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Wolfgang Krammer, Johannes Rieder: Weinviertler Kellergassen#

Bild 'Kellergassen'

Wolfgang Krammer, Johannes Rieder: Weinviertler Kellergassen. Unsterblicher Kulturschatz Mit einem Geleitwort von Alfred Komarek. Edition Winkler-Hermaden Schleinbach 2012. 120 S., 90 Farbfotografien, € 19,90

Die niederösterreichische Landesausstellung 2013 wirft ihre Schatten voraus. Unter dem Motto "Brot & Wein" wird sie zwischen April und Oktober in Asparn an der Zaya und Poysdorf stattfinden. Das Buch "Weinviertler Kellergassen" gibt einen Vorgeschmack davon. Der Fotograf Wolfgang Krammer hat mit ausdrucksstarken Bildern die Atmosphäre der "Dörfer ohne Rauchfang" eingefangen. Der Textautor Johannes Rieder entstammt einer legendären Poysdorfer Winzer- und Heurigenfamilie und ist ausgebildeter Kellergassenführer. Für das Geleitwort konnte der Verlag den prominenten Wahlweinviertler Alfred Komarek gewinnen. Der Schriftsteller, der in seinen Polt-Romanen den Presshäusern und Kellergassen ein literarisches Denkmal gesetzt hat, will da gar nicht schönfärben (was auch Bild- und Textautor vermeiden). "Die Kellergassen und die moderne Weinwirtschaft passen nicht mehr so recht zueinander. Viele Presshäuser werden zu leeren Hüllen einer fast schon verschwundenen Arbeitswelt, viele Keller sind keine Weinkeller mehr. Andererseits werden die Kellergassen mehr denn je als Kulturgut wahrgenommen und geschätzt. Droht demnach ein Sterben in Schönheit? Eine Zukunft als nostalgisch bespieltes Freilichtmuseum, als Kulisse für Events ? Das liegt sehr nahe … Lieblos behandelte Schätze sind aber genau so verloren wie weggeworfene. Und wer seine Schätze nicht schätzt, verarmt. Ich wünsche mir ein reiches Weinviertel."

Dieses schöne Buch zeigt den ästhetischen Reichtum des Weinviertels. Doch seitenweise muss der Fotograf Zuflucht zum probaten Mittel der Details nehmen. Tore, Fenster, gekalkte Lehmwände, Schlossbleche und Vordächer entfalten ihren Charme und wecken Emotionen. Auch Menschen hat Wolfgang Krammer vor sein Objektiv geholt, und er zeichnet mit der Kamera künstlerische Bilder der Bergzeilen und Hohlwege. Johannes Rieder kombiniert mit profundem Fachwissen eigene Texte und Zitate, wie des österreichisch-amerikanischen Schriftsteller Charles Sealsfield. Dieser (eigentlich Carl Anton Postl) entstammte einer südmährischen Weinbauernfamilie. 1828 rühmte er die Gastfreundschaft der Hauer - "bei jeder Rast wurden wir zu Kostproben eingeladen" - und resumiert: "Die Dörfer zeigen einen Wohlstand, den man sonst auf dem Festland nicht antrifft". 1912 bestätigte der Brauchtumsforscher Johann Peter die Freigiebigkeit der Weinbauern: "Was er hat, das muss auch der Gast genießen, und man kann sich wirklich nichts Besseres wünschen, als ein saftiges Hausgeselchtes und ein Glas Heurigen dazu."

In den Texten verpackt ist viel Information über den Weinbau, die Entstehung der Kellergassen, das Keltern und die Weinpressen, Bauen mit Lehm, Hintaus und Hohlwege. Der lexikalische Teil "Kellergassen wörtlich – Wissenswertes von A–Z", ergänzt die Ausführungen. Hier erfährt man allerlei über alte Wörter wie "Dischkur" (Gedankenaustausch unter Männern), "Fiata" (Fürtuch, Weinhauer-Schürze) oder "Hetscherl" (Hagebutte), alte österreichische Maße und spezielle Bräuche.

In rund 180 Gemeinden Niederösterreichs gibt es 1.100 Kellergassen mit 36.400 Kellern. Sie entstanden seit der Zeit Maria Theresias und Joseph II. als Produkt sozioökonomischer Marktverhältnisse. Nüchtern berichtet Johannes Rieder: "So lange Weinbau und -lagerung von weltlichen Grundherrschaften und Klöstern betrieben wurden, waren für den einfachen Hauer Keller weder notwendig, da er über keine größere Menge an Wein verfügte, noch möglich, da ihm dazu die Mittel fehlten." Besonders im 19. Jahrhundert hatte jeder Bauer Weingärten, auch Handwerker bewirtschafteten Teile davon. Nach 1880 wurden die mächtigen Holzkonstruktionen der "Steinpressen" durch leistungsfähige hydraulische Pressen ersetzt. 1954 brach ein neues Zeitalter an, da alle Winzergenossenschaften pneumatische Stahlzylinderpressen erhielten. Dafür waren die kleinen Lehmbauten in den Kellergassen nicht geeignet. "Drei Merkmale kennzeichnen diese Bauten: Gebäudekubus (ausschlaggebend für die Größe des Objektes waren die Dimension der Presse und die Lehensvorgabe), die darin angebrachten Öffnungen (wie Türen, schießschartenartige Lüftungsfenster und eine Öffnung zum direkten Einbringen der Maische) und das Dach (mit dem Zweck, die Presse und die hier arbeitenden Männer zu schützen) … Die meiste und wichtigste Arbeit spielte sich unter der Erde, in den Weinkellern ab." Weitere interessante Kapitel sind dem Lehmbau - "Lehm ist eine Weltanschauung, kein Baumaterial!" und den mit Kalk "geweißigten" Fassaden gewidmet. In Krammers Meisterfotos wird die schlichte Schönheit der anonymen Bauten deutlich. Dem "Hintaus" widmet der Autor eine "kleine Sozial- und Kulturgeschichte des Dorfrandes": Dichte Baumreihen und monumentale Scheunen bildeten einen "Wall" um das Dorf. Dort wurden Geräte eingestellt, Stöße von Brennholz errichtet und Steine gelagert. Kinder liebten das Sammelsurium als Spielplatz, und Tiere fühlten sich an den ungestörten Plätzen wohl.

Die meisten sind ebenso verschwunden wie die Hohlwege in der Lösslandschaft. Zumindest von diesen wurden einige "inventarisiert und sind als Kulturgut geschützt." Es stimmt nachdenklich, dass einst Allgegenwärtiges und Selbstverständliches offiziell geschützt und EU-gefördert werden muss, um zu überleben. Dazu gehört, dass man Bräuche erfindet oder neu interpretiert, wie der Arbeitsbrauch, bei dem die Weinbauern ihre Arbeiter am Ostermontag bei rotem Wein, weißem Brot und schwarzem Fleisch - Geselchtes - in die Kellergasse einluden. Heute kommen Touristen zum "Greangehen". Es gibt eine "Lange Nacht der Kellergassen", Adventmärkte und Kunst in der Kellertrift, Kürbisfeste, Kulinarium und Livemusik. "Loamgrui-Opening" und "Weinschnupper-Trophy" dürfen nicht fehlen. Jedes Dorf, das auf sich hält, bietet Events an. Alfred Komarek meint: "das wird jenen sogar gefallen, die sich einen markanten Schauplatz für beliebige Inhalte wünschen, allenfalls ergänzt durch ein effizientes Kellergassen-Besucherzentrum. Wenn die Seele erst einmal beim Teufel ist, fällt die Vermarktung umso leichter."