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Jürgen BOZSOKI: CAMINO-WELT#

Jürgen BOZSOKI: CAMINO-WELT / Mein Pilgerweg durch Philosophie und Theologie, my Morawa, 2021 / Rezension von Guenther Johann

Jürgen BOZSOKI: CAMINO-WELT
Jürgen BOZSOKI: CAMINO-WELT

BOZSOKI, Jürgen: „CAMINO-WELT, Mein Pilgerweg durch Philosophie und Theologie“, Wien 2021

Ein Pilgertagebuch kombiniert mit philosophischen und theologischen Überlegungen. Der Tod einer Freundin führt den Autor zu einem Neuanfang und er versucht dies mit einer Wallfahrt von Saint Jean-Pied-de-Port nach Santiago. Im Zuge dieser Pilgerwanderung kommt er selbst zum Nachdenken und lernt andere Pilger mit deren Problemen kennen. Dem jeweiligen Problem stellt er die Idee eines Philosophen oder Theologen gegenüber.

Um den Tod der Freundin zu verarbeiten nimmt er Anleihen bei verschiedenen Philosophen. Auch ein mit ihm wandernder Priester öffnet sich ihm und erklärt, warum er Priester wurde. Gegenseitig helfen sie sich bei der Bewältigung ihres Lebens. Auch über den Sinn und der Position Gottes nimmt der Autor philosophische Anleihen wie etwa bei Aristoteles, der den Anstoß unseres Lebens, unserer Welt im „unbewegten Beweger“ sieht. Wissenschaftler nennen es Urknall. Aber was war vor dem Urknall? Für Thomas von Aquin ist vorher etwas, das man „Gott“ nennen kann. Hegel sah zwischen Sein und Nichts als Synthese das WERDEN. Diese philosophischen Überlegungen sind eingebettet in der Erzählung der Wanderung. Den Anstoß zum jeweiligen Thema geben immer Pilger, auf die der Autor während der Pilgerung trifft. Da ist eine ältere brasilianische Frau, die ihren Präsidenten verehrt und im rechten, diktatorischen Lager das Heil der Welt sieht. Hier kommt der Philosoph Machiavelli zu Wort. Er „versucht nicht, wie politische Philosophen vor ihm,die Welt zu sehen, wie sie sein soll, um moralische Grundsätze zu formulieren. Denn die Menschen sind für ihn grundsätzlich schlecht, egoistisch und hinterlistig. Deshalb ist es aus seiner Sicht besser, grausam zu sein, als milde. Liebe kann als Schwäche aufgefasst werden.“ (Seite 91) Platon kann wiederum nur der Aristokratie etwas abgewinnen. Die Brasilianerin ist auch kämpferisch und es kommt zu einem Streit mit einem muslimischen Pilger. Letztlich versöhnen sich die Beiden in der Gemeinsamkeit des Diktatorischen.

Bei der Frage zur Existenz Gottes greift der Theologe sogar auf die Mathematik zurück und belegt diesen mit Berechnungen von Werner Gitt und Peter W. Stoner. Erstaunlicherweise werden bei diesem, doch religiösen Thema nicht nur Theologen und Philosophen, sondern auch Naturwissenschaftler wie Descartes zitiert. Descart etwa beim Versuch zwischen Realität und Traum zu unterscheiden. Im Laufe des Buches wird man als Leser mit den wichtigsten Philosophen zu verschiedensten, wichtigen Themen der Menschheit konfrontiert.

Die Proponenten des Buches sind der Autor selbst, ein italienischer Priester, ein Naturwissenschafter, der unheilbar krank in einigen Monaten seinen Tod erleben wird, eine konservative Katholikin aus Brasilien, eine junge Frau, die schon einmal diesen Weg gegangen ist und dabei von einem Pilger geschwängert wurde, ein gläubiger Moslem und ein pensionierter Buchhalter. Wie in einem Theaterstück kommt es am Ziel in Santiago de Compostela zu einem großen Finale. Zwar wird es, je näher die Pilger an das Ziel herankommen immer kommerzieller und die sogenannten „Disney-Pilger“, die nur die letzten Kilometer gehen, bevölkern die Wege. Ohne es zu wissen, entpuppte sich der mitpilgernde Priester der Gruppe als wichtige Persönlichkeit und sie werden zu einem Empfang mit dem Erzbischof geladen. Ein Finale, wie es ein normaler Pilger des „Camino“, wie der spanische Pilgerweg heißt, nicht erlebt.