Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast
Dies ist Version . Es handelt sich nicht um die aktuelle Version und kann folglich auch nicht geändert werden.
[Zurück zur aktuellen Version]    [Diese Version wiederherstellen]
vom 16.12.2012, aktuelle Version,

Karl Böhm

Gedenktafel in Wien Grinzing

Karl Böhm (* 28. August 1894 in Graz; † 14. August 1981 in Salzburg) war ein österreichischer Dirigent.

Leben

Böhm stammt väterlicherseits von Deutschböhmen aus dem Egerland und mütterlicherseits von französischen Elsässern ab. Er studierte zunächst wie sein Vater, ein Rechtsanwalt, die Jurisprudenz und promovierte zum Doktor der Rechte. Sein Ziel war es in seiner frühen Jugend noch, Pianist zu werden, doch änderte sich dieses bald durch seine Erkenntnis, für den Dirigentenberuf geschaffen zu sein. Und so studierte er am Wiener und am Grazer Konservatorium Klavier und Musiktheorie.

Seine Dirigentenkarriere begann 1917 in seiner Heimatstadt Graz. Mit der Unterstützung von Bruno Walter berief man ihn 1921 nach München. 1927 wurde er Generalmusikdirektor in Darmstadt, ab 1931 in derselben Funktion in Hamburg. 1934 wurde er Nachfolger von Fritz Busch an der Dresdner Semperoper. Diese Stelle hatte er bis 1943 inne, als er das erste Mal Direktor der Wiener Staatsoper wurde. In der Endphase des Zweiten Weltkriegs wurde er im August 1944 in die von Adolf Hitler genehmigte Gottbegnadeten-Liste der wichtigsten Dirigenten aufgenommen, was ihn von einem Kriegseinsatz, auch an der Heimatfront, bewahrte.[1]

1945 entfernten ihn die alliierten Besatzungsbehörden wegen zu großer Nähe zum Nazi-Regime aus dem Amt des Direktors der Wiener Staatsoper und belegten ihn mit einem Auftrittsverbot (ähnlich wie es Herbert von Karajan erhielt). Von 1955 (genau nach Ende der Besatzungszeit) bis 1956 wurde er dann ein zweites Mal mit diesem Amt betraut. Vorwürfe, er sei zu wenig in Wien präsent, sowie Protestkundgebungen während von ihm dirigierter Vorstellungen bewogen Böhm schließlich, das Amt niederzulegen. Sein Nachfolger wurde Karajan. In einem offenen Brief bestritt Böhm anschließend Probleme zwischen ihm und dem Ensemble und sprach diesem und dem Wiener Publikum ausdrücklich Dank und Anerkennung aus. Vor allem seit den 1960er Jahren trat er wieder in der Staatsoper als Dirigent auf. Im Juni 1979 leitete er seine letzte Premiere an diesem Haus: Die Entführung aus dem Serail von Wolfgang Amadeus Mozart (Regie Dieter Dorn, Bühnenbild und Kostüme Jürgen Rose; mit Edita Gruberová, Horst Laubenthal und Rolf Boysen als Bassa Selim). 1980 dirigierte er bei einer Staatsopern-Tournee in Japan Ariadne auf Naxos von Richard Strauss, und im Frühjahr 1981 fanden seine letzten Auftritte in der Öffentlichkeit statt, als er in der Staatsoper eine Reihe von Aufführungen von Mozarts Le nozze di Figaro leitete. Wenige Wochen vor seinem Tod dirigierte Böhm noch einmal die Wiener Philharmoniker bei der Einspielung der Tonspur für die Elektra-Verfilmung von Götz Friedrich. Den Termin für sein ursprünglich geplantes Abschiedskonzert Anfang September anlässlich der Wiedereröffnung der Alten Oper in Frankfurt am Main erlebte er nicht mehr.

Seine Grabstätte befindet sich auf dem Steinfeldfriedhof in Graz.

NS-Zeit

Böhm war kein Mitglied der NSDAP,[2] gehörte aber dem von Alfred Rosenberg gegründeten Kampfbund für deutsche Kultur an.[3] Auf Fürsprache Hitlers[4] wurde Böhm aus seinem Vertrag als Hamburger Generalmusikdirektor entlassen, um 1934 Nachfolger von Fritz Busch in Dresden werden zu können, den die Nazis aus politischen Gründen zum Rücktritt und zur Emigration gezwungen hatten.

Am 2. August 1935 schrieb Böhm dem Reichsdramaturgen Rainer Schlösser: „Da ich von Geburt aus Österreicher bin, jetzt seit zwölf Jahren reichsdeutscher Staatsangehöriger, und natürlich in Wien viele Anhänger, besonders im nationalsozialistischen Lager habe, glaube ich, daß diese Konzerte propagandistisch von größtem Vorteil für Deutschland sein können. Mit deutschem Gruß, Karl Böhm.“[5] In einem weiteren Schreiben zur Erlangung der Auftrittsgenehmigung in Wien vom 13. August 1935 erklärte er: „Es ist sicher im Sinne der Regierung gelegen, wenn ich als deutscher Dirigent nach Wien gehe, um dort den zahlreichen Anhängern der nationalsozialistischen Idee neue Anregung zu geben, umsomehr als ich gebürtiger Österreicher bin. […] Heil Hitler!“[6]

Nach dem Anschluss Österreichs dirigierte Böhm am 30. März 1938 im Wiener Konzerthaus die Wiener Symphoniker beim „Ersten festlichen Konzert im neuen deutschen Reich“ und begrüßte das Publikum mit dem Hitlergruß (ohne dazu verpflichtet gewesen zu sein)[7] und ließ einleitend das Horst-Wessel-Lied spielen. Zur „Volksabstimmung“ über den „Anschluss“ Österreichs schrieb Böhm in April 1938: „Wer dieser Tat des Führers nicht mit einem hundertprozentigen JA zustimmt, verdient nicht, den Ehrennamen Deutscher zu tragen.“[8]

1939 meinte Böhm, dass „der Weg der heutigen Musik […] gebahnt ist durch die Weltanschauung des Nationalsozialismus“ und befürwortete, dass „alle etwaigen künstlerischen ‚Entgleisungen’, die dem Volksempfinden nicht Rechnung trügen, von vornherein unmöglich gemacht werden“.[9]

1941 wurde Böhm im Buch Künstler plaudern wie folgt zitiert: „In München hatte ich ein unvergessliches Erlebnis: Es war an jenem denkwürdigen 9. November 1923, da die braunen Kolonnen Adolf Hitlers zum Marsch nach der Feldherrnhalle antraten. […] dort spielten sich die erschütternden Ereignisse ab, die einen Markstein in der deutschen Geschichte bilden. […] wir sahen das Blut, das für die Idee vergossen wurde, die siegreich geworden ist.“[10]

Infolge der Intervention von Reichsleiter Baldur von Schirach erhielten Karl Böhm und seine Frau Thea eine arisierte Villa in Wien 18, Sternwartestrasse 70, deren rechtmäßige Eigentümer nach dem Krieg entschädigt wurden.[11]. 1944, in der Endphase des Zweiten Weltkriegs, als viele Künstler zu den Waffen gerufen oder zum Arbeitseinsatz an der „Heimatfront“ verpflichtet wurden, nahm ihn Hitler in die Gottbegnadetenliste der wichtigsten Dirigenten auf,[8] was einer Freistellung gleichkam.

Später schrieb Böhm in seinen Memoiren: „Die Tatsache, daß ich nicht emigriert bin, hat man mir später ebenfalls verübelt. […] Ich hatte damals leider kein Angebot von der Met oder von Covent Garden. […] Ich […] glaube aber im Verlaufe meiner Tätigkeiten sowohl in Dresden sowie später in Wien bewiesen zu haben, auf welcher Seite ich immer gestanden bin.“[12]

Folgende antisemitische Äußerung ist von Böhm bekannt: "Solange noch ein Jude in der Ostmark lebt, werde ich nicht zum Taktstock greifen."[13]

Schaffen

Gegenüber progressiven Opernregisseuren zeigte sich der allgemein als schwierig bekannte Böhm – dessen sarkastische oder zynische Bemerkungen legendär sind – bis zuletzt sehr aufgeschlossen. Er konzentrierte sich auf die musikalischen Aspekte einer Inszenierung und vermied es, sich in die Inszenierung einzumischen. So arbeitete er problemlos und wiederholt mit Wieland Wagner, Günther Rennert, Otto Schenk, Jean-Pierre Ponnelle, August Everding oder Dieter Dorn. Seine kongeniale Zusammenarbeit mit Wieland Wagner bei den Bayreuther Festspielen machte ihn insbesondere in Wagnerianerkreisen als einen der großen Wagnerinterpreten bekannt.

Karl Böhm dirigierte zahlreiche berühmte Orchester – vor allem die Wiener Philharmoniker, machte aber auch viele Plattenaufnahmen mit den Berliner Philharmonikern, darunter eine Gesamtaufnahme aller Mozart-Sinfonien – sowie an vielen namhaften Opernhäusern in Europa und den USA – etwa an der Metropolitan Opera in New York City. Jahrzehntelang verbunden war er auch der Deutschen Oper Berlin und vielen bedeutenden Musikfestpielen (u. a. den Bayreuther Festspielen und vor allem den Salzburger Festspielen). Besonders eng war seine jahrzehntelange Beziehung zu den Wiener Philharmonikern, mit denen er zahlreiche Plattenaufnahmen realisierte, von denen einige auch als Film erhalten sind. Der Schwerpunkt seines Repertoires lag auf der österreichischen und deutschen Musik der Klassik und Romantik. Ihm wurde eine Vorliebe zur Musik Mozarts – den er, eigener Aussage zufolge, für einen Revolutionär hielt – nachgesagt, zu Richard Strauss unterhielt er seit seiner Zeit in Dresden eine freundschaftliche Beziehung und dirigierte einige Uraufführungen Strauss’scher Werke. In der Öffentlichkeit wurde Böhm im Kontrast zu seinem als mondän geltenden Landsmann Herbert von Karajan eher als bodenständiger Musiker wahrgenommen.

Auszeichnungen und Ehrungen

Privates

Aus seiner 1927 geschlossenen Ehe mit der Sopranistin Thea Linhard ging der Schauspieler und Philanthrop Karlheinz Böhm hervor.

Literatur

  • Karl Böhm: Ich erinnere mich ganz genau. Hrsg. Hans Weigel. Neuauflage. dtv, München 1980, ISBN 978-3-423-02519-5.
  • Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945. Kiel 2004, CD-ROM-Lexikon, S. 602–611.
  • Deutscher Wirtschaftsverlag, AG (Hg.): Reichshandbuch der Deutschen Gesellschaft, Band 1, Berlin, 1931

Einzelnachweise

  1. Oliver Rathkolb: Führertreu und gottbegnadet. Künstlereliten im Dritten Reich, Österreichischer Bundesverlag Wien 1991.
  2. Prieberg, a. a. O., S. 602.
  3. Joachim Riedl: Wer war Karl Böhm.
  4. Prieberg, a. a. O., S. 603.
  5. Bundesarchiv R 55/1186 Blatt 132, zit. nach Prieberg, a. a. O., S. 605.
  6. Opfer, Täter, Zuschauer. 70 Jahre danach – Die Wiener Staatsoper und der „Anschluss“ 1938. Ausstellungskatalog der Wiener Staatsoper, Wien 2008, S. 62.
  7. Anweisung des Propagandaministeriums an die Reichmusikkulturkammer vom 28. Dezember 1936, AZ I.B.1375: „Die Begrüßung des Publikums mit dem deutschen Gruß bei Symphonie-Konzerten ist bisher nicht üblich gewesen; jedoch ist der deutsche Gruß auch bei solchen Gelegenheiten erwünscht. Ein Zwang auf die Dirigenten wegen der Form, in der sie das Publikum begrüßen, ist aber keinesfalls auszuüben.“ In: Amtliche Mitteilungen der Reichsmusikkammer, IV/3, 4. März 1936
  8. 1 2 Zitat bei Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007. ISBN 978-3-10-039326-5, S. 62.
  9. Der Weg der heutigen Musik. In: Sonderheft der „Kameradschaft Deutscher Künstler“ vom 20. April 1939.
  10. Harry Erwin Weinschenk (Hrsg.: Künstler plaudern. Limpert, Berlin 1941, S. 48 (Es ist übrigens die einzige politische Stellungnahme in diesem Buch.)
    Dazu Böhm in seiner Autobiographie Ich erinnere mich ganz genau. Neuauflage. Wien 1974, S. 148: „Dieser Satz ist so dumm, daß ich ihn ganz sicher nie gesagt habe. Aber da er im Buch stand, hat man mir daraus den Strick gedreht.“
  11. Markus Kristan (Gabriela Gantenbein Hg.), "Hubert Gessner", S.108f., Passagenverlag 2011, ISBN 978-3-85165-975-7
  12. Karl Böhm: Ich erinnere mich ganz genau. Neuauflage. Molden, Wien 1974, ISBN 3-218-00640-2, S.70
  13. Stephan Templ, Tina Walzer: Unser Wien. „Arisierung“ auf österreichisch. Aufbau Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-351-02528-9. S. 189
  14. Aufstellung aller durch den Bundespräsidenten verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ab 1952
  15. Hohe französische Ehren für Karl Böhm. Arbeiter-Zeitung, 5. September 1976, S. 8, rechts Mitte