verlag, Wien 1981, ISBN 3-85409-012-9.
- Amnestie für die gebaute Realität, Laurids Ortner, in: Werk Archithese 17/18, Mai/Juni 1978
- Provisorische Architektur, Laurids Ortner, in:Transparent 6/1976, Kunstforum International 129/1977, Domus 569/1977
- Haus-Rucker-Co: Jahresreport 1968
- Haus-Rucker-Co: Sonnenuntergang. Ausst. Kat.Kunstverein Braunschweig 1974.
- Haus-Rucker-Co: Gespräch am weissen Tisch. Ausstellungskatalog Bonner Kunstverein 1975.
- Ortner, Laurids: Haus-Rucker-Co. Provisorische Architektur. Katalog Düsseldorf 1976.
- Pohlen, Annelie: Engagement für die Kunst. In: db, deutsche Bauzeitung, 123, 1989, S. 40–42.
Weblinks
- Literatur von und über Haus-Rucker-Co im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Materialien von und über Haus-Rucker-Co im documenta-Archiv
- Darstellung über Haus-Rucker-Co auf der Website von Günther Zamp Kelp
- Darstellung über Haus-Rucker-Co auf der Website des Architekturbüros Ortner & Ortner Baukunst
Einzelnachweise
- ↑ 40 Jahre Symposion Urbanum (PDF, 4MB) Broschüre der Stadt Nürnberg (Baureferat/Hochbauamt), Andreas Wissen, 2011, S. 26. Abgerufen am 19. Juni 2021.
- ↑ Als die Kunst ganz Nürnberg empörte www.nordbayern.de, Onlinedienst von Nürnberger Nachrichten und Nürnberger Zeitung. Abgerufen am 19. Juni 2021.
- ↑ Der Nürnberger Finger – Eine Link- und Bildersammlung jeka.info. Abgerufen am 18. Juli 2021.
- ↑ Operation am gelben Herzen in FAZ vom 12. Januar 2015, Seite 13
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