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Werner Reiss: Fastenkunst#

Bild 'Reiss'

Werner Reiss: Fastenkunst. Kunst in der St. Johannes Nepomuk-Kapelle von Otto Wagner am Gürtel in Wien. Plattform Verlag Perchtoldsdorf. 104 S., ill. € 18,-

Seit 25 Jahren ist Monsignore DDr. Werner Reiss Rektor der St. Johannes Nepomuk-Kapelle von Otto Wagner in Wien. Gleich anfangs initiierte er das Projekt "Kunst in der Kirche" im Dialog mit modernen Künstlern. So kann man während der vorösterlichen Zeit in einer der kleinsten Kirchen Wiens anspruchsvolle "Fastenbilder" sehen. Insgesamt umfasst die Privatsammlung rund 40 Werke mit liturgischem Bezug. Eine Übersicht der Kunstwerke liegt nun als Buch vor, das sich in Vorworte mehrerer Autoren und drei Abschnitte gliedert.

Eingangs erklärt der Rektor: Ich bin geprägt durch die Auseinandersetzung mit der Moderne, wie sie von Msgr. Otto Mauer im Wien der Nachkriegszeit gepflegt wurde. … Das gelang ihm, weil er viele Ansätze der Moderne auch theologisierte. Er versäumte keine Vernissage in Otto Mauers Galerie St. Stephan und fand in New York eine zweite kulturelle Heimat. Werner Reiss, später Jurist, Jesuit und Universitätslektor, interessierte sich schon in jungen Jahren für die Kunst. Er leitete dann fast 20 Jahre lang das Internationale Kulturzentrum im Palais Erzherzog Karl in der Annagasse (seit 2000 "Haus der Musik"), ein Ort der freien Begegnung zwischen Intellektuellen und Künstlern. Reiss' Tätigkeit an der St. Johannes Nepomuk-Kapelle hat wieder mit Kunst zu tun. Meine These ist: Wort und Bild sind aufeinander verwiesen… im Sinn einer beständigen Auseinandersetzung. Es gibt keine endgültige Antwort. … Ich glaube nicht, dass das Wesentliche im ewig Gleichbleibenden besteht, sondern im beständigen Wandel zwischen Bewegung und Innehalten.

Seit dem 11. Jahrhundert war es üblich, von Aschermittwoch bis zur Karwoche den Altar mit einem großen, schwarzen oder violetten Tuch zu verdecken. Später sollte die Verhüllung der prächtigen Altäre die Augen zum Fasten bringen. Im ausgehenden Mittelalter und zur Zeit der Gegenreformation erhielten die Hungertücher Darstellungen der Leidensgeschichte. Berühmt ist das 89 m² große Gurker Fastentuch aus dem Jahr 1458, das größte und älteste Kärntens, mit 99 biblischen Darstellungen. Grundlegend für die Besinnung in der vorösterlichen Zeit ist die Passionsgeschichte, wie sie alle vier Evangelisten bekennen. Sie beziehen sich auf den 22. Psalm "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?"

Im ersten Abschnitt des Fastenkunst-Buches - Die gefährdete Schöpfung - findet sich eine Farbradierung des amerikanischen Künstlers Sol Le Witt (1928-2007). Werner Reiss kommentiert: Der Künstler Sol Le Witt macht einen Farbkreis - die Fülle der Möglichkeiten, unsere Welt wahrzunehmen. Er sieht sich in der beginnenden Tradition der "Minimalisten", d.h. das Einzige, was zählt, ist das Konzept, wie wir die Welt wahrnehmen. Für ihn ist Kunst reine Information. Der Betrachter wird eingeladen, den Weg des Künstlers nachzuvollziehen - vom Objekt zurück zur Imagination von Formen und schließlich zur Intuition, die dann wieder den Weg zur Schönheit freigibt. …

Im Mittelpunkt des zweiten Abschnitts - Das Schicksal des Gerechten - steht das Kreuz als Wendepunkt der Erlösung. In einer großen Arbeit auf Papier hat Christoph Luger (* 1957, Otto-Mauer-Preisträger) eine Kreuzform zwischen Farbflächen komponiert. Die Violettöne sind dünn aufgetragen, um die Verletzlichkeit spürbar zu machen. Das Kreuz ist keine Projektionsfläche für fromme Gefühle. … Verlassenheit und Hoffnung begegnen einander und die Kunst teilt mit. Ein anderes Werk in diesem Kapitel stammt von Thomas Bayrle (* 1937), der als Vaterfigur der deutschen Pop-Art gilt. Er gestaltete 2004 den Staatsopernvorhang für "Parzival" und ging mit Freuden auf den Vorschlag ein, eine kleine Version für die Johanneskapelle herzustellen. Darin wächst der Gekreuzigte aus der Stadt heraus und besteht zugleich aus ihr. Dabei ergibt sich eine besondere Verbindung zum Standort der Kapelle an der verkehrsreichen Gürtelstraße und dem Bibeltext aus dem Buch Jesus Sirach: Danket dem Erbauer seiner Stadt und seines Heiligtums, denn seine Huld währt ewig. Der Künstler verweist außerdem auf die großen toskanischen Kruzifixe des 13. und 14. Jahrhunderts.

Zu diesen zählte das Wimpassinger Kreuz, das 1945 im Stephansdom verbrannte - einer der größten Kunstverluste Österreichs jener Zeit. Das Legenden umwobene "Wunderkreuz" aus der Mitte des 13. Jahrhunderts maß acht Meter, die Malerei auf Pergament war auf Lärchenholz geklebt. Die Tafeln am Ende des Querbalkens zeigten Maria und Johannes trauernd. Über dem Christushaupt befanden sich Maria, zwei Engel und der segnende Auferstandene. Der Maler und Bühnenbildner Stefan Riedl (* 1957), der den Kopf des Gekreuzigten nach vorhandenen Aufnahmen in Originalgröße malte, meinte dazu: Ich sah mich ein wenig in der Tradition der Ikonenmaler, die mit gehöriger Andacht am Werk sind, denn jede Ikone ist ein Bild der Präsenz des Heiligen. Sein "Kreuz als Hoffnungszeichen" leitet den dritten Abschnitt - Die Zeugen des Glaubens - ein. Hier finden sich überwiegend historische Kunstwerke. Zu diesen zählen gotische Heiligenskulpturen ebenso wie Volkskunst, aber auch ein Art déco-Besamin-Behälter und eine Plastik von Bruno Gironcoli (1936-2010).

Den Abschluss bildet ein Modell des Altars, den Behruz Heshmat (* 1953) für die Otto-Wagner-Kapelle geschaffen hat. Der Jugendstilarchitekt hatte sie 1895 im Zuge des Stadtbahnbaus (bei der Station Währinger Straße) gebaut, sie gilt als Vorbild seiner berühmten Steinhof-Kirche. So ist die Kapelle mit ihrer lebendigen, urban denkenden Gemeinde wie kaum ein anderer Ort geeignet für den oft schmerzlich vermissten Dialog von moderner Kunst und Christentum. Die Sammlung auf diesem Gebiet ist innovativ und einzigartig, schreibt Peter Bruggraber im Vorwort. Der kunstsinnige Seelsorger Werner Reiss lässt durch seine Predigten jeden Gottesdienst zum Erlebnis werden. Zudem hat er in den vergangenen Jahren eine Reihe anspruchsvoller Bücher im Plattform-Verlag publiziert: Neue Legenden(2014), Am Rande des Lachens (2016), Ich und wir (2019), Ja - aber (2020). Einige Titelbilder zeigen Werke aus der Kunstsammlung.

hmw