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Webern, Anton (von)#

* 3. 12. 1883, Wien

† 15. 9. 1945, Mittersill (Salzburg; von einem US-Soldaten irrtümlich erschossen)

Komponist


Anton von Webern
Anton von Webern. Foto, 1932.
© Bildarchiv der ÖNB, Wien, für AEIOU

Anton von Webern wurde am 3. Dezember 1883 als Sohn von Karl Freiherr von Webern, einem Bergbauingenieur, in Wien geboren.


1890 übersiedelte die Familie Webern zuerst nach Graz, 4 Jahre später nach Klagenfurt, wo Anton Webern das humanistische Gymnasium besuchte und 1902 maturierte. Seinen ersten Klavierunterricht erhielt er von der Mutter, in Klagenfurt erhielt er Privatunterricht in Kompositionstheorie.


Von 1902 bis 1906 absolvierte er Studium der Musikwissenschaften an der Wiener Universität und war von 1904 bis 1908 einer der ersten Schüler von Arnold Schönberg, mit dem ihn auch später Freundschaft verband.


Ab 1908 war er als Theaterkapellmeister - unter anderem in Bad Ischl und Prag - tätig.


Am 22. Februar 1911 heiratete Webern seine Kusine Wilhelmine Mörtl, die ihm 3 Kinder schenkte.


Nach einem einjähriger Berlinaufenthalt wurde er 1912 Kapellmeister in Stettin ehe die Famile 1913 wieder nach Wien übersiedelte. Zwischen 1912 hielt sich Anton Webern und 1926 oftmals in Mürzzuschlag auf, da ein Onkel seiner Frau hier ein Haus besaß (eine vom Mürzzuschlager Bildhauer Josef Pillhofer gestaltete Bronzetafel erinnert an die Aufenthalte des Komponisten).


Er wirkte 1918 bis 1922 in dem von Arnold Schönberg gegründeten "Verein für musikalische Privataufführungen" mit. 1921 erschienen erste Werke in der Universal-Edition.


Von 1922 bis 1934 war er Leiter und Dirigent der Arbeiter-Symphoniekonzerte und ab 1923 des Wiener Arbeiter-Singvereins. Chormeister des Wiener Arbeiter-Singvereins der Sozialdemokratischen Bildungsstelle. Schönberg eröffnete seinen Schülern die Zwölftonmethode.


Nach etlichen Konzerten im Ausland entzog die Ära des Nationalsozialismus ihm alle Anerkennung für seine Arbeit, er verlor 1934 nach dem Verbot der Sozialdemokratischen Partei seine Ämter in der Kunststelle.


Zu Ostern 1945 zog er sich nach Mittersill im Land Salzburg zurück. Hier wurde er am 15. September 1945 unbeabsichtigt von einem amerikanischen Besatzungssoldaten erschossen.


Anton von Webern war ein Vertreter der Zweiten Wiener Schule, des Kreises um Arnold Schönberg; gemeinsam mit Schönberg und Alban Berg zählt er zu den Hauptvertretern der Wiener Schule der Zwölftontechnik. Sie ist als nachfolgender Gegenpol zur ersten Wiener Schule, der sogenannten Wiener Klassik, zu sehen.


Webern wurde für die moderne Musikentwicklung richtungsweisend, indem er Schönbergs Dodekaphonie zu einer konzentrierteren Form weiterentwickelte. Die knappen atonalen und dodekaphonen Aphorismen und Stenogramme werden als Symptome einer "Verdichtung des Ausdrucks in der kürzesten Form" bezeichnet. Die abstrakte, ausgesprochen konstruktive Technik, verbunden mit einer subtilen Verwendung der Klangfarben, wurde für eine ganze Generation von Komponisten zum Vorbild.

Werke (Auswahl)#

Orchesterwerke, Kammermusik, Lieder, Chöre
  • Op. 1, Passacaglia for Orchestra (1908)
  • Op. 2, Entflieht auf Leichten Kaehnen (1908)
  • Op. 3, Five Songs from Der Siebente Ring (1908-1909)
  • Op. 4, Five Songs on poems by Stefan George (1908-1909)
  • Op. 5, Five Movements for String Quartet (1909)
  • Op. 6, Six Pieces for Large Orchestra (1909)
  • Op. 7, Four Pieces for Violin and Piano (1910)
  • Op. 8, Two Songs of Poems by Ranier Maria Rilke (1910)
  • Op. 9, Six Bagatelles for String Quartet (1911)
  • Op. 10, Five Pieces for Orchestra (1911)
  • Op. 11, Three Little Pieces for Violincello and Piano (1914)
  • Op. 12, Four Songs for Voice and Piano (1915-17)
  • Op. 13, Four Song for Voice and Orchestra (1914-18)
  • Op. 14, Six Songs on Poems of George Trakl (1917-21)
  • Op. 15, Five Sacred Songs(1917-22)
  • Op. 16, Five Canons on Latin Texts (1924)
  • Op. 17, Three Traditional Rhymes (1924)
  • Op. 18, Three Songs (1925)
  • Op. 19, Two Songs (1926)
  • Op. 20, String Trio (1926-1927)
  • Op. 21, Symphony (1927-1928)
  • Op. 22, Quartet (1928-1930)
  • Op. 23, Three Songs From "viae inviae" (1934)
  • Op. 24, Concerto (1931-1934)
  • Op. 25, Three Songs on Poems by Hildegard Jone (1934)
  • Op. 26, Das Augenlicht ("Durch unsre offnen Augen") (1935)
  • Op. 27, Variations for Piano (1935-1936)
  • Op. 28, String Quartet (1936-1938)
  • Op. 29, First Cantata (1938-1940)
  • Op. 30, Variations for Orchestra (1940)
  • Op. 31, Second Cantata (1943)

Schriften:

  • Wege zur neuen Musik, herausgegeben von W. Reich, 1960

Literatur#

  • W. Kolneder, A. Webern. Einführung in Werk und Stil, 1961
  • W. Reich, A. Webern, 1961
  • H. Moldenhauer, The Death of A. Webern, 1961
  • F. Wildgans, A. Webern, 1966
  • F. Döhl, Weberns Beitrag zur Stilwende der neuen Musik, 1976
  • H. Moldenhauer, A. Webern, 1979
  • M. Hayes, A. von Webern, 1995


Text aus dem Buch "Große Österreicher":#


In Wien geboren, in der »Provinz« aufgewachsen, dann allerdings wiederum in Wien musikalisch erzogen, ist Anton von Webern auf eine höchst unsinnige Weise 1945 durch einen amerikanischen Besatzungssoldaten erschossen worden. Anläßlich einer Razzia, die dem angeblich Zigaretten schmuggelnden Schwiegersohn galt und so oder so keineswegs zu einer derart scharfen Auseinandersetzung hätte führen müssen, starb der österreichische Komponist, auf den sich bald nachher Musiker in aller Welt als ihren wertvollsten und konsequentesten Lehrer bezogen. Weberns gesamtes bekanntgewordenes (Euvre findet bequem auf sehr wenigen Langspielplatten Platz. Wahrlich das Gegenteil der fruchtbaren Komponisten, wie wir sie aus der Vergangenheit kennen, gilt Anton von Webern als der konsequenteste Schüler Arnold Schön-bergs und als der Vater aller »seriellen«, das heißt in jeder Hinsicht durchkonstruierten Musik.

Ob er selbst sich so gesehen hat? Man darf es bezweifeln. Denn wie die anderen revolutionären Musiker aus Wien hat auch er im Grunde nichts anderes gewünscht als alle Musiker vor ihm: mit seinen Werken vom Publikum verstanden und anerkannt sein. An Weberns musikalischem Werdegang ist ein Musikwissenschaftler schuld: Guido Adler, Ordinarius an der Wiener Universität, hielt einerseits auf strenge Zucht und ernsthafte wissenschaftliche Arbeit seiner Studenten, war aber andererseits darauf bedacht, sie mit den lebendigen Strömungen der Musik in Konfrontation zu bringen. Webern vermittelte er die Bekanntschaft mit Arnold Schönberg, nachdem ein kurzes Studium bei Hans Pfitzner sich als wenig wirksam erwies. Damit war der Weg festgelegt: Webern hatte Gefolgsmann des unerbittlichsten, strengsten und erfolgreichsten Lehrers des jungen Wien zu sein und sein Leben lang zu bleiben. Freilich war auch in seinem Lebensplan eine Position als ausübender Musiker, als Dirigent, vorgesehen. Webern wurde Kapellmeister in der Provinz und machte die ganze dornenreiche Laufbahn eines strebsamen Musikers durch, ehe er gleichzeitig Komponist und relativ angesehener Dirigent wurde. Relativ angesehen? Obgleich die Zeit Anton von Weberns noch nicht so lange vorüber ist, gehen die Meinungen und Zeugnisse über den Dirigenten Webern sehr auseinander. Übereinstimmend wird nur festgehalten, er sei streng und penibel gewesen und habe sich mit leicht zu erringenden äußerlichen Erfolgen nie zufriedengeben wollen, hätte es daher schwer gehabt, bei Gastspielen im Ausland Furore zu machen und noch viel schwieriger, in Wien zu mehr als der von ihm erreichten Position zu finden: Er war der Hauptdirigent der Arbeiter-Symphonie-Konzerte, die von einem idealistisch gesinnten Redakteur der Arbeiter-Zeitung ins Leben gerufen worden waren und deren Ziel es war, die Arbeiter mit dem Bildungsgut vertraut zu machen, das durch Generationen dem Bürgertum vorbehalten schien. Zur gleichen Zeit war Webern mit seinem Lehrer Schönberg und seinem Freund Alban Berg daran, die heute als »Wiener Schule« bezeichnete Gemeinschaft neuer Komponisten zu bilden, in der ernsthaft um neue Wege aus einer spätromantischen Phase der Musik gerungen wurde: Es ist vielleicht nicht mehr völlig einsichtig, aber damals war es für die Protagonisten dieser Schule wichtig, zu komponieren, gleich wichtig aber auch, ihre Werke selbst aufzuführen und zudem die gesamte lebendige Musik zu fördern. Man darf, nein, man muß die Arbeit Schönbergs wie die seiner Schüler auch als eine eminent propagandistische bezeichnen. Denn auch ihre Aufsätze, ihre Arbeit an Zeitschriften und in ihrem eigenen »Verein für musikalische Privataufführungen« war im Grunde so erfolgreich wie ihr kompositorisches Schaffen. Das Leben Anton von Weberns war unsensationell. Er verlor bereits im Ständestaat die meisten Möglichkeiten, zu publizieren oder in der Öffentlichkeit tätig zu sein, er war in der Zeit von 1938 an ein verfemter, in der »inneren Emigration« lebender Komponist, den sein Verlag und einige treue Verehrer schlecht und recht durch die bösen Zeiten retteten. Sein Ruf als Komponist aber war bereits international, und sein Ansehen als ein kompromißloser Künstler hielt ihn nebstbei sogar am Leben -im Weltkrieg wallfahrten zum Beispiel junge italienische Komponisten nach Wien, um Webern kennenlernen zu dürfen und so den einen Zeugen der wichtigsten Epoche der Wiener Schule persönlich sprechen zu können.

Unmittelbar nach dem Krieg wäre die hohe Zeit des Anton von Webern gekommen. Nicht nur sein Verlag, die Universal Edition, wurde wieder ein führendes Unternehmen auf dem Sektor zeitgenössischer Musik, sondern auch internationale Vereinigungen wollten sofort Webern als wichtige Persönlichkeit in ihre Kreise ziehen: er sollte Präsident der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik werden, als er in Mittersill der Kugel eines US-Soldaten zum Opfer fiel. Mehr noch als bei allen anderen österreichischen Musikern muß man wohl seiner »Nachwirkung« Augenmerk widmen. Denn in der Tat haben von Pierre Boulez bis Karlheinz Stockhausen alle international anerkannten Komponisten und selbstverständlich auch alle nach dem Krieg in Österreich aufgewachsenen Musiker das Werk Weberns studiert und fortzusetzen versucht. Was die Faszination für sie alle war: Webern wollte seine Musik in immer kleineren, immer konzentrierteren Piecen vorlegen. Er verzichtete auf vermeidbare Floskeln und beschränkte sich auf einige höchst wichtige Sätze. So selbstverständlich einem das heute erscheint, so faszinierend war es noch vor Jahrzehnten, daß ein Komponist es versuchte und zuwege brachte, ein ganzes musikalisches »Werk« in wenigen Takten unterzubringen und damit doch kein Stenogramm, sondern ein vollgültiges Werk zu schaffen.


Trotzdem, man täte Webern bitter unrecht, wollte man ihn im nachhinein denjenigen überlassen, die in seinem Namen einer musikalischen Konstruktion ohne Seele das Wort reden. Im Gegenteil: daß er seine geschliffenen kleinen Kompositionen als etwas höchst Lebendiges und Dramatisches anlegte und schrieb, hat ihn zu einem Großmeister gemacht. Wer Ohren hat und sich zu konzentrieren vermag, der kann aus einer Komposition Weberns den ganzen musikalischen Kosmos erfahren. Die Zahl derer, die Ohren haben und guten Willens sind, ist gewachsen. Anton von Webern ist kein populärer Komponist für Abonnementskonzerte geworden, aber auch kein Fremder mehr in den Konzertsälen.


--> Komponisten - 50. Todestag von Anton von Webern (Briefmarken)
--> Anton Webern: Symphonie op.21 (Musik-Lexikon)
--> Historische Bilder zu Anton von Webern (IMAGNO)


Hörproben#



Hörprobe Österreichische Mediathek

Im Sommerwind
Interpreten: The Cleveland Orchestra, Christoph von Dohnányi (Dirigent); Label: Decca 436 240-2, 1992 (Ausschnitt)

Musik spielen

Variationen op. 27
Interpret: Sviatoslav Richter (Klavier); Label: Decca 436 451-2, 1993 (Ausschnitt)

Musik spielen

Quellen#


Redaktion: I. Schinnerl