Drach, Albert#
* 17. 12. 1902, Wien
† 27. 3. 1995, Mödling, Niederösterreich
Erzähler, Lyriker, Anwalt
Albert Drach, wurde am 17. 12. 1902 in Wien als Sohn von Wilhelm Drach und seiner zweiten Frau Jenny Pater geboren. Der Vater war zuerst Mathematiklehrer und war später im Vorstand der Österreichischen Länderbank.
Albert Drach wuchs in Wien auf, besuchte das Gymnasium und beschloss früh, Schriftsteller zu werden.
Bereits mit zwölf Jahren veröffentlichte Drach erste Gedichte im Wiener Journal und wurde von Anton Wildgans gefördert. Sein Gedichtband "Kinder der Träume" erschien bereits 1919. 1917 kaufte sein Vater den Marienhof in Mödling und die Familie übersiedelte dorthin, während Albert in Wien blieb und Rechtswissenschaften an der Universität Wien studierte (Promotion 1926).
Während des gerichtlichen Vorbereitungsdiensts und den Vorbereitungen zur Rechtsanwaltsprüfung entstanden u. a. das Dichterdrama "Das Passionsspiel von der Lüge und der Lächerlichkeit" und das "Satansspiel vom Göttlichen Marquis"; neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit führte er später eine Anwaltskanzlei in Mödling.
Nach dem Anschluss Österreichs und dem Berufsverbot für jüdische Anwälte 1938 verließ Drach Österreich erst im letzten Augenblick und floh über Jugoslawien und Italien nach Frankreich, war dort in verschiedenen Sammellagern interniert und wurde schließlich in das Auslieferungslager Rivesaltes deportiert.
Von dort entkam er mit Hilfe von Dokumenten seiner Halbschwester und der Uminterpretation des Kürzels "I.K.G" auf seinem Heimatschein von "Israelitische Kultusgemeinde" zu "Im katholischen Glauben".
Bis zum Ende des Krieges versteckte er sich in Valdeblore, einem Bergdorf in den französischen Meeralpen. 1946/47 kehrte er nach Österreich zurück und arbeitete an seinem autobiographischen Emigrationsbericht "Unsentimentale Reise".
Drach fand keine Publikationsmöglichkeit für das bereits im Exil entstandene und 1939 vollendete "Große Protokoll gegen Zwetschkenbaum" und fand auch keine Aufnahme in den österreichischen Schriftstellerverband, er musste wieder - wie vor der Emigration - seinem Beruf als Anwalt nachgehen. 1954 heiratete Drach seine langjährige Geliebte Gerty Rauch, sie lebten im "Drach-Hof" in Mödling, um dessen Rückerstattung er bis 1955 kämpfte.
Im Jahr 1964 erschien endlich "Das Große Protokoll gegen Zwetschkenbaum" im Langen-Müller Verlag und war ein so großer Erfolg, dass der Verlag eine Werkausgabe des erst mit 62 Jahren entdeckten Schriftstellers vorbereitete.
Der unverhoffte Erfolg hatte einen ungeheuren Produktionsschub zur Folge. Es entstanden die Romanprotokolle "Z.Z das ist die Zwischenzeit" und "Untersuchung an Mädln", die Drach innerhalb eines Jahres zu Papier brachte. 1965 erschienen die "Kleinen Protokolle", die freundlich rezipiert und besprochen wurden.
Trotz der Veröffentlichung der Dramenbände Das Kasperlspiel vom Meister Siebentot und weitere Verkleidungen (1965) und Das Aneinandervorbeispiel (1966) ist Drach kein Erfolg als Dramatiker beschert.
Der 1966 veröffentlichte, autobiographische Roman "Unsentimentale Reise" war kaum wahrgenommen worden und Drach wurde von Kritikern - wie auch bei den zuvor erschienenen Romanen - auf seinen altmodischen Kanzleistil reduziert. Seine bekanntesten Werke sind in dem ihm eigenen Protokollstil abgefasst, der sich vom Stil behördlicher Protokolle ableitet - mit der Verwendung indirekter Rede und nüchterner bis ironischer Distanz. Weder die Problematik des Exils, noch Drachs Sprachskepsis wurden von der zeitgenössischen Kritik erkannt.
Drachs schriftstellerische Existenz zeichnete sich durch eine extreme Ungleichzeitigkeit seiner literarischen Produktion einerseits und der Publikation und Rezeption seiner Arbeiten anderseits aus.
Erst 1988 im Alter von 86 Jahren wurde Drach durch die Auszeichnung mit dem Georg-Büchner-Preis wiederentdeckt, nachdem er ab den 1970er Jahren, in denen er u. a. den Essay über den Marquis de Sade nach dessen urschriftlichen Texten und denen seiner Kontaktpersonen veröffentlicht hatte, als Schriftsteller dem Vergessen anheim gefallen war.
Am 27. März 1995 verstarb Albert Drach in seinem "Drach-Hof" in Mödling.
Auszeichnungen, Preise (Auswahl)#
- 1972 Kulturpreis der Stadt Wien
- 1975 Kulturpreis des Landes Niederösterreich
- 1988 Georg Büchner-Preis
- 1991 Manes-Sperber-Preis
- 1993 Grillparzer-Preis
Werke (Auswahl)#
Gedichtband:- Kinder der Träume, Amalthea, Zürich/Leipzig/Wien 1919
Gesammelte Werke, Langen-Müller, München/Wien:
- Bd. 1. Das große Protokoll gegen Zwetschkenbaum, 1964
- Bd. 2. Das Spiel vom Meister Siebentot und weitere Verkleidungen, 1965
- Bd. 3. Die kleinen Protokolle und das Goggelbuch, 1965
- Bd. 4. Das Aneinandervorbeispiel und die inneren Verkleidungen, 1966
- Bd. 5. Unsentimentale Reise. Ein Bericht, 1966
- Bd. 6. "Z.Z." das ist die Zwischenzeit, (Ab hier: Claassen, Hamburg/Düsseldorf) 1968
- Bd. 7. Gottes Tod ein Unfall, 1972
- Bd. 8. Untersuchung an Mädeln, 1971
Einzelpublikationen:
- In Sachen de Sade, Claassen, Düsseldorf 1974
- Ia und Nein, Hanser, München/Wien 1992
- Das Beileid. Nach Teilen eines Tagebuchs, Droschl, Graz/Wien 1993
- Ironie vom Glück. Kleine Protokolle und Erzählungen, Hanser, München/Wien 1994
- "O Catilina", Hanser, München/Wien 1995
Neuausgabe der gesammelten Werke: Albert Drach. Werke in zehn Bänden. Hrsg. v. Ingrid Cella, Bernhard Fetz, Wendelin Schmidt-Dengler u. Eva Schobel. Paul Zsolnay Verlag, 2002 ff.
- Bd. 1: Untersuchung an Mädeln. Hrsg. v. Ingrid Cella. 2002
- Bd. 2: "Z.Z." das ist die Zwischenzeit. Ein Protokoll. Hrsg. u. mit einem Nachwort von Wendelin Schmidt-Dengler unter Mitarbeit von Eva Schobel. 2003
- Bd. 3: Unsentimentale Reise. Ein Bericht. Hrsg. v. Bernhard Fetz u. Eva Schobel. 2005
- Bd. 4: Das Beileid. Nach Teilen eines Tagebuchs. Hrsg. v. Bernhard Fetz u. Eva Schobel. 2006.
- Bd. 5: Das große Protokoll gegen Zwetschkenbaum. Roman. Hrsg. von Bernhard Fetz und Eva Schobel. 2008.
Literatur#
M. Settele, Der Protokollstil des A. Drach, 1992B. Fetz (Hg.), In Sachen A. Drach, 1995
G. Fuchs (Hg.), A. Drach, 1995
Leseprobe#
aus
Albert Drach - "Das Beileid."
"Am 23. 8. kaufte ich eine neue Zahnpaste. Dies hinderte mich nicht am späteren Onanieren. In der Nacht holte mich der Holländer aus dem Bett und er wollte mit mir in ein Nachtlokal gehen. Dort benahm er sich ausgelassen und lächerlich, tanzte auch mit Kokotten, was ich nicht tat. Dann hatte er kein Geld, die Zeche zu bezahlen, und ich mußte es für ihn tun. Den Morgen darauf ging ich zeitig schwimmen. Dann kam seine Frau zu mir, um ihn abzuholen. Sie war übrigens selbst eine Kokotte gewesen, bevor er sie geheiratet hatte. Er hätte mir das Geld wieder bringen sollen, das ich für ihn ausgelegt hatte, war aber am Treffpunkt nicht eingelangt. Dagegen traf ich Sybillens Mutter, die meinen Rat angeblich brauchte. Später ging der Maler Vigny an mir vorbei. Er hatte früher als Sohn von Französischlehrern in Ottakring oder Hernals gelebt, dort Kinder geschändet und sich an Einbrüchen beteiligt, doch nach Verbüßung der Strafen sich wieder in sein Vaterland begeben, dessen Sprache er mit dem Zungenschlag des von ihm missbrauchten Gastlandes versah. Auch fand er die südfranzösischen Kinder nicht so begabt wie die hernalserischen und war schließlich in seinem nunmehrigen Wirkungskreis ein bekannter Maler geworden. An diesem Tage hatte ich keine Lust, mit ihm zu sprechen, er erzählte mir meistens dasselbe von vergangenen schönen Tagen. Am Abend war ich im Kino, in dem ich die Frau eines jüdischen Emigranten, der gleichfalls malte, getroffen hatte. Sie war selbst im KZ gewesen und ist genötigt worden, nackt im Winter, ihr Kind auf dem Arm, bei Tiefsttemperaturen im Freien zu stehen. Das Kind ist gestorben und sie konnte keines mehr bekommen. Ihre Schönheit blieb." (S. 50) © 2006, Zsolnay Verlag, Wien.
LITERATURHAUS
Quellen#
AEIOULiteraturhaus
Österreichisches Literaturarchiv Bestände Redaktion: I. Schinnerl