Reich, Wilhelm#
* 24. 3. 1897, Dobrzcynica (Ukraine)
† 3. 11. 1957, Lewisburg (USA)
Psychoanalytiker, Therapeut, Erfinder
Wilhelm Reich wurde am 24. März 1897 in Dobrcanica (damals Galizien, deutsch-ukrainischer Teil Österreichs) als Sohn wohlhabender Gutsbesitzer geboren.
1909 beging seine Mutter Selbstmord, 5 Jahre später starb sein Vater an Tuberkulose und der 17-jährige Wilhelm musste die Leitung des Gutes übernehmen. 1915 - im Jahr seines Abiturs am Gymnasium in Czernowitz - wurde der Familienbesitz im Krieg zerstört. Von 1916 bis zum Ende des Ersten Weltkrieges diente er in der österreichischen Armee an der Italienfront. Nach seiner Rückkehr aus dem Krieg – allein und heimatlos - begann er sein Studium an der medizinischen Fakultät an der Universität Wien, wo er 1922 zum Doktor der Medizin promovierte.
Während seines Studiums kam er 1919 in Kontakt mit Sigmund Freud und begann sich für die Psychoanalyse zu interessieren. Schon nach einer kurzen Lehranalyse (bei Isidor Sadger und Paul Federn) wurde er 1920 aufgrund seiner klinischen und theoretischen Beiträge als weitaus jüngstes Mitglied in die Wiener Psychoanalytische Vereinigung aufgenommen.
Nach seiner Promotion begann Reich zunächst als Assistenzarzt an der Universitätsklinik für Neurologie und Psychiatrie unter Wagner-Jauregg zu arbeiten und als 1922 Freuds Psychoanalytische Polyklinik seine Arbeit aufnahm, wurde er dort erster Assistent und 1928 klinischer Direktor. Von 1922 bis 1930 leitete er das von Freud initiierte "Technische Seminar" und entwickelte daraus seine eigene, neue Therapietechnik, die "Charakteranalyse".
Es beschäftigten ihn biogenetische Probleme - die Verbindung von Psychoanalyse mit Körperarbeit – und er wurde damit zu einem Begründer der psychologischen Körpertherapien. Darüber geriet er zunehmend mit Freud in Konflikt - er lehnte Freuds Theorie vom Todestrieb ab und hielt konsequent an dessen Libidotheorie fest - gründete in Wien Sexualberatungsstellen und brach schließlich mit der Wiener psychoanalytischen Schule.
Sozial und politisch engagiert, trat er 1928 der KPÖ bei. 1930 ging er nach Berlin und gründete den "Reichsverband für proletarische Sexualpolitik" sowie den Verlag "Sexpol". Nach Hitlers Machtergreifung 1933 konnte Wilhelm Reich flüchten, zuerst nach Kopenhagen, dann nach Oslo. In seinem Bestreben, Marxismus und Psychoanalyse miteinander zu verbinden, publizierte er die "Massenpsychologie des Faschismus", worin er warnend auf die "anfällige seelische Struktur des Durchschnittsmenschen" verwies.
Damit wurde er eine Last für die Kommunisten, die ihn aus der Partei ausschlossen; sein Name wurde aus der Mitgliederliste der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft gelöscht und auf dem Kongress der Internationalen der Psychoanalytischen Vereinigung 1934 in Luzern wurde er auch aus dieser Gesellschaft ausgeschlossen.
Trotz allem arbeitete er weiter: er fasste sein Konzept der Funktionsweise des Organismus zusammen und formulierte die "Vegetotherapie". Er untersuchte die elektrophysiologischen Zusammenhänge von Sexualität und Angst, begann mit Krebsforschung und wurde erneut angefeindet. 1939 konnte er in die Vereinigten Staaten emigrieren, wo er an der New School for Social Research in New York einen Lehrauftrag für medizinische Psychologie erhielt.
Sein zunehmendes Bestreben, alles auf eine biologische Urformel des Lebens zurückzuführen, ließ ihn ab 1940 den "Orgon-Akkumulator" konstruieren, ein Gerät, das Lebensenergie speichern und u. a. der Krebsheilung dienen sollte. Zu diesem Zweck gründete er 1942 das Forschungslaboratorium "Orgonon" in Maine. Neben der Fortsetzung seiner psychotherapeutischen Unterrichtstätigkeit führte er hier eine Vielzahl von Versuchen mit der von ihm so benannten "Orgon-Energie" durch.Die letzen acht Monate seines Lebens verbrachte Wilhelm Reich im Gefängnis. Die staatliche "Food and Drug Administration" hatte gegen Reich bezüglich der von ihm postulierten Heilwirkung des Orgon-Akkumulators und dessen Einsatz Anklage erhoben und er war schließlich zu 2 Jahren Gefängnis verurteilt worden.
Per Gerichtsbeschluss wurden sämtliche Orgon-Akkumulatoren zerstört und alle Bücher, die von der Orgon-Institute-Press veröffentlich waren, verbrannt. Wilhelm Reich verstarb am 3. November 1957 im staatlichen Gefängnis von Lewisburg.
In seinem Testament verfügte er über seinen wissenschaftlichen und dokumentarischen Nachlass, dass dieser erst 50 Jahre nach seinem Ableben geöffnet werden dürfe.
Wilhelm Reich übte mit seinen Theorien großen Einfluss auf die autoritätsfreie Erziehung (Summerhill School) und die antiautoritäre Bewegung der 1960er Jahre aus.
2012 wurde sein Leben unter dem Titel "Der Fall Wilhelm Reich" für das Kino verfilmt (mit Klaus Maria Brandauer und Birgit Minichmayr).
Historische Bilder zu Wilhelm Reich (IMAGNO)
Werke (Auswahl)#
- Der triebhafte Charakter, 1925
- Die Funktion des Orgasmus, 1927
- Charakteranalyse, 1933
- Massenpsychologie des Faschismus, 1933
- Die sexuelle Revolution, 1945
Literatur#
- M. Konitzer, W. Reich zur Einführung, 1992
- M. Sharaf, W. Reich. Die Biographie, 1994
- D. Boadella, W. Reich, 1998
Quellen#
- AEIOU
- Wilhelm Reich Institut Wien
- Wilhelm Reich Infant Trust
- Die ZEIT
- Die WELT
- Reich - Der Film
- Orgone Lab
- PSYALPHA
- Red Ice Radio
- I. Ackerl, F. Weissensteiner, Österreichisches Personenlexikon der Ersten und Zweiten Republik, 1992
Redaktion: I. Schinnerl