Suttner, Bertha von #
Pseudonyme: B. Oulot; Jemand
* 9. 6. 1843, Prag (Tschechische Republik)
† 21. 6. 1914, Wien
Schriftstellerin, Friedensnobelpreisträgerin, Pazifistin
Bertha von Suttner wurde am 9. Juni 1843 als Bertha Kinsky von Chinic und Tettau in Prag geboren.
Sie stammte väterlicherseits aus dem Geschlecht der Kinsky, mütterlicherseits aus der Familie des Freiheitsdichters T. Körner. Berthas Vater, der General Franz Graf Kinsky, hatte eine fast 50 Jahre jüngere Bürgerliche geheiratet und starb mit 75 noch vor Berthas Geburt. Die Tochter wurde liberal, von Gouvernanten erzogen und lernte mehrere moderne Fremdsprachen.
Nachdem Mutter Sophie das Kinskische Vermögen in europäischen Spielcasinos verspielt hatte, ihre Ausbildung als Sängerin fehlschlagen war und sie zwei Verlobungen aufgelöst hatte, nahm sie eine Stellung als Erzieherin und Gesellschafterin im Haus des Baron Suttner und lernte dort Arthur, den Sohn des Hauses - ihren späteren Ehemann - kennen, mit dem sie eine Liaison begann. Nach einem kurzen Aufenthalt in Paris, wo sie eine Stellung als Sekretärin von Alfred Nobel antreten sollte, heiratete sie 1876 gegen den Willen der Familie Suttner heimlich Baron Arthur Gundaccar Suttner (1850-1902) und floh mit ihm nach Mingrelien in den Kaukasus zur Fürstin Ekaterina Dadiani, einer Freundin von ihr. Das Ehepaar verbrachte in der kaukasischen Region insgesamt neun Jahre, zuletzt in Tiflis, und bestritt seinen Unterhalt mit Musik- und Französischunterricht, Reitstunden, Handelskorrepondenz und Bertha auch mit Fortsetzungsromanen (erste Feuilletons und ihr erster Roman erschienen unter dem Pseudonym "B. Oulot". Nach Versöhnung mit der Familie und dem Tod von Berthas Mutter kehrten sie 1885 nach Österreich zurück und ließen sich auf dem Gut Harmannsdorf in Niederösterreich nieder.
Das Ehepaar war in seinem Selbstverständnis Liberale, auch wenn sie nie einer Partei beitraten.
Seit 1887 stand Bertha von Suttner in Kontakt mit der einzigen damaligen Friedensorganisation "International Arbitration and Peace Association" in London und wurde eine leidenschaftliche Pazifistin. 1889 erschien ihr Hauptwerk, der Roman "Die Waffen nieder!", der in fast alle europäische Sprachen übersetzt wurde, der Autorin Weltruhm brachte und wesentlich zur Popularisierung der Friedensidee in Europa und Amerika beitrug.
1890 gründete sie die "Österreichische Friedensgesellschaft" (seit 1964 "Suttner-Gesellschaft") und gab von 1892 bis 1899 die Monatsschrift "Die Waffen nieder" heraus, die später als "Die Friedens-Warte" von Fried weitergeführt wurde.
1904 gehörte Bertha von Suttner zu den bedeutendsten Teilnehmerinnen der "Internationalen Frauenkonferenz" in Berlin. Diese Konferenz endete mit einer Friedensdemonstration, bei der Bertha von Suttner einen Vortrag hielt. Im gleichen Jahr bereiste sie die Vereinigten Staaten von Amerika. Anlass dazu war der Weltfriedenskongress in Boston. Sie reiste von Stadt zu Stadt und hielt bis zu drei Vorträge täglich. Ihr Ruf war ihr schon vorausgeeilt, und so wurde sie zu einer Unterredung mit Präsident Theodor Roosevelt ins Weiße Haus geladen. Die "Friedens-Bertha", wie sie etwas abfällig in deutschnationalen Kreisen genannt wurde, kam begeistert aus den USA zurück. Ihre siebenmonatige Reise hatte einem Siegeszug geglichen und es war deutlich geworden, dass die Friedensbewegung in den USA schon wesentlich fortgeschrittener war als in Europa.
Sie führte auch den Vorsitz in der Friedenskommission des 1902 gegründeten "Bundes österreichischer Frauenvereine", vertrat Österreich auf den Weltfriedenskongressen, war Präsidentin des "Internationalen Friedensbüros" in Bern und regte die Stiftung des Friedensnobelpreises an, der ihr am 1. Dezember 1905 verliehen wurde.
Bertha von Suttner starb während der Vorbereitungen zu einem Weltfriedenskongress, den sie im August 1914 nach Wien einberufen wollte.
Ehrungen, Auszeichnungen#
- Friedens-Nobelpreis, 1905
- In zahlreichen Städten in Österreichs und Deutschlands sind Schulen, Plätze und Straßen nach ihr benannt
- auf der 1000-Schilling Banknote von 1966 und der österreichischen 2-Euro Münze befindet sich ein Portrait von Bertha von Suttner
- anläßlich des 60. Jahrestags der Nobelpreisverleihung an Bertha von Suttner erschien 1965 eine Sonderpostmarke
Werke (Auswahl)#
- High Life, 1886
- Schriftstellerroman, 1988
- Die Waffen nieder!, 1889
- Die Waffen nieder! (Hrsg.), Monatszeitschrift 1892-1899
- Marthas Kinder ("Die Waffen nieder"-Teil II ) 1902
- Randglossen zur Zeitgeschichte, 1892-1900 und 1907-1914
- Rüstung und Überrüstung, Berlin 1909
- Der Menschheit Hochgedanken, Berlin 1911
- Die Barbarisierung der Luft, Berlin 1912
Literatur#
- H. Kaut, B. von Suttner und die Anfänge der österreichischen Friedensbewegung, 1950
- I. Reicke, B. von Suttner, 1952
- B. Kempf, B. von Suttner, 1964
- B. Hamann, B. von Suttner, 1986
- H. Steffahn, B. von Suttner, 1998
- Susanne Jalka (Hg.) Frieden entdecken in Wien
„Die Waffen nieder“ #
Gastkommentarvon Werner Wintersteiner Wiener Zeitung 9. Juni 2023
Am heutigen 9. Juni wäre Bertha von Suttner 180 Jahre alt. Und die Ikone der Friedensbewegung hat nichts an Strahlkraft eingebüßt. Viele Anliegen, für die sie sich so leidenschaftlich einsetzte, sind auch jetzt aktuell. „Der Kampf um die Vermeidung des Weltkriegs“ war der Titel der Sammlung ihrer „Randglossen zur Zeitgeschichte“ und das Lebensprogramm der geborenen Gräfin Kinsky von Wchnitz und Tettau. Das Werk, 1917 von ihrem Mitstreiter Albert Fried in der neutralen Schweiz herausgegeben, wurde in Österreich sofort verboten. So gefährlich erschienen den Behörden die Analysen und Appelle einer bereits Verstorbenen, bestehend aus Texten, die in der Vorkriegszeit legal in Österreich erschienen waren.
1888 publizierte sie ihr erstes pazifistisches Werk, „Das Maschinenzeitalter“: In fiktiven Vorlesungen aus einer friedlichen Zukunft, warf sie einen kritisch-analytischen Blick auf ihre Zeit. Das Buch erschien zunächst anonym, da sie fürchtete, mit einer Frau als Autorin würde es nicht gelesen. „In einer Gesellschaft, in der das Vorrecht des Stärkeren so radikal ausgerottet wäre, dass in derselben die Gleichstellung der Frau erreicht worden wäre, würde überhaupt nicht mehr Krieg geführt“, schrieb Suttner darin.
1889 folgte der Roman „Die Waffen nieder!“, der ihren Ruf als Pazifistin begründete. Er wurde ein Weltbestseller, in zahlreiche Sprachen übersetzt und in unzähligen Auflagen gedruckt. Die Story, der Lebensweg einer Frau, die sich von der naiven Gattin eines Militaristen zur bewussten Friedenskämpferin wandelt, beeindruckte Jung und Alt. Suttner nutzte ihren Erfolg, um in Österreich und Deutschland Friedensgesellschaften aufzubauen und an der internationalen Friedensbewegung mitzuwirken. Legendär sind ihre Berichte von der Haager Friedenskonferenz 1899 und ihre Vortragstourneen durch die USA. Dennoch schlugen ihr auch immer Spott und Verachtung entgegen, nicht zuletzt, weil viele einflussreiche Männer den Erfolg einer Frau nicht duldeten. Nicht nur Militaristen warfen ihr Naivität und Weltfremdheit vor.
Das Programm einer Friedenskultur#
Selbst das Lob Stefan Zweigs in einer Rede beim Internationalen Frauenkongress für Völkerverständigung in Bern 1917, ist mit Kritik gewürzt: „In den drei Worten, die sie als Titel ihrem ersten Buche voransetzte, hat sie alles gesagt, was sie sagen" wollte. Als sie das erste Mal dieses Wort "Die Waffen nieder!" in die Weit schrie, liefen ihr die Leute zu und horchten auf. Aber als sie immer wieder nur dasselbe sagte: "Die Waffen nieder! Die Waffen nieder!", begann sich die Neugier zu langweilen. Man nahm diese leidenschaftliche Monotonie des Gedankens für Armut, seine Sinnfälligkeit für Banalität.“ Zweig hatte sicher recht, wenn er damit den Eindruck beschrieb, den Suttners Wirken bei einer breiten Öffentlichkeit und bei ihm selbst hinterließ. Er irrte aber, wenn er unterstellte, dass das tatsächlich ihr ganzes Programm war. Ihre Losung „Die Waffen nieder!" bedeutete nämlich dreierlei:
• Kritik an jedem einzelnen Aufrüstungsschritt, mit der Perspektive auf Rüstungsstopp und Abrüstung - im vollen Bewusstsein, dass der nächste Krieg ein Weltkrieg sein würde, was sie in ihren Schriften „Rüstung und Überrüstung“ (1909) und „Die Barbarisierung der Luft“ (1912) darlegte.
• Die strikte Verurteilung kriegerischer Gewalt als Mittel, um politische Konflikte zu lösen; stattdessen die Forderung nach internationalen Schiedsgerichten und nach dem Zusammenschluss der Staaten Europas, um die Möglichkeit von Kriegen auf dem Kontinent weitgebend auszuschließen; modern gesprochen: ein friedens-logischer Ansatz.
• Und schließlich Suttners Kampf gegen den Militarismus, den sie als eine wichtige Basis für die Bereitschaft, Kriege zu führen, erkannte; modern gesprochen: gegen die Kultur des Krieges, für eine Kultur des Friedens. Denn „zum Bereiten des Krieges gehört nicht nur Materialanschaffung, es gehört auch Erziehung zum Kriegsgeist, zum Fremdenhass, zur Eroberungssucht, zum Beförderungsehrgeiz dazu". Dabei erhob sie schwere Vorwürfe gegen die Presse, die „das ganze herrschende System des bewaffneten Friedens als etwas Unverrückbares, Selbstverständliches“ hinstelle. „Es ist die Luft, die man atmet, der Boden, auf dem man steht, und alles, was dagegen gesprochen, geschrieben, getan wird, ist Träumerei, Utopie oder Intrige.“
Aus einer Überzeugung ein Leben machen#
Sie vertrat somit ein Programm, dessen Umsetzung wohl tatsächlich geholfen hätte, den Weltkrieg zu vermeiden.
Und heute? Russlands brutaler völkerrechtswidriger Angriff auf die Ukraine wirft erneut Fragen auf, mit denen sich Pazifisten vor 1914 beschäftigten: die gegenseitige Bedrohung der Großmächte, das Risiko der Eskalation, der Widerstand gegen einen Aggressor, Pazifismus, Gewaltfreiheit. Wer heute „Die Waffen nieder!“ fordert und auf die Gefahr eines Weltkriegs hinweist, wird als naiv betrachtet oder als Verräter beschimpft. Als einzig legitim gilt ein Frieden nach einem Sieg auf dem Schlachtfeld. Aber braucht es nicht gerade in einer solchen Kriegssituation das hartnäckige Bemühen um Frieden? Braucht es nicht eben jetzt solche Stimmen wie einst jene Suttners? Denken wir nur an die späte Einsicht Zweigs: „Versuchen wir nicht auszuweichen: Unser aller Mitschuld ist es im Letzten, dass ihre leidenschaftliche Bemühung, statt im Mittelpunkte des europäischen Denkens zu stehen, auf kleine Kongresse, auf eine unterirdische und kaum fühlbare Wirkung beschränkt blieb, und diese unsere späte Dankbarkeit spricht uns nicht frei von unsühnbarer Schuld.“
Sie wusste ja selbst besser als jeder andere um die tiefe Tragik der Idee, die sie vertrat, und die fast vernichtende Tragik des Pazifismus, dass er nie zeitgemäß erscheint - im Frieden überflüssig und kraftlos, im Kriege wahnwitzig und hilflos. Ihr Beispiel zeigt wunderbar beseelt, dass man nur dann ins Lebendige blickt, wenn man einzig auf seine Gedanken blickt und nicht auf seine äußeren Möglichkeiten in der Zeit, wenn man aus einem Leben eine Überzeugung macht und aus einer Überzeugung ein Leben. So geht es wohl auch heute darum, zu verhindern, dass aus diesem verheerenden Krieg ein Weltbrand wird, für einen schnellstmöglichen Waffenstillstand einzutreten und alle Möglichkeiten eines Verhandlungsfriedens auszuloten. Das ist die Intention des „International Summit for Peace in Ukraine" am 10. und 11. Juni 2023 in Wien (www.peacevienna.org).
Zum Autor#
Werner Wintersteiner ist Gründer und ehemaliger Leiter des Zentrums für Friedensforschung und Friedenspädagogik der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.Buchtipp: „Die Welt neu denken lernen“ (Transkript, open access, 2021).
Weiterführendes#
- Danielczyk, J.: Eine bekannte Unbekannte (Essay)
- Pöllinger, S.: Wer war die „Friedens-Bertha“? (Essay)
- Polt-Heinzl, E.: Prophetische Angst (Essay)
- Bertha von Suttner (1843-1914) (aus dem Buch "Große Österreicher")
- Susanne Jalka (Hg.) Frieden entdecken in Wien (Bücher über Österreich)
- Historische Bilder zu Bertha Freifrau von Suttner (IMAGNO)
- Essay zu Bertha von Suttner (von Ernst Zentner)
Quellen#
- AEIOU
- Internationaler Bertha von Suttner Verein
- Deutsche Friedensgesellschaft
- ORF
- Wien.Geschichte.Wiki
- Spiegel Online /Projekt Gutenberg
- DIE FURCHE