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vom 04.04.2022, aktuelle Version,

Fabio Luisi

Fabio Luisi (2009)
Unterschrift von Fabio Luisi

Fabio Luisi (* 17. Januar 1959 in Genua) ist ein italienischer Dirigent. Er gilt als einer der führenden Interpreten italienischer Opern und des spätromantischen Repertoires und wurde für seine Aufnahmen mehrfach mit internationalen Schallplattenpreisen ausgezeichnet. 2012 bis 2021 war er Generalmusikdirektor (GMD) am Opernhaus Zürich und seit 2017 Chefdirigent des Dänischen Radio-Sinfonieorchesters. Außerdem ist er designierter Musikdirektor des Dallas Symphony Orchestra für die Saison 2020/21.

Er war Künstlerischer Direktor der Grazer Symphoniker (1990–1996), Chefdirigent des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich (1994–2000), Chefdirigent des MDR-Sinfonieorchesters (1996–2007), Musikdirektor des Orchestre de la Suisse Romande (1997–2002), Chefdirigent der Wiener Symphoniker (2005–2013) und Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden (2007–2010), wo er gleichzeitig als GMD der Semperoper wirkte. 2010/11 vertrat er den erkrankten Musikdirektor James Levine als Erster Gastdirigent an der Metropolitan Opera in New York; von 2011 bis 2017 war er dort Principal Conductor.

Als künstlerischer bzw. musikalischer Direktor stand er u. a. dem Pacific Music Festival in Japan (2004, 2008 und 2010–2012) und der Opera di Firenze / dem Maggio Musicale Fiorentino (2018–2019) vor und leitet als Musikdirektor das Festival della Valle d’Itria (seit 2015).

Leben

Herkunft und Studium

Fabio Luisi wurde 1959 als Sohn eines toskanischen Lokomotivführers in Genua geboren. Luisi begann im Alter von vier Jahren mit einer Klavierausbildung. Wegen einer ernsthaften Asthmaerkrankung suchten seine Eltern eine Möglichkeit der Ablenkung, die Entscheidung fiel auf die Musik.[1] In seiner Heimatstadt besuchte Luisi das humanistische Gymnasium „Cristoforo Colombo“ und absolvierte sein Abitur im Jahr 1978, nur wenige Wochen bevor er seine Klavierdiplomprüfung mit 9,6 von 10 Punkten als Privatschüler von Memi Schiavina am Konservatorium „Niccolò Paganini“ in Genua ablegte.[2]

Grazer Musikhochschule (vor der Renovierung 2008)

Danach schrieb er sich zunächst an der Universität Genua in Griechisch und Latein ein, absolvierte aber keine Prüfungen und wandte sich weiter der Musik zu.[3] Im gleichen Sommer lernte er im südfranzösischen Orange den italienischen Pianisten Aldo Ciccolini kennen, der ihn für einen Meisterkurs und weitere Klavierstudien nach Paris einlud. Bei ihm vertiefte Luisi insbesondere das französische Repertoire von Claude Debussy und César Franck.[4] Gleichzeitig setzte er sein Klavierstudium in Italien bei Antonio Bacchelli fort. Im Jahr 1979 nahm er an einem Meisterkurs für Klavier bei Adam Harasiewicz auf Schloss Grafenegg in Niederösterreich teil.[5]

Zwei Begegnungen ließen in Fabio Luisi den Wunsch reifen, zu dirigieren: mit der Sopranistin Leyla Gencer, mit der er als Korrepetitor für Oper und Lied arbeitete, und mit Rodolfo Celletti, der ihn als Korrepetitor zum im Sommer stattfindenden Festival della Valle d’Itria nach Martina Franca einlud. Nach zwei Jahren als Vertragslehrer für Musiktheorie und Kammermusik am Konservatorium „Giacomo Puccini“ im norditalienischen La Spezia zog Luisi nach Österreich, um sein Kapellmeisterstudium zu beginnen. Der ehemalige Chefdirigent des Radio-Symphonieorchesters Wien, Milan Horvat, den er in Genua kennengelernt hatte, und der Operettenchef der Grazer Oper, Walter Goldschmidt, wurden seine wichtigsten Lehrer an der Musikhochschule in Graz.[6] Im Jahr 1983 erhielt er sein Kapellmeisterdiplom mit Auszeichnung und wurde wenig später Assistent von Milan Horvat.

Beruflicher Werdegang

Beginn in Graz und Wien

Nach seiner Assistenzzeit trat er sein erstes Engagement als Korrepetitor mit Dirigierverpflichtung an der Grazer Oper an.[7] Er debütierte 1984 als Dirigent in Martina Franca (Requiem von Domenico Cimarosa), im selben Jahr auch an der Grazer Oper mit der Opera buffa Viva la Mamma von Gaetano Donizetti und am Teatro dell’Opera Giocosa in Genua mit Il turco in Italia von Gioachino Rossini.[8] In den folgenden Jahren dirigierte Luisi an der Grazer Oper weitere Opern, Operetten und Ballette.

Luisi trennte sich 1987 von der Grazer Oper und begann eine internationale Dirigiertätigkeit, die ihn als Gast in renommierte Opernhäuser und zu Sinfonieorchestern brachte, u. a. Staatstheater Stuttgart (1987), Nationaltheater Mannheim (1987), hr-Sinfonieorchester in Frankfurt (1988), Deutsche Oper Berlin (1988), Opéra national de Bordeaux (1988), Münchner Rundfunkorchester (1989) und Gewandhausorchester Leipzig (1989). Die in dieser Zeit angebotene Nachfolge von GMD Gabriele Ferro an der Stuttgarter Oper lehnte er ab, weil er gleichzeitig andere Vertragsverhandlungen führte.[9] Im Jahr 1989 debütierte er durch Vermittlung von Wolfgang Sawallisch an der Bayerischen Staatsoper in München, an der Berliner Staatsoper Unter den Linden und an der Wiener Staatsoper.[10] Seitdem ist Luisi ständiger Gast dieser Opernhäuser, mit zahlreichen Dirigaten von Repertoirevorstellungen, Wiederaufnahmen und neuen Produktionen. Im Jahr 1990 wurde unter seiner künstlerischen Leitung, die er bis 1996 innehatte, das Grazer Symphonische Orchester neu gegründet.[11]

Im Jahr 1995 wurde Luisi Chefdirigent des Niederösterreichischen Tonkünstlerorchesters in Wien.[12] Mit diesem Klangkörper unternahm er 1998 eine Tournee nach Japan und dirigierte bis zum Ende seines Mandats im Jahr 2000 über 250 Konzerte, die meisten im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins.[13]

Dirigate in Leipzig und Genf

Gemeinsam mit den Dirigentenkollegen Marcello Viotti und Manfred Honeck übernahm Fabio Luisi im Jahr 1996 die Nachfolge von Daniel Nazareth und damit die künstlerische Leitung des MDR-Sinfonieorchesters in Leipzig. Jenes „Triumvirat“ bestand bis 1999, danach wurde Luisi alleiniger Chefdirigent des Orchesters. Im Jahr 2005 brachte er mit Rundfunkchor und -orchester Jean-Luc Darbellays Requiem zur Uraufführung.[14] Schwerpunkt seiner Tätigkeit war, neben Auslandstourneen und Konzerten im Sendegebiet, die Leitung von Rundfunkproduktionen. Es entstanden Aufnahmen u. a. von Werken Mahlers, Verdis, Berlioz’, Francks und Bizets. Luisi ließ seinen Vertrag 2007 trotz angebotener Verlängerung bis 2009 auslaufen.

Im Jahr 1997 wurde er als Nachfolger von Armin Jordan Musikdirektor des Orchestre de la Suisse Romande in Genf (bis 2002).[15] Mit dem Orchester nahm er mehrere CDs auf u. a. eine Gesamtaufnahme der symphonischen Werke von Arthur Honegger und zwei Operngesamtaufnahmen für Philips. Auslandstourneen führten ihn nach Japan (1999) und Österreich. In der Schweiz brachte er 2000 Jean-Luc Darbellays Oyama zur Uraufführung.[16] Im Jahr 1997 debütierte er an der Opéra Bastille in Paris.[17] Im Februar 2000 gab Fabio Luisi seinen Einstand in den Vereinigten Staaten mit einem Konzert mit dem New York Philharmonic Orchestra[18] und wenige Monate später an der Lyric Opera in Chicago.

Anfang des Jahres 2000 war Luisi auf Wunsch des Intendanten Udo Zimmermann (2001–2003) als Nachfolger des scheidenden GMD Christian Thielemann designierter Generalmusikdirektor der Deutschen Oper Berlin.[19] In den nächsten Monaten kam es allerdings zu öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzungen mit dem Land Berlin, dessen Senat schließlich den Vertrag aufgrund vermeintlich überhöhter Gehaltsforderungen Luisis nicht genehmigte.[20] Nachdem sich Fabio Luisi nach eigenen Aussagen dem „nicht sehr theaterkompetenten Kultursenator und einigen Westberliner Politikern“ ausgesetzt sah, verzichtete er Ende 2000 auf Anraten Zimmermanns auf sein Amt. Hinter den Kulissen sprachen sich die überwiegende Mehrheit der Orchestermitglieder und die Fraktionsvorsitzenden der beiden Volksparteien Klaus-Rüdiger Landowsky (CDU) und Klaus Wowereit (Regierender Bürgermeister, SPD) für den Verbleib des alten GMD aus, des Berliners Christian Thielemann.

In den Jahren 2004, 2008 und 2010–2012 war er künstlerischer Leiter und Chefdirigent des Pacific Music Festival in Sapporo/Japan.[21]

Engagements in Dresden und Wien

Semperoper Dresden (2007)

Im Jahr 2002 debütierte Luisi in einer Neuproduktion des Regisseurs Günter Krämer mit der Oper Die Liebe der Danae von Richard Strauss bei den Salzburger Festspielen.[22] Erneut wurde er 2003 und 2006 eingeladen.[23] Damals begann eine stetige Zusammenarbeit mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Nächste Aufgaben brachten ihn zur Staatsoper Unter den Linden in Berlin und nach Dresden zur Semperoper für Neuproduktionen von Verdi und Puccini (2004). Luisi gab 2005 mit Verdis Don Carlos sein Debüt an der Metropolitan Opera in New York.[24] An der Bayerischen Staatsoper in München dirigierte er 2005 zwei Neuproduktionen von Verdi und Humperdinck. Seinen ersten Ring des Nibelungen leitete er 2006 an der Semperoper.

Im Januar 2004 wurde Luisi als GMD der Sächsischen Staatsoper Dresden und gleichzeitig als Chefdirigent der Staatskapelle Dresden nominiert.[25] Sein Vorgänger Bernard Haitink kritisierte das undurchsichtige Wahlverhalten der Orchestermusiker und plädierte für eine Wiederholung der Abstimmung, was der Orchestervorstand und der Intendant Gerd Uecker allerdings ablehnten.[26] Luisi trat sein neues Amt ordnungsgemäß mit der Spielzeit 2007/08 an. Luisi initiierte gemeinsam mit dem KlangNetz Dresden die Einrichtung eines jährlich wechselnden Capell-Compositeurs. Luisi dirigierte von 2007 bis 2009 Uraufführungen der Capell-Compositeure Isabel Mundry (Balancen)[27], Bernhard Lang (Monadologie II: A New Don Quichotte)[28] und Rebecca Saunders (traces (Spuren))[29]. Auslandstourneen führten ihn mit dem Orchester u. a. nach Asien und in die USA.

Gemeinsam mit der Schauspielerin Nadja Uhl wurde er 2009 Präsident der Stiftung der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig.[30]

Im Februar 2010 beendete Luisi sein Engagement in Dresden vorzeitig per außerordentlicher Kündigung. Seinen Aussagen zufolge habe das Management des Orchesters Gespräche über ein Silvesterkonzert 2010 im ZDF nicht mit ihm abgestimmt.[31][32] Er bestand auf seinen Rechten als Generalmusikdirektor und sah unüberwindbare Hindernisse in der weiteren Zusammenarbeit zwischen Orchester und Dirigenten. Luisi kritisierte in diesem Zusammenhang den Einfluss der Medien bei der programmatischen Gestaltung und die damit einhergehende Zurückhaltung des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst.[33] Dessen Leiterin, Sabine von Schorlemer, hingegen verlangte von Luisi Vertragserfüllung und drohte mit einem juristischen Nachspiel.[34] Noch im selben Monat verkündete Luisi der Tageszeitung Die Presse „Ich bin desavouiert.“[35] Zu seinem Nachfolger wurde bereits 2009 Christian Thielemann, der in der Saison 2012/13 von den Münchner Philharmonikern nach Dresden wechselte, auserkoren, nachdem Luisi auf eine Vertragsverlängerung verzichtet hatte.[36]

Im Jahr 2005 wurde Luisi als Nachfolger von Wladimir Fedossejew einstimmig zum Chefdirigent der Wiener Symphoniker ernannt und leitete sogleich von 2005 bis 2006 mit Verdis Troubadour die Seebühnenproduktion der Bregenzer Festspiele. Am 10. Dezember 2005 leitete er im Wiener Konzerthaus die Uraufführung von Bernhard Langs DW 14 für Saxophon, Jazztrio und Orchesterloops, die durch den ORF aufgenommen wurde. Am Vorabend des 26. Oktober 2006 dirigierte er das erste Konzert zum Nationalfeiertag, erneut im Jahr 2009. Neben dem umfangreichen konzertanten Wirken mit den Wiener Symphonikern leitete er u. a. Inszenierungen von Mozarts La finta semplice und Die Zauberflöte im Theater an der Wien. 2008 folgte die konzertante Aufführung von Bellinis I Capuleti e i Montecchi mit Anna Netrebko und Elīna Garanča im Wiener Konzerthaus, im November 2011 eine ausgedehnte USA-Tournee mit Konzerten u. a. in New York und Chicago. Das Chefdirigat für die Wiener Symphoniker endete im Sommer 2013.

Ausflug nach New York sowie Stellen in Zürich und Kopenhagen

Luisi wurde 2010 Erster Gastdirigent an der Metropolitan Opera in New York.[37] Für zwei Konzerte 2011 wurde er in einigen Medien kritisiert, weil er anstehende Verpflichtungen mit den Wiener Symphonikern und der San Francisco Symphony dafür absagen musste.[38] Für die Saison 2012/13 wurde er als Principal Conductor der Met verpflichtet. Er sollte bis 2013 vollständig für den erkrankten James Levine einspringen.[39] Das Management der Met handelte ihn zwischenzeitlich öffentlich als potenziellen Nachfolger von Levine.[40][41] An der Juilliard School in New York unterrichtete er in dieser Zeit im Rahmen eines Meisterkurses.[42] Seit 2018 gehört er dem Advisory Board des Montclair Orchestra in New Jersey an.[43]

Im Herbst 2012 wurde Luisi außerdem für fünf Jahre als Generalmusikdirektor und Nachfolger von Daniele Gatti am Opernhaus Zürich bestellt.[44] Er will sich für ein größeres Repertoire des Orchesters des Opernhauses einsetzen.[45] Verstärkt strebt er Gastspiele des Orchesters an. Für die bessere Vermarktung ließ er es in Philharmonia Zürich umbenennen.[46] Die Oper Zürich erhielt in seiner Amtszeit den International Opera Award in der Kategorie Opera Company;[47] im Jahr 2018 war Luisi in der Kategorie Conductor nominiert.[48] 2013 war er an der Mailänder Scala im Gespräch. Obwohl sich die Orchestermitglieder mehrheitlich für ihn aussprachen, fiel die Entscheidung schließlich auf Riccardo Chailly.[49]

Aus Protest gegen das Ansinnen der genuesischen Kulturbeauftragten, u. a. den nicht unumstrittenen[50] Juror Zakhar Bron als „Botschafter“ hinzuzuziehen, trat Luisi 2018 von seinem Posten als Vorsitzender des Violinwettbewerbs Premio Paganini zurück.[51][52]

Überdies nimmt Luisi Verpflichtungen als Musikdirektor in Italien wahr: Festival della Valle d’Itria[53] (seit 2015), Accademia del Belcanto „Rodolfo Celletti“[54] (seit 2016) sowie Opera di Firenze und Maggio Musicale Fiorentino[55] (seit 2018; in der Nachfolge von Zubin Mehta). Beim Festival della Valle d’Itria 2016 verantwortete er die Uraufführung der wiederentdeckten Dante-Oper Francesca da Rimini (1830/31) von Saverio Mercadante.[56] 2017 leitete er das Neujahrskonzert von Venedig im Teatro La Fenice. Seit der Saison 2017/18 ist er neben seiner Tätigkeit in Zurich als Nachfolger von Rafael Frühbeck de Burgos Chefdirigent des Dänischen Radio-Sinfonieorchesters in Kopenhagen.[57] Im Juni 2018 ernannte man ihn zum designierten Musikdirektor für die Saison 2019/20 beim Dallas Symphony Orchestra in Texas, wo er die Louise W. & Edmund J. Kahn Music Directorship innehaben wird. Ab 2020/21 soll er offiziell Jaap van Zweden folgen.[58]

Im Juli 2019 kündigte Luisi in einem Brief an Bürgermeister Dario Nardella und Geschäftsführer Cristiano Chiarot seinen Rücktritt als Musikdirektor des Teatro del Maggio Musicale Fiorentino an.[59][60]

Familie

Fabio Luisi ist mit der Fotografin und Violinistin Barbara Luisi (* 1964) verheiratet. Sie haben drei Kinder. Der Astrophysiker Matteo Luisi ist sein Sohn aus seiner ersten Ehe mit der Blockflötistin Yvonne Luisi-Weichsel.[61][62] Neben Italienisch spricht Luisi Französisch, Deutsch und Englisch.[63] Sein Bruder Dario Luisi (* 1965) ist Geiger, er lehrte in Wien, Mailand, Venedig und Graz, seit 2010 ist er Fachbereichsleiter „Alte Musik“ am Johann-Joseph-Fux-Konservatorium Graz.[64]

Parfümproduzent

Im April 2011 gründete Fabio Luisi die FL Parfums LLC mit Sitz in New York City, die seine eigene Parfümkollektion aus Naturduftstoffen vertreibt.[65][66]

Bedeutung

The 179th Metropolitan Opera performance of Giuseppe Verdi Don Carlo (2005)

Fabio Luisi gehört zur jüngeren italienischen Dirigentengeneration eines Riccardo Chailly, Daniele Gatti und Antonio Pappano. Der langjährige Direktor der Wiener Staatsoper Ioan Holender führte in seiner Laudatio anlässlich der Verleihung des Österreichischen Ehrenkreuzes aus:[67] „Fabio Luisi ist heute ein führender Dirigent sowohl auf dem Konzertgebiet als auch in der weiten Welt der Oper, auch einer der wichtigsten und besten Dirigenten unseres Hauses […] Er gehört zu jenen, heute altmodisch genannten, die ihren Beruf von der Pike auf gelernt haben. Zu jenen Menschen, die durch langen, mühevollen Aufstieg zum Gipfel gelangten […]“. Für Walter Dobner (Musikkritiker) ist Luisi „für seine Leidenschaft, Stilsicherheit und musikalische Kompetenz“ bekannt. Er sei bisher „mit konsequenter, qualitätvoller Arbeit international erfolgreich“ gewesen. Seine Erfahrung weise ihn „als einen der führenden Dirigenten seiner Generation“ aus.[68] Rupert Schöttle stellte in seinem Gesprächsband mit großen Dirigenten fest, dass der zurückhaltende Luisi „in relativ kurzer Zeit in die Reihen der weltweit bedeutendsten Dirigenten aufgestiegen ist“.[69]

Luisi nennt Dirigenten wie Hermann Abendroth, Hans Schmidt-Isserstedt, Joseph Keilberth, Eugene Ormandy und Wolfgang Sawallisch als seine Vorbilder, weil sie in ihrer Art sehr arbeitsam und zurückhaltend waren.[70] Der ehemalige Chefdramaturg der Deutschen Oper Karl Dietrich Gräwe nannte Luisi einen „unbestechlichen Sachwalter seines Fachs“.[71] Peter Korfmacher, verantwortlicher Kulturredakteur bei der Leipziger Volkszeitung, sieht in Luisi einen unprätentiösen Dirigenten.[72] Der österreichische Dirigent Otmar Suitner verglich Fabio Luisis Dirigierstil mit dem von Leonard Bernstein, denn beide haben eine Vorliebe für energiegeladene und präzise Tempi.[73][74] Der Musikkritiker Egon Bezold attestierte ihm Eleganz und dramaturgisches Handwerkszeug.[75] Durch Luisis flexibles Auf-und-Ab in der musikalischen Darstellung überlässt er den Gesangssolisten bei Opernaufführungen Ausdrucksfreiheit.[76] Die Intendantin der Semperoper Ulrike Hessler beschrieb Luisis Führungsstil als demokratisch.[63] Außerdem hat er nach Aussagen von Hessler ein erfahrenes Auge für junge Gesangstalente.[63]

Fabio Luisi verfügt über ein umfangreiches Repertoire. Er ist einer der führenden Interpreten italienischer Opern und gilt im Besonderen als ausgewiesener Verdi-Experte.[77] Der Musikkritiker Georg-Friedrich Kühn deutet seine Interpretationen als „Schmiegsam, weich, mit gleitenden Tempi“.[78] Gleich stark fühlt sich Luisi dem spätromantischen Repertoire von Komponisten wie Gustav Mahler, Anton Bruckner und Richard Strauss verpflichtet.[79] Für seine Einspielungen wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er hat darüber hinaus zur Wiederentdeckung des österreichischen Komponisten Franz Schmidt beigetragen.[80] Im Bereich der zeitgenössischen Musik brachte er Werke von u. a. Jean-Luc Darbellay und Bernhard Lang zur Uraufführung. Grundsätzlich aber steht er der Neuen Musik kritisch gegenüber. Dem Kölner Stadt-Anzeiger berichtete er: „Das meiste Neue ist nichts. […] Uraufführungen sind oft genug ein Alibi eines Orchesters, das sagt: Guckt mal, wir interessieren uns für Neue Musik. […] Viel wichtiger sind Wiederaufführungen von zeitgenössischer Musik.“[81]

Auszeichnungen

Staatliche Orden und Ehrenzeichen

Akademische Ehrungen

Kulturauszeichnungen

Schallplattenpreise

Für die Strauss-Einspielung „Eine Alpensinfonie op.64 / Vier letzte Lieder“ erhielt er 2008 gemeinsam mit der Sopranistin Anja Harteros und der Staatskapelle Dresden in der Kategorie Surround-Einspielung des Jahres den ECHO-Klassik. Selbiges Orchester wurde unter seiner Leitung ein Jahr darauf für „Anton Bruckner, Sinfonie 9“ in der Kategorie Orchester des Jahres ausgezeichnet.[90] Am 18. April 2018 gab er jedoch in einer Medienmitteilung bekannt, dass er sich nach der umstrittenen Vergabe der Auszeichnung an die Rapper Kollegah und Farid Bang bei der Echoverleihung 2018 von diesem Preis distanziert. Er wurde u. a. zitiert mit: „Es ist erschütternd festzustellen, dass ein Kulturpreis keinerlei ethische Massstäbe kennt, Rassismus und ignorante Inhalte toleriert und sogar auszeichnet, wenn nur die Umsatzzahlen stimmen“.[91]

Diskografie (Auswahl)

CDs

DVDs

Schriften (Auswahl)

Autobiografie

Vorworte

  • Ernest Hoetzl: Musikgeschichte heute? Versuch einer Perspektive. Böhlau Verlag, Wien 1995, ISBN 3-205-98373-4, S. 9 f.
  • Patrick Lo: Conversations with the World's Leading Orchestra and Opera Librarians. Rowman & Littlefield, Lanham 2016, ISBN 978-1-4422-5542-5, S. IX f.

Literatur

  • Triumvirat: Manfred Honeck, Fabio Luisi und Marcello Viotti. In: Jörg Clemen, Steffen Lieberwirth (Hrsg.): Mitteldeutscher Rundfunk. Die Geschichte des Sinfonieorchesters. Kamprad, Altenburg 1999, ISBN 3-930550-09-1, S. 159 ff.
  • Klaus Hubmann: Luisi, Brüder. In: Oesterreichisches Musiklexikon. Online-Ausgabe, Wien 2002 ff., ISBN 3-7001-3077-5; Druckausgabe: Band 3, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2004, ISBN 3-7001-3045-7.
  • Luisi, Fabio. In: Brockhaus-Riemann Musiklexikon. CD-Rom, Directmedia Publishing, Berlin 2004, ISBN 3-89853-438-3, S. 13398.
  • Björn Achenbach: Italienisch für Anfänger. Das MDR-Sinfonieorchester unter Fabio Luisi. In: Leipziger Blätter 44 (2004), S. 4 f.
  • Fabio Luisi. In: Julia Spinola: Die großen Dirigenten unserer Zeit. Mit ausführlichem Lexikonteil. Henschel, Berlin 2005, ISBN 3-89487-480-5, S. 246–247.
  • Luisi, Fabio. In: Axel Schniederjürgen (Hrsg.): Kürschners Musiker-Handbuch. 5. Auflage, Saur Verlag, München 2006, ISBN 3-598-24212-3, S. 286.
  • Luisi, Fabio. In: Michael Kennedy, Joyce Bourne Kennedy: The Concise Oxford Dictionary of Music (Oxford Paperback Reference). 5. Auflage, Oxford University Press, Oxford 2007, ISBN 978-0-19-920383-3, S. 216.
  • Walter Weidringer: Quintett. Vom Niederösterreichischen Tonkünstlerorchester zum n.t.o. 1975–2003. In: Rainer Lepuschitz (Hrsg.): Die Tonkünstler, 1907–2007. Orchester-Geschichten aus Wien und Niederösterreich. Residenz-Verlag, St. Pölten u. a. 2007, ISBN 978-3-7017-3060-5, S. 104 ff.
  • Luisi, Fabio. In: Wolfgang Suppan: Steirisches Musiklexikon. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage der Ausgabe 1962–1966. Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 2009, ISBN 978-3-201-01888-3, S. 429.
  • Julian Caskel: Luisi, Fabio. In: Julian Caskel, Hartmut Hein (Hrsg.): Handbuch Dirigenten. 250 Porträts. Bärenreiter, Kassel 2015, ISBN 978-3-7618-2174-9, S. 261–262.
  • Der Zurückhaltende: Fabio Luisi. In: Rupert Schöttle: Die Weisheit der Götter. Große Dirigenten im Gespräch. Styria Premium, Wien u. a. 2016, ISBN 978-3-222-13544-6, S. 129 ff.
Commons: Fabio Luisi  – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Fabio Luisi: Erst der halbe Weg. Autobiografie. Wien 2008, S. 4.
  2. Fabio Luisi: Erst der halbe Weg. Autobiografie. Wien 2008, S. 8.
  3. Fabio Luisi: Erst der halbe Weg. Autobiografie. Wien 2008, S. 9.
  4. Fabio Luisi: Erst der halbe Weg. Autobiografie. Wien 2008, S. 11.
  5. Fabio Luisi: Erst der halbe Weg. Autobiografie. Wien 2008, S. 12.
  6. Fabio Luisi: Erst der halbe Weg. Autobiografie. Wien 2008, S. 17.
  7. Fabio Luisi: Erst der halbe Weg. Autobiografie. Wien 2008, S. 27.
  8. Fabio Luisi: Erst der halbe Weg. Autobiografie. Wien 2008, S. 25.
  9. Fabio Luisi: Erst der halbe Weg. Autobiografie. Wien 2008, S. 32.
  10. Fabio Luisi: Erst der halbe Weg. Autobiografie. Wien 2008, S. 37.
  11. Fabio Luisi: Erst der halbe Weg. Autobiografie. Wien 2008, S. 40.
  12. Fabio Luisi: Erst der halbe Weg. Autobiografie. Wien 2008, S. 50.
  13. Walter Weidringer: Quintett. Vom Niederösterreichischen Tonkünstlerorchester zum n.t.o. 1975–2003. In: Rainer Lepuschitz (Hrsg.): Die Tonkünstler, 1907–2007. Orchester-Geschichten aus Wien und Niederösterreich. Residenz-Verlag, St. Pölten u. a. 2007, ISBN 978-3-7017-3060-5, S. 104–141, hier: S. 125.
  14. Musik Texte 104–107 (2005), S. 107.
  15. Fabio Luisi: Erst der halbe Weg. Autobiografie. Wien 2008, S. 57.
  16. Daten & Termine 2000. Tre Media Musikverlage. Abgerufen am 3. Mai 2012.
  17. Fabio Luisi: Erst der halbe Weg. Autobiografie. Wien 2008, S. 61.
  18. Fabio Luisi: Erst der halbe Weg. Autobiografie. Wien 2008, S. 74.
  19. Peter Uehling: Fanatismus, Spaß am Lärm In: Berliner Zeitung, 18. Mai 2000.
  20. Harriet Dreier: Berliner Taktstock-Krieg. Luisis Austreibung. In: Spiegel Online, 15. Dezember 2000.
  21. Artistic Directors and Principal Conductors after Bernstein, pmf.or.jp, 25. August 2018.
  22. Fabio Luisi: Erst der halbe Weg. Autobiografie. Wien 2008, S. 82.
  23. Suchanfrage nach Künstler „Fabio Luisi“ im Archiv der Salzburger Festspiele, salzburgerfestspiele.at, abgerufen am 25. August 2018.
  24. Fabio Luisi, metopera.org, abgerufen am 25. August 2018.
  25. Fabio Luisi: Erst der halbe Weg. Autobiografie. Wien 2008, S. 104.
  26. Bernard Haitink wirft Dresden Rufschädigung vor. In: Berliner Morgenpost, 24. Mai 2004.
  27. Fabio Luisi: Erst der halbe Weg. Autobiografie. Wien 2008, S. 137.
  28. Veranstaltungen: 26. August 2008 (Memento vom 26. August 2018 im Internet Archive) im Archiv des Netzwerks Neue Musik, netzwerkneuemusik.de, abgerufen am 25. August 2018.
  29. Veranstaltungen: 26. August 2009 (Memento vom 26. August 2018 im Internet Archive) im Archiv des Netzwerks Neue Musik, netzwerkneuemusik.de, abgerufen am 25. August 2018.
  30. Die Stiftung der Hochschule für Musik und Theater Leipzig, hmt-leipzig.de, abgerufen am 25. August 2018.
  31. Dirigent Luisi wirft in Dresden das Handtuch. SZ-Online vom 3. Februar 2010.
  32. Chefdirigent Fabio Luisi gibt sein Amt auf. Zeit Online vom 3. Februar 2010.
  33. Dirigent Fabio Luisi tritt in Dresden vorzeitig zurück. Welt Online vom 3. Februar 2010.
  34. Dresden: Fabio Luisis Kündigung wird Gerichtssache. derStandard.at vom 7. Februar 2010.
  35. Wilhelm Sinkovicz: Fabio Luisi: „Ich bin desavouiert“. (Memento vom 18. April 2019 im Internet Archive) In: Die Presse, 22. Februar 2010.
  36. Reinhard J. Brembeck: Ade München, auf zur Wunderharfe. Süddeutsche Zeitung online, vom 9. Oktober 2009.
  37. Met verpflichtet Fabio Luisi als Ersten Gastdirigenten. nmz-Online vom 28. April 2010.
  38. Anthony Tommasini: Guest No Longer, Conductor Raises His Profile at Met. The New York Times' Online vom 16. September 2011.
  39. Fabio Luisi ist ab sofort Chefdirigent der Met. In: derStandard.at, 9. September 2011.
  40. Heidi Waleson: Next in Line at the Opera. Wall Street Journal Online vom 27. September 2011.
  41. Susanne Kübler: Wir können in die Tiefe arbeiten. In: Tages-Anzeiger vom 30. Mai 2011, S. 23.
  42. Master Classes, juilliard.edu, abgerufen am 25. August 2018.
  43. The Montclair Orchestra, montclairorchestra.org, abgerufen am 15. September 2018.
  44. Fabio Luisi wird Chefdirigent am Zürcher Opernhaus. NZZ Online vom 30. Juni 2009.
  45. Fragen an Fabio Luisi (Memento vom 13. Januar 2016 im Internet Archive) (PDF; 569 kB). Abgerufen am 11. August 2012.
  46. Oper ist kein Museum, sondern die lebendigste aller Kunstformen. Der Bund online vom 29. Februar 2012.
  47. Winners 2014, operaawards.org, abgerufen am 25. August 2018.
  48. Winners 2018, operaawards.org, abgerufen am 25. August 2018.
  49. Scala: Luisi gegen Chailly, pizzicato.lu, abgerufen am 25. August 2018.
  50. Rebecca Schmid: International Boris Goldstein Violin Competition responds to criticism. thestrad.com, 2. Februar 2015.
  51. Norman Lebrecht: You vote for my pupil, I’ll vote for yours – the truth about music competitions. spectator.co.uk, 23. Juni 2018.
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