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Matthias Marschik und Edgar Schütz: Wien und seine Berge#

Bild 'Marschik'

Matthias Marschik und Edgar Schütz: Wien und seine Berge. Weltstadt mit vielen Höhepunkten. Edition Winkler-Hermaden Schleinbach. 132 S., ill., € 26,90

Rom wurde auf sieben Hügeln erbaut, Wien angeblich auf 100 Bergen. Einem Drittel dieser Stadtberge ist das vorliegende Buch gewidmet. Reiseleiter der historisch-fotografischen Erkundung sind der Historiker Matthias Marschik und der Journalist Edgar Schütz. Marschik lehrt an den Universitäten Wien, Salzburg und Klagenfurt Cultural Studies, Sport- und Zeitgeschichte, kuratiert Ausstellungen und organisiert Kongresse. Er hat mehr als 60 Bücher verfasst. In der Edition Winkler-Hermaden erschienen 2019 "Die Donauwiese", 2020 (mit Michaela Pfundner) "Wiener Bilder", 2021 (mit Edgar Schütz) "Automobiles Österreich" und (mit Gabriele Dorffner) "Donaustädter Attraktionen", 2022 (mit Michaela Pfundnder) "Die Rotunde" und (mit Gabriele Dorffner) "Der Bisamberg", 2023 (mit Edgar Schütz und Wolfgang Wehap) "Österreich fährt Rad". Edgar Schütz leitet das Außenpolitik-Ressort der Austria Presse Agentur. Er fungierte als (Mit-) Autor bei "Automobiles Österreich" und "Österreich fährt Rad".

Im bewährten Stil der Bild-Text-Bände der Edition Winkler-Hermaden folgen einem einleitenden Überblick, geographisch gegliedert, zahlreise Fotos mit Kurzinformationen. Ein weiteres Element, Zitate aus historischen Zeitungen sind diesmal den Wiener Bergen ("Wiener Bilder", 1896) und den ehemaligen Bergbahnen ("Der Kuckuck", 1932) gewidmet. Eigene Kapitel behandeln die Höhenstraße und Wien als Ski-Stadt.

Die Expedition beginnt beim Konstantinhügel im Prater. Er entstand aus praktischen Gründen, als Depot des Aushubs der Rotunde, des Highlights der Weltausstellung 1873. Sieben Meter hoch, wurde er "von der Bevölkerung zunächst spöttisch belächelt, bald aber zum beliebten Ausflugsziel". Wasserfall und Teich mit Bootsverleih waren gut besucht. Eduard Sacher warb für den besten Kaffee Wiens. Weit weniger nobel ging es auf dem Spittelberg zu. Wegen ihrer Wirtshäuser war die Vorstadt im 7. Bezirk übel beleumundet. Völlig abgewohnt, sollte sie in den 1970er Jahren assaniert werden. Doch gelang es, das Grätzel nächst der City mit seinen Barock- und Biedermeierhäusern zum Szeneviertel und zur Welterbestätte zu gentrifizieren.

Auch Laaer Berg und Wienerberg erfuhren eine Aufwertung. In Oberlaa entstand mit der Therme und der internationalen Gartenschau WIG 74 ein großzügiger Kurbezirk. Auch Reste des Böhmische Praters blieben erhalten, wie das denkmalgeschützte Ringelspiel und das älteste funktionierende Vergnügungsgefährt. Um 1900 fanden die "Ziegelböhm" ihr bescheidenes Vergnügen an der Periphere. Zahlreiche Zuwanderer arbeiteten wegen der - schon den Römern bekannten - Lehmvorkommen auf dem Wienerberg. Im 19. Jahrhundert befand sich dort die größte Ziegelproduktion Europas. "Wohl die halbe Stadt ist aus deren Produkten errichtet". In den 1980er Jahren wurde die öde Gegend aufgeforstet und zur geschützten Landschaft erklärt. Ein völlig neuer Stadtteil entstand ab 1990 auf dem Leberberg im 11. Bezirk. Das Stadterneuerungsgebiet bietet Platz für 25.000 BewohnerInnen. 1580 hatte Kaiser Maximilian II. zwischen Simmering und Kaiserebersdorf sein "Neugebäude" anlegen lassen. Das repräsentative Renaissanceschloss verfügte über einen großen Terrassengarten, Tierpark und Jagdrevier. Es zählte zu den bedeutendsten Residenzen des Manierismus nördlich der Alpen.

Die nächsten der im Buch vorgestellten Berge - Grüner und Roter Berg, Küniglberg, Rosenhügel und Georgenberg - zählen zum Nobelbezirk Hietzing. Auf dem Grünen Berg bot zur Biedermeierzeit das Vergnügungslokal "Tivoli" mit seiner Rutschbahn eine Sensation. Der Küniglberg ist durch das ORF-Zentrum bekannt. Das Vorgängerunternehmen RAVAG startete vor genau 100 Jahren vom Rosenhügel sein Programm. Der Georgenberg ist für seine in den 1970er Jahren nach Entwürfen des Bildhauers Fritz Wotruba gebaute Kirche berühmt. Auch auf der Baumgartner Höhe im benachbarten 14. Bezirk befindet sich ein architektonisch einmaliges Gotteshaus: Die Kirche zum hl. Leopold in der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt Am Steinhof geht auf Otto Wagner zurück. Der Stararchitekt des Jugenstils baute seine - noch historistische - Villa am Fuß des Satzbergs (Hüttelberg). 1972 erwarb sie der Maler Ernst Fuchs.

In Wien liegt die "Hohe Wand" in Hadersdorf-Weidlingau. Sie war sie eine beliebte Sommerfrische und ein Treffpunkt der Skipioniere. Auf der Hohe-Wand-Wiese gab es eine Sprungschanze und 1976 den ersten Parallelslalom der Skigeschichte. 1986 gastierte der Weltcup hier. "Der 322 m hohe Wolfersberg, benannt nach den einst im Wiental lebenden Wölfen, wurde im Winter 1918/19 vollständig abgeholzt. Mithilfe der Quäker wurden 60 Häuser gebaut, bald kam das Planetenviertel dazu." Auf die Sophienalpe, benannt nach der Mutter Kaiser Franz Josephs, fuhr einige Jahre eine Umlauf-Standseilbahn. Sie war 482 m lang und überwand eine Höhe von 108 Metern, bestand aber nur sieben Jahre.

Die Schmelz in Rudolfsheim-Fünfhaus war der zentrale Exerzierplatz der Monarchie. Im Frühjahr fanden Paraden vor dem Kaiser statt. Auf dem Gallizinberg (Wilhelminenberg) erhob sich ein erzherzogliches Schloss. In der Nähe errichtete man zum 50-jährigen Regierungsjubiläum Franz Josephs eine Aussichtswarte. Die neue, 31 m hohe Jubiläumswarte ist 481 m hoch.

"Zwischen Neuwaldegg und Salmannsdorf befindet sich auf 464 m Höhe die flache Kuppe des Hameau ('kleines Dorf'). Feldmarschall Franz Moritz Graf Lacy hatte 1765 die Herrschaft Neuwaldegg erworben und ließ einen englischen Garten (heute Schwarzenbergpark) anlegen." Am höchsten Punkt entstand das "Holländerdörfel" - 17 rustikalenHütten mit Vorgärten in holländischer Art. In den 1920er Jahren eröffnet, waren an der Höhenstraße vom Hameau Richtung Sievering zwei Gasthöfe populäre Ausflugsziele: das "Häuserl am Roan" und das "Häuserl am Stoan" mit seiner riesigen Terrasse, die einen überwältigenden Blick über Wien gewährte. Um diese Zeit entwarf Adolf Loos - als Chefarchitekt im Siedlungsamt der Gemeinde Wien - am Südabhang des Heubergs eine Mustersiedlung mit Reihenhäusern. Der 390 m hohe Schafberg bildet die Grenze zwischen Hernals und Währing, Das wegen seiner Aussicht beliebte private Schafbergbad wurde 1910 eröffnet und 1973 als öffentliches Bad revitalisiert.

Zwischen dem 18. und dem 19. Bezirk liegt der Türkenschanzpark im Cottageviertel. Der höchste Berg Wiens, der Hermannskogel (544 m) befindet sich in Döbling, an der Grenze zu Niederösterreich. Die mittelalterlich scheinende Habsburgwarte bildete in der Monarchie den Koordinatenursprung der Landesvermessung Österreich-Ungarns. Weitere, weit über Wien hinaus bekannte, Teile des 19. Bezirks sind die Hohe Warte - mit meteorologischer Zentralanstalt, Villenkolonie und Fußballarena - Kahlenberg, Leopoldsberg und Nussberg - nicht zu vergessen, das Krapfenwaldl mit dem höchst gelegenen Freibad der Stadt, der Cobenzl und der Pfaffenberg ("Himmel"). Für Verwirrung sorgt die Benennung des Leopolds- und des Kahlenberges (leider auch im Buch, S. 97). Der Leopoldsberg als nordöstlicher, zur Donau abfallender Ausläufer des Kahlengebirges, hieß ursprünglich „Kahlenberg". Nach dem Bau der Leopoldskirche, 1679, bürgerte sich der Name Leopoldsberg ein. Die Bezeichnung Kahlenberg ging auf den benachbarten Berg (ursprünglich Schweins- oder Sauberg, ab 1629 Josefsberg) über. Er erlangte 1683 historische Bedeutung, als das Entsatzheer unter König Jan III. Sobieski die osmanische Armee Kara Mustafas besiegte. Mit dieser Schlacht endete die Zweite Türkenbelagerung. In Erwartung des Publikums der Wiener Weltausstellung 1873 erschlossen Eisenbahnen beide Berge. Die Kahlenbergbahn war die erste Zahnradbahn Österreichs. Der Betrieb begann mit fast einem Jahr Verspätung, während die Standseilbahn auf den Leopoldsberg im Juli 1873 eröffnet wurde. Schon bald übernahm die Konkurrenz die Standseilbahn und legte sie still. Aus dem Baumaterial der Bergstation planten die Theaterarchiteken Ferdinand Fellner und Hermann Helmer die Stephaniewarte auf dem Gipfel des Kahlenberges.

Beim Bisamberg überschreitet man die Donau und die Stadtgrenze. Die Restauration auf der Elisabethhöhe - ein ehemaliger, als Schutzhaus aufgestellter Ausstellungspavillon ist ebenso verschwunden wie der vom legendären Gänsehäufel-Betreiber Florian Berndl errichtete "Kurort" und die 2010 gesprengten Mittelwellensender. Der Nordmast war mit 265 Meter das höchste Bauwerk Österreichs. Die Mülldeponie Rautenweg, die im Endausbau 75 m über das Straßenniveau reichen soll, ist die höchste Erhebung der Donaustadt. Den 60 ha großen "Beag am Mist" bevölkern Pinzgauer Ziegen, interessierte Besucher können auf der größten Deponie Österreichs wandern und an Führungen teilnehmen.

Man erfährt in diesem informativen Werk viel über die Berge Wiens und ihre Besonderheiten. Die Autoren präsentieren vertraute Ansichten ebenso wie überraschende Details. Am besten, man macht sich mit dem Buch im Gepäck auf den Weg, um die vielen Höhepunkte der Stadt in natura zu erkunden.

hmw