Sindelar, Matthias#
* 10. 2. 1903, Iglau (Jihlava, Tschechische Republik)
† 23. 1. 1939, Wien
Fußballspieler, "Wunderteam"-Kapitän
Am 10. Febraur 1903 wurde Sindelar im mährischen Dorf Kozlov bei Jihlava geboren, die Familie zog, wie Zehntausende Tschechen auch, Anfang des 20. Jahrhunderts nach Wien, in den Arbeiterbezirk Favoriten. Hier - im Milieu der sogenannten "Ziegelbehm" – wuchs er zu einem wahren "Gstettn-Star" heran und stieß 1924, vom Sport Club Hertha kommend, zur Wiener Austria (damals noch Amateur-Sportverein). Nach Absolvierung einer Schlosserlehre arbeitete er als Autoschlosser, später in einem Sportgeschäft.
Der Spitzname von Matthias Sindelar war "der Papierene". Wohl, weil er groß, schmächtig und irgendwie nicht zu greifen war, wenn er in den 1920er und 30er Jahren auf dem Fußballfeld durch die Reihen seiner Gegner tänzelte und die Massen begeisterte. Als Kapitän des "Wunderteams", der mit 27 Toren wesentlichen Anteil am einzigartigen Erfolg des Teams hatte, das von 1931 bis 1933 in Europa für Furore sorgte, war er das Synonym für die Glanzzeit der "Wiener Fußballschule".
Als Spielführer des Wunderteams und zweifacher Mitropacup-Sieger erreichte seine Popularität ungeahnte Höhen, die er als einer der ersten "Werbeprofis" auch entsprechend umzusetzen wusste. Sindelar bewarb Milchprodukte, agierte als Dressman und wirkte schließlich in einem Spielfilm mit dem Titel "Roxy und ihr Wunderteam" (Budapest 1937) mit.
Ab 1937 neigte sich Sindelars Karriere dem Ende zu, für Aufsehen sorgte er aber nochmals im April 1938, als er das Team "Deutschösterreich" gegen eine Auswahl des „Altreichs“ zu einem 2:0–Sieg führte. An einem Einsatz in der deutschen Auswahl scheint Sindelar, der ab 1938 ein arisiertes Kaffeehaus führte, nicht mehr interessiert gewesen zu sein. Ein halbes Jahr darauf verstarb der Papierene, zusammen mit seiner Freundin Camilla Castagnola, unter mysteriösen Umständen. Die offizielle Version lautete: erstickt an ausströmendem Gas der defekten Heizung. Zweifel jedoch sind geblieben: die Wiener Polizei ermittelte nur oberflächlich, zum Ende des Krieges verschwanden die Akten. Gerüchte um einen politischen Mord erzählen sich die Wiener noch heute.
Posthum widmete ihm der österreichische Schriftsteller Friedrich Torberg sein Gedicht "Auf den Tod eines Fußballers" (Gedichtproben bei Torberg).
In diesem Gedicht wird die Selbstmord-Theorie (geöffneter Gashahn) vertreten: Sindelar hätte demnach Selbstmord begangen, weil das Leben mit seiner jüdischen Freundin im "Dritten Reich" unmöglich war.
Der mittlerweile verstorbene Medizinhistoriker Professor Hans Bankl schloss aber auf der Basis des Totenbeschauprotokolls Selbstmord aus ("Das ausströmende Gas hätte eine Explosion bewirken müssen"), sodass man heute von der Unfallversion ausgeht, die durch die Tatsache erhärtet wird, dass der Schornstein nachweislich defekt war. Zudem war die erwähnte Camilla Castagnola nur eine Zufallsbekanntschaft von Sindelar, seine grosse Liebe hieß Mizzi Skala.
Ferner wurde - allerdings erst nach dem Jahr 2000 - geklärt, dass Sindelar kein Opfer des Nationalsozialismus war: er hatte vielmehr im August 1938 das Cafe Annahof in Wien Favoriten "arisiert".
Quellen#
Redaktion: I. Schinnerl