E-Caring: Der Auftakt#
(Zügige Bürokratie, zaghafter Zugang)#
von Martin Krusche
Der Einstieg in die Gemeinschaftsnutzung des grünen Zoe ging ganz flott. Nach telefonischer Rücksprache mit der Administratorin hatte ich den nötigen Vertrag von der Website geladen und ausgefüllt. So kam ich im Rathaus an. Führerschein auf den Tisch, ein, zwei Verwaltungs-Handgriffe, fertig.
Die codierte Keycard lag schon für mich bereit. Damit hab ich Zugriff auf das Fahrzeug. Ich bekam beim Auto die wichtigsten Funktionen erläutert. Das Handbuch ist an Bord, kann aber auch online durchgesehen werden: (link)
Ich hätte noch am gleichen Nachmittag mit dem Zoe starten können, denn die Freigabe war schnell da. Das läuft also völlig unkompliziert; womit ich nicht gerechnet hatte. Die Verwaltung hat eben doch in manchen Winkeln per EDV-Stützung enorm beschleunigt. Aber das hängt selbstverständlich nach wie vor davon ab, ob zuständige Personen flott reagieren.
Weil ich es nicht erwartet hatte, blieb ich für einen anstehenden Termin in Graz noch beim Bus. Dagegen spricht ohnehin nichts, denn wer das private Auto hinter sich läßt, wird sich in der Kombination unterschiedlicher Verkehrsmittel üben müssen.
Ich bin freilich mit dem Standort Gleisdorf begünstigt, weil da aus allen Richtungen der Oststeiermark die Busse nach Graz durchgehen und auch die Zugverbindungen recht dicht angelegt sind; außer wir haben gerade Sonntag.
Hinzu kommt ein Komfort-Detail. In jüngster Zeit wurden offenbar rundum neue Busse in Flottenstärke angekauft. Der Geruch „Neues Auto“ ist sehr prägnant, wobei ich vermute, das kommt von Emissionen der noch jungen Werkstoffe. Egal, es hat was Heiteres, in neue Fahrzeuge gepackt zu sein.
Hier noch ein wenig Zahlenmystik. Im Jahr 1957 kam mit dem Steyr-Puch 500 der erste österreichische „Volkswagen“ auf den Markt. Rund 20 Jahre später waren zahllose Kiesplätze und Schuppen mit billigen Gebauchtfahrzeugen belegt, so daß meine Generation mühelos und preiswert in die Automobilität einsteigen konnte. (Das ist heute fundamental anders.)
Mein erstes amtliches Auto war ein… genau! Steyr-Puch 500. Zum „Puch-Schammerl“ werden heuer quer durchs Land diverse 60 Jahr-Jubiläen abgefeiert. Für mich ist 2017 das Jahr, in welchem ich erstmals seit rund 40 Jahren den Privatbesitz eines Kraftfahrzeuges völlig aufgebe.
Zurück zum Vollelektriker Zoe. Ich bevorzuge bei neuen technischen Lösungen einen zaghaften Zugang. Der Internet-Zugang eröffnet mir den Kalender, über welchen die Vergabe des Autos geregelt wird. Darin liegt eigentlich die größte Umstellung; dieses Planen, Seite an Seite mit einer Community, von der ja sehr individuelle Interessen ins Spiel kommen.
Bin ich früh genug dran, kann ich Start- und Endzeit meiner Buchung noch variieren. Fallen mehrere Buchungen auf einen Tag, ist die Disziplin im Einhalten der Zeiten naturgemäß wichtig, weil sonst eventuell die Ladezeit nicht reicht, um die Fuhre für eine anschließende Fahrt auf hundert Prozent zu bringen.
Ich bin ein etwas zögerlicher Typ, dem bei der Ausfahrt größere Strom-Reserve lieber ist, als ein knappes Kontingent. Das heißt, ich finde es angenehm, wenn mir die Armaturen eine ausreichenden Ladekapazität zeigen, mit der ich 20, 30 Kilometer über das Nötige hinausfahren könnte.
Diese spröde Art ist zu meinem eigenen Erstaunen das genaue Gegenteil von meinem langjährigen Umgang mit Verbrennern, bei denen mich das Anlaufen einer Tankstelle immer gestört hat, weshalb ich Tankstopps stets hinausgezögert hab; bis zu problematischen Benzinresten im Tank.
Eine stichhaltige Erklärung dafür fehlt mir allerdings. Autofahren löst in den Menschen gerne irrationale Seiten aus. Vielleicht unterschätzen wir gerne, was uns die Adaptionsphasen im Umgang mit neuen Technologien aufbürden. Simpel betrachtet: Ich vermute, daß ich vor anderen nicht als der Depp dastehen möchte, der mit einem Elektriker auf der Strecke bleibt, weil er bezüglich Ladung und Verbrauch die Orientierung verloren hat.
Womöglich ist genau das ein wesentlicher Grund, weshalb viele das Car-Sharing hier noch meiden. Wir haben bisher keine verläßlichen Konventionen für das Scheitern. Haut jemand seine teure Karre wegen eines Fahrfehlers bei zu hoher Geschwindigkeit in den Acker, ergibt das zwar kein Ruhmesblatt, aber wir ahnen doch irgendwie unterschwellig, daß eigentlich die daran Maschine schuld sein dürfte.
Ich hatte angesichts des Online-Kalenders, der mir die Auslastung des Fahrzeuges offenlegt, auch schon so Augenblicke familiärer Gefühle. Ich wollte mir ein Bild machen, wer die anderen sind, von denen dieser Renault mit mir geteilt wird. Das ist natürlich Unfug. (Oder doch nicht?)
Die gemeinsame Nutzung eines teuren Gutes birgt selbstverständlich einen Appell an den Gemeinsinn. Sollte mir das völlig egal sein und dadurch ein Nachteil für andere Leute in der Runde entstehen, würde man mir den Zugriff auf das Auto entziehen. Gemeinsinn ist also eine Bedingung für die günstige Nutzung des Autos.
Ich muß erst herausfinden, ob sich dieser Umstieg vom Fahrzeugbesitz zu -miete auf mein Fahrverhalten merklich auswirkt. „Mein Karre“ konstituiert ja einen anderen Zustand in der Welt. Privater Raum (Meiner!) wird in den öffentlichen Raum (Unser aller!) gestanzt und bewegt.
Kommt es zu Engpässen oder Kollisionskursen, prallt Ego auf Ego. In solchen Situationen empfinden wir mehrheitlich die großen, stark motorisierten Autos als Zumutung, weil sie sozusagen ein „Extended Ego“ ergeben, das zu mehr Durchsetzungswillen verleitet, was ungleiche Verhältnisse schafft.
Unfallzahlen erzählen davon. Wer Unterhaltung mit heftigen Stoffen schätzt, sollte auf Youtube Stichworte wie „Road Rage“ eingeben. An den Lenkrädern klebt weltweit eine sehr beunruhigender Menge Gewaltbereitschaft; übrigens auch an denen schwacher Autos. Ich bin im Straßenverkehr nicht gerade die eiserne Friedfertigkeit und daher, wie angedeutet, sehr neugierig, was ein geborgter Elektriker diesbezüglich an mir bewirkt. (Voriger Beitrag) (Nächster Beitrag)